• 12. Januar 2018 · 15:22 Uhr

Freigeist Newey blickt auf Karriere: "Ron Dennis drehte durch"

Designguru Adrian Neweys Karriere im Rückspiegel: Wie er Ex-Boss Ron Dennis mit etwas Farbe in den Wahnsinn trieb und wie mit Tamiya-Bausätzen alles begann

(Motorsport-Total.com) - Ex-McLaren-Boss Ron Dennis und Stardesigner Adrian Newey holten 1998 und 1999 gemeinsam mit Mika Häkkinen und Mercedes drei WM-Titel. An der Erfolgsallianz biss sich sogar Michael Schumacher die Zähne aus. Dass es aber hinter den Kulissen Stunk gab, ist nicht allen bekannt: Freigeist und Kreativkopf Newey kam mit dem Kontrollwahn des pedanten Bosses Dennis so gar nicht klar.

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Adrian Newey: Erst war Ron Dennis sprachlos, dann folgte der Tobsuchtsanfall Zoom Download

Zankapfel: die Büroeinrichtung. "Rons Lieblingsfarbe ist bekanntlich grau", holt der inzwischen 59-jährige Newey gegenüber 'Sky Sports F1' aus. "Alles in der McLaren-Fabrik war grau, abgesehen von meinem Büro." Doch auch das war rein ästhetisch für Newey kein ansprechender Ort, schließlich musste er nach seinem Wechsel von Williams nach Woking im Jahr 1997 noch mit der alten Einrichtung von Vorgänger John Barnard vorliebnehmen.

"Das Büro hatte eine dunkle Mahagoni-Decke, einen schwarzen Schreibtisch, schwarze Fensterrahmen und einen dunkelbraunen Stuhl", erinnert sich der Brite, der durch das Arbeitsverbot mit dem Design des 1998er-McLaren, damals noch in der alten Fabrik, im Hintertreffen war. "Ich habe also wie verrückt gearbeitet - jeden Tag wurde es Mitternacht. Und um Mitternacht ist das ein sehr deprimierender Ort."

Wegen blauer Farbe: Dennis läuft rot an

Zu Saisonmitte hielt Newey die bedrückende Stimmung in seinem dunklen Büro nicht mehr aus: "Als ich am Donnerstagmorgen zum Ungarn-Grand-Prix aufbrach, bat ich den Fabriksmanager, meinen Arbeitsplatz etwas freundlicher zu gestalten und stellte ihm etwas blaue Farbe hin." Als Newey aus Ungarn zurückkam, erstrahlte das Büro plötzlich in zartem Hellblau. "Es war so viel freundlicher", zeigte sich Newey mit dem Ergebnis hochzufrieden. Nicht aber der Boss.

"Als Ron in der Tür stand, hielt er den Atem an und lief komplett rot an."Adrian Newey
"Ron kam an jenem Abend herein, um zu schauen, wie ich vorankomme", erzählt Newey. "Als er in der Tür stand, hielt er den Atem an und lief komplett rot an. Irgendwann stand er auf seinen Zehenspitzen und ging wieder. Er sagte kein Wort." Doch es war die Ruhe vor dem Sturm: "Er fuhr nach Hause zu seiner Frau Lisa und drehte völlig durch."

Wider Erwarten musste Newey sein Büro aber nicht nach den Wünschen des Chefs umgestalten, was zeigt, welches Ansehen der Designguru schon damals in der Formel 1 genoss. "Es war schräg: Wenn meine Tür nach draußen offen war, dann hatte ich den Eindruck, dass ein Farbfoto aus einem Schwarz-Weiß-Foto herausleuchtet", genoss Newey sein kleines Reich. "Denn da draußen war alles schwarz-weiß."

Ende des Indviduums: Nicht mal Kaffee bei McLaren erlaubt

Dennis' zwanghafte Pedanterie war in der Formel 1 jahrelang gefürchtet. Es hieß, dass die McLaren-Mitarbeiter vor die Türe der klinisch sauberen Fabrik gehen mussten, um ein Sandwich zu essen. Im McLaren-Technology Center, das 2004 eröffnet wurde, sei dies verboten gewesen. Wenn man Newey zuhört, besteht kein Zweifel, dass an den Erzählungen einiges wahr ist.

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Wohlfühlfaktor gleich Null: Die klinisch saubere McLaren-Fabrik in Woking Zoom Download

Zunächst seien am Arbeitsplatz nicht einmal Wassergläser erlaubt gewesen, offenbart Newey, doch als Dennis mit arbeitsrechtlichen Drohungen konfrontiert wurde, musste er nachgeben. Kaffee oder Tee waren aber laut Newey nach wie vor ein No-Go. "Und ich glaube, es ist immer noch so. Außerdem war nur ein persönliches Foto auf dem Schreibtisch erlaubt - und das musste man über Nacht verstauen", sagt er. "Es handelte sich also um ein sehr kontrolliertes Umfeld."

Auch der Weg zum Arbeitsplatz war für Newey in der neuen, von Stararchitekt Sir Norman Foster designten Fabrik eine Qual. "Man betrat sie durch diese langen weißen Gänge, und es dauerte eine Weile, ehe man an seinem Arbeitsplatz ankam", blickt er zurück. Anstatt unterirdisch ins Büro zu gelang, wählte Newey irgendwann eine andere Route dem Rasen entlang über den Truck-Parkplatz.

Doch die Videoüberwachung entlarvte Newey. "Ich erhielt eine E-Mail-Warnung, mir würde eine interne Untersuchung blühen, wenn ich mich nicht an die vorgesehene Route zu meinem Büro halte", schreibt er in seiner eben erschienenen Biographie "How to build a car". Für seinen Chef Dennis war das mangelnde Wohlbefinden seiner Mitarbeiter offenbar nicht nachvollziehbar. Bei der Eröffnung der Fabrik hatte er noch getönt: "Die Arbeitsumgebung wird so toll sein, dass die Angestellten ganz scharf aufs Arbeiten sein werden."

Formel-1-Bausätze: Wie bei Newey alles begann

Kein Wunder, dass Newey etwas mehr als ein Jahr nach dem Umzug in die Hightech-Fabrik die Flucht ergriff und 2006 zum damals noch als Party-Team verschrienen Red-Bull-Rennstall wechselte. Doch wie kam Newey überhaupt in die Formel 1? Auslöser war sein Vater, der zwar als Tierarzt arbeitete, aber in seiner Freizeit in der Garage mit großer Leidenschaft an seinem Mini Cooper und seinem Lotus Elan schraubte. Der zehnjährige Adrian war stets mit dabei und legte schon mal Hand an. "Seit damals wollte ich in die Formel 1", gibt er zu.


Fotostrecke: Die Weltmeisterautos des Adrian Newey

Seinem Traum kam er etwas näher, indem er an Tamiya-Plastikbausätze von Formel-1-Boliden im Maßstab 1:20 bastelte. Doch der Teenager war rasch gelangweilt und designte und baute in der Garage seines Vaters mit Hilfe der Drehmaschine bald seine eigenen Modellautos. "So habe ich es gelernt, meine Designs auf Papier zu bringen und daraus echte Modelle zu bauen", erzählt er.

Dennoch war die Ingenieurs-Laufbahn damit noch lange nicht vorprogrammiert: Schon damals faszinierte Newey, der selbst heute noch manchmal an Autorennen teilnimmt, das Steuern eines Boliden. "Als ich 14 war, wollte ich unbedingt Kartfahren", bestätigt er. "Ich habe also meinen Vater überredet, mich zur nächsten Kartbahn zu bringen. Ihm ist sofort aufgefallen, dass die meisten Kinder dort sind, weil ihre Väter es wollen, aber selbst nicht den Antrieb haben."

Rennfahrer Newey: Durch schlechtes Kart zum Technikguru

Vater Newey erkannte also das ehrliche Interesse seines Sohnes und schlug ihm einen Deal vor, wie er die Rennkarriere finanzieren könnte. "Für jeden Pfund, den ich verdiene, würde er mir einen weiteren Pfund geben", erzählt Newey, der sich sofort darauf einließ. "Es war großartig: Ich habe also die Zeitung ausgetragen, Autos gewaschen, und das doppelte bekommen." Es dauerte nicht lange, und er konnte sich ein altes Go-Kart leisten. "Ich war damit hoffnungslos langsam", schmunzelt er heute.

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Noch heute sitzt Newey gerne selbst am Steuer eines Rennboliden Zoom Download

Das schlechte Material half zwar nicht wirklich, seine Rennkarriere voranzutreiben, dafür entwickelte Newey seine technischen Fähigkeiten weiter: "Es wurde zu meiner Leidenschaft, das Kart zu verbessern, damit es schneller ist, anstatt mich auf das Fahren zu konzentrieren. Ich habe also das Schweißen gelernