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Sim-Racing statt Alko-Kater: Introducing Lando Norris!
Zwölf Jahre nach Lewis Hamilton soll wieder ein junger Brite McLaren retten: Wieso Lando Norris der "Anti-Lewis" ist und was er dem Krieg der Sterne verdankt
(Motorsport-Total.com) - Zwölf Jahre ist es her, dass McLaren mit einem spanischen Routinier und einem britischen Rookie ein Neustart gelang. Und so wie damals Lewis Hamilton Fernando Alonso im "Krieg der Sterne" ordentlich einheizte, soll nun der 19-jährige Lando Norris, der übrigens nach dem Star-Wars-Helden Lando Calrissian benannt wurde, die neue McLaren-Schlüsselfigur werden - und das Team vor dem Untergang retten. Doch wer ist dieser Lando Norris eigentlich, der es nach einem Durchmarsch durch die Formel-Klassen in nur vier Jahren als jüngster britischer Rennfahrer in die Formel 1 geschafft hat?
© McLaren
Nach vier Formel-Jahren mit 19 in der Formel 1: Lando Norris gilt als Supertalent Zoom Download
Der amtierende Formel-2-Vizemeister wuchs in Glastonbury bei Bristol auf, wo eines der größten Rockmusik-Festivals der Welt jedes Jahr über 100.000 Zuschauer anzieht. Doch im Gegensatz zu Hamilton scheint er gegen die Versuchungen des Party-Lebens immun zu sein, auch wenn er heute nur eine Stunde von London entfernt lebt und sich in Guildford bei Surrey eine Wohnung mit dem Formel-3-Piloten Sacha Fenestraz teilt.
Als er auf das Party-Leben in London angesprochen wird, schüttelt er den Kopf. "Nein, das ist überhaupt nicht meines. Ich trinke auch überhaupt nicht gerne. Mich stört es viel mehr, am nächsten Tag verkatert zu sein." Obwohl viele seiner Freunde in London leben und er der Meinung, dass die Leute Dinge tun dürfen sollten, die ihnen Spaß machen, sehe sein Leben anders aus.
Lieber Sim-Racing-Nächte als Glanz und Glamour
"Vielleicht werde ich auch mal mit Freunden auf einen Drink gehen, aber mir macht Sim-Racing viel mehr Spaß. Das ist meine Leidenschaft. Ihr werdet mich also nicht so oft in London auf Sauftour sehen", lacht er. Und wer Norris kennt, weiß, dass er es ernst meint: Auch sein WG-Kollege Fenestraz ist ein leidenschaftlicher Sim-Racer, und erst kürzlich nahm Norris gemeinsam mit Max Verstappen an den virtuellen zwölf Stunden auf der Kultstrecke in Bathurst teil.
In Norris' Wohnung stehen zwei riesige Simulatoren, die von Pro-Sim - der Firma des ehemaligen GP2-Piloten Adrian Quaife-Hobbs - gebaut wurden. Wie professionell es dabei zugeht, beweist die Tatsache, dass die Sim-Racer ihre Daten an Quaife-Hobbs schicken, der diese dann zur Analyse verarbeitet.
"Davon kann man einiges für die Formel 1 ableiten", offenbart der Teenager. "Ob es um Flügel, den Sturz, den Reifendruck und andere Dinge geht. Und für das Rennen in Bathurst hatten wir sogar einen echten Ingenieur dabei. Max und ich haben uns stundenlang vorbereitet. Ich kann auch von Leuten wie ihm etwas lernen - aber auch von anderen Leuten, die an diesen Sim-Rennen teilnehmen und keine echten Fahrer sind. Viele davon wissen, wie man ein Auto einstellt. Wenn es mein Zeitplan zulässt, würde ich gerne mehr Sim-Racing betreiben."
"Bin privilegiert": Wie Norris' Vater Millionen machte
Auch, um Kids zu inspirieren, die sich keine echte Rennsportkarriere leisten können und deswegen Sim-Racing betrieben. "Es gibt tausende Fahrer da draußen, die es sich nicht leisten können, in den Kartsport einzusteigen - aber sie können es sich leisten einen PC, ein Lenkrad und Pedale zu kaufen", sagt Norris. "Es ist mir wichtig, dass der Einstieg in den Motorsport einfacher wird - auch weil ich selbst in einer privilegierten Situation war."
Dabei sieht man Lando Norris gar nicht an, dass er aus reichem Hause kommt: Sein Vater Adam Norris, der als Junge selbst von einer Rennfahrerkarriere träumte, baute ein Unternehmen für den Verkauf von privaten Rentenversicherungen auf und verkaufte seine Anteile schon im Alter von 36 Jahren. Sein Vermögen wird auf über 200 Millionen Euro geschätzt.
Lernen von Hamiltons früherem Erzfeind
Ein weiterer krasser Gegensatz zu Hamilton, dessen Vater drei Brotjobs gleichzeitig machen musste, um die Karriere seines Sohnes zu finanzieren. Ob er den fünfmaligen Weltmeister, mit dem er gerne verglichen wird, vor dem Formel-1-Debüt um Tipps gefragt hat? "Ich habe ihn nicht angerufen", antwortet Norris. "Ich habe ja nicht mal seine Nummer."
