Anders als Red Bull: McLaren hört auf mich, sagt Sergio Camara
Wieso sich der Ex-Red-Bull-Junior Sergio Sette Camara als McLaren-Testfahrer endlich ernstgenommen fühlt wie er seinen Formel-1-Traum doch noch erfüllen will
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Aufstieg von Lando Norris zum McLaren-Einsatzfahrer hat die Truppe aus Woking nun dessen ehemaligen Carlin-Formel-2-Teamkollege Sergio Sette Camara als Testpilot geholt. Damit hat der ehemalige Red-Bull-Junior, der dieses Jahr in seiner dritten Formel-2-Saison mit dem DAMS-Team auf den Titel losgeht, seine Karriere wieder in Schwung gebracht.
© McLaren
Trotz des Red-Bull-Aus hat sich Sette Camara an die Formel 1 herangeschlichen Zoom Download
Und fühlt sich bei McLaren endlich ernstgenommen. "Ich bin seit Ende Januar fast jeden Tag in der Fabrik und sitze täglich im Simulator", sagt der 21-jährige Brasilianer. "Ich hatte schon im Red-Bull-Nachwuchsprogramm Gelegenheit, im Simulator zu testen. Es waren aber in den meisten Fällen einfach 'blinde' Tests. Ich glaube nicht, dass da anhand meiner Aussagen wirklich Richtungen für die Entwicklung abgeleitet wurden. Das ist hier anders. Hier hört man auf das, was mir als Entwicklungsfahrer im Simulator auffällt."
Sette Camara war nur 2016, als er beim starken Motopark-Team in seiner zweiten Formel-3-Saison nicht über den elften Gesamtrang hinauskam, im Red-Bull-Fahrerkader von Helmut Marko - und durfte damals auch in Silverstone einen Toro Rosso testen. Jetzt hofft der Formel-2-Sechste des Vorjahres, der zwar kein Rennen gewann, aber achtmal auf dem Podest stand, auf eine erneute Testchance.
Sette Camara gibt zu: "Hatte fast schon Angst vor der Formel 1"
"Ob ich in diesem Jahr schon testen werde, kann ich noch nicht sagen", sagt er. "Noch gibt es keinen konkreten Termin. Ich hätte aber natürlich nichts dagegen, wenn ich testen dürfte." Überhaupt ist Sette Camara froh, dass er sich nach dem bitteren Aus bei Red Bull in die Nähe der Formel 1 zurückgekämpft hat.
"Ich glaube, ich habe seitdem viel gelernt", sagt er. "Damals war ich von der Formel 1 schwer beeindruckt, hatte fast schon Angst. Sie ist natürlich noch immer mein Ziel, aber ich muss das Ganze nicht andauernd so dominant in meinem Kopf mit mir herumtragen. Als ich bei Red Bull war, habe ich mir wohl selbst zu viel Druck gemacht. Das ist mit Sicherheit etwas, was sich geändert hat."
Nun gebe er sich zwar genau so viel Mühe, aber er sehe alles gelassener: "Ich bin jetzt ruhiger und denke nicht mehr, wenn ich meinen Platz bei Red Bull einmal verloren habe, will mich keiner mehr haben. Ich finde, ich habe mich zurückgekämpft und stehe, glaube ich, nicht so schlecht da. Ich habe nicht viel zu verlieren."
War Teamkollege Norris für Sette Camara Fluch oder Segen?
Auch wenn er im Vorjahr bei Arden im Gegensatz zur GP2-Debütsaison, als er im Belgien-Sprintrennen überraschend siegte, nie ganz oben auf dem Siegerpodest stand, glaubt er, dass er davon profitiert hat, dass Norris sein Teamkollege war. "Mir war natürlich klar, dass es ein Risiko sein würde, mit ihm in einem Team zu fahren, weil es dann direkte Vergleiche geben würde", sagt Sette Camera. "Und es stimmt: Er hat in der Gesamtwertung besser abgeschnitten als ich, obwohl es für ihn das erste Jahr war."
Es habe aber auch jede Menge positive Aspekte gegeben: "Wenn man gegen ihn gut aussieht, dann werden die Leute auf einen aufmerksam. Genau das ist passiert. Ich bin gegen ihn nicht untergegangen, und es haben sich Möglichkeiten für mich eröffnet. Deshalb bin ich wirklich dankbar für die Chance, im vergangenen Jahr in einem Topteam gegen einen Topfahrer gefahren zu sein." Dazu kommt, dass er Norris nicht nur wegen seiner Leistungen sehr schätze, sondern auch auf menschlicher Ebene: "Er ist ein supernetter Kerl und verdient es wirklich, in dieser Rolle zu sein."
Ob er daran glaubt, dass ihm seine Leistungen im McLaren-Simulator und die Vergleiche mit den Stammpiloten Norris und Carlos Sainz den Sprung in die Königsklasse des Motorsports ermöglichen können? "Viel wichtiger werden meine Ergebnisse in der Formel 2 sein", schüttelt er den Kopf. "Sie werden in erster Linie darüber entscheiden, welchen Weg meine Karriere nimmt. Gleichzeitig glaube ich aber, dass auch die Arbeit im Simulator Gewicht hat. Damit kann ich Bonuspunkte sammeln." Zudem habe er die Möglichkeit, mehr über die Arbeit in der Formel 1 zu lernen.
Bei McLaren auf Sennas Spuren
Und wenn all seine Wünsche in Erfüllung gehen, könnte Sette Camara tatsächlich eines Tages der erste Brasilianer seit dem großen Ayrton Senna sein, der bei McLaren ein Stammcockpit erhält. "Das ist natürlich sehr emotional", sagt Norris, der regelmäßig an den legendären Boliden seines berühmten Landsmannes in der Fabrik in Woking vorbeigeht. "Wenn man bei McLaren durch die Tür tritt, hat man jede Menge Respekt. Man weiß einfach um die Historie, die dieses Team hat. Man sieht die Autos und die Trophäen und denkt sich, wow!"
Noch mehr habe ihn aber beeindruckt, wie konzentriert rund 600 Mitarbeiter bei McLaren am Formel-1-Projekt arbeiten: "Wenn man sich dann mit ihnen unterhält, stellt man fest, wie qualifiziert diese Leute sind. Da wird einem klar, wie wichtig jede Minute Arbeit ist. Natürlich ist meine Arbeit im Simulator längst nicht so entscheidend wie die eines Stammfahrers, aber ich sehe den Wert darin. Das ist wirklich cool."