Der einzige bisherige Kontakt? "Ich habe ihm bei der Pressekonferenz in Abu Dhabi die Hand geschüttelt - weiter sind wir nicht gekommen." Obwohl er seinen berühmten Landsmann also nicht persönlich kennt, drückt Norris seine Bewunderung aus: "Ich habe zu ihm als Fahrer immer aufgeschaut, denn er ist einer der besten Fahrer aller Zeiten. Es war toll, ihn über die Jahre zu beobachten - wie er arbeitet."
Viel mehr habe er aber als McLaren-Ersatzmann von dessen ehemaligen Erzfeind Alonso gelernt, mit dem er im Vorjahr übrigens auch in Daytona ein Auto teilte: "Ich habe Fernando auf einer viel persönlicheren Ebene kennengelernt - und es ist mir gelungen, einiges davon mitzunehmen, wie er an Rennwochenenden herangeht wie er sich bei den Ingenieuren einbringt."
Der "Doktor" als großes Idol
Sein Kindheitsidol ist aber keiner der beiden - sondern MotoGP-Legende Valentino Rossi. Das zeigt auch das Helmdesign des britischen Shootingstars, das auch die von Rossi geprägte "Sonne" miteinbezieht. Um auch in der Formel 1 die Erfolge seiner Idole zu erreichen, steht aber noch ein weiter Weg bevor. Denn McLaren ist seit Jahren nur noch ein Schatten seiner selbst.
Ob er deswegen zunächst vor allem daran denkt, seinen spanischen Teamkollegen zu schlagen? "Jeder Fahrer auf der ganzen Welt will gewinnen. Und das bedeutet, alle anderen zu schlagen", bemüht er sich, das Thema Stallkrieg zu umgehen. "Da ich hoffentlich länger bei McLaren bleiben werde, ist es mein größtes Ziel, mich weiterzuentwickeln und ein besserer Fahrer zu werden. Ich möchte am Ende des Jahres ein besserer Fahrer sein als am Anfang."
Stallduell mit Sainz: Nur nicht in Kleinkrieg verstricken!
Zudem bringe es nichts, sich in einen Kleinkrieg mit Sainz zu verstricken: "Ich muss doch von Carlos lernen. Er hat viel Erfahrung. Er weiß mehr als ich - und er weiß besser, was er in gewissen Situation machen muss. Ich habe diesen Winter viel Zeit damit verbracht, mich in allen Bereichen für die bevorstehenden Rennen vorzubereiten. Es gibt aber Dinge, die man nicht lernen kann, ehe man auf der Strecke ist."
Generell sei aber am "am wichtigsten, dass wir uns als Team verbessern. Diesbezüglich wird es am wertvollsten sein, dass wir zusammenarbeiten, um uns gegenseitig zu pushen, aber auch um das Auto zu verbessern." Ob er diesbezüglich schon Fortschritte erkannt habe? "Ich bin zuversichtlich, dass das Team ein bisschen besser verstanden hat, was mit dem Auto los ist", antwortet er. "Und obwohl ich erst zwei Jahre bei McLaren bin, sind mir bereits Unterschiede aufgefallen."
Norris glaubt 2019 nicht an Wunder
An ein Wunder glaubt er allerdings 2019 nicht: "Um wieder das beste Team zu werden, bräuchte es schon einen riesigen Schritt." Nun will Norris selbst anpacken, um McLaren wieder zu alten Glanzzeiten zurückverhelfen - und so selbst wie Hamilton ein Teil der Historie des Teams werden.
"Ich wohne nur 20 Minuten von hier entfernt", sagt er. "Ich kann also immer in die Fabrik kommen, wenn ich eine Idee habe, an der ich arbeiten möchte. Ich kann kommen, wenn ich etwas über das Auto in Erfahrung bringen möchte. Und ich kann das machen, was notwendig ist, damit ich mich hier wohlfühle."
Und auch das Team will laut Norris dafür sorgen, dass sich die Fahrer in Zukunft bei McLaren wohler fühlen, nachdem die Zusammenarbeit mit Stoffel Vandoorne scheiterte. "Es ist wie beim Auto: Sie wollen besser verstehen, wie sie uns helfen können, damit es für alle einfacher wird. Da geht es nicht nur um Stoffels Erfahrungen, sondern auch um die von Fernando. Glaubt man dem Team, dann ist die für mich geplante Vorbereitung viel effizienter als je zuvor."
So baut Norris für Rückschläge vor
Dennoch rechnet er 2019 mit Rückschlägen. "Es wird vorkommen, dass ich mich nicht gerade großartig schlage, ich werde Fehler machen", sagt er. "Und es wird passieren, dass dann alle denken, dass ich es furchtbar vermasselt habe." Was in der Formel 1 viel größere Folgen habe als in anderen Rennserien: "Durch die Medien kriegen es viel mehr Leute mit als in der Formel 2 und in der Formel 3. Der Druck ist also größer, aber kein Fahrer ist perfekt! Es wird also passieren, aber es ist wichtig, dass mir bewusst wird, dass das dazu gehört."
Damit das Team auch in Krisen hinter ihm steht, versucht er derzeit, für solche Fälle vorzubauen: "Ich versuche, mich mehr beim Team einzubringen, wodurch meine Bindung zu den Mechanikern und Ingenieuren stärker wird und sie mir mehr vertrauen." Wie heikel interne Konflikte sein können, hat schon die Saison 2007 gezeigt - als Alonso den damaligen Teamchef Ron Dennis im Kleinkrieg mit Hamilton erpresste und drohte, Details über die Spionageaffäre an die Öffentlichkeit zu bringen. Seine Zeit in Woking war nach nur einem Jahr abgelaufen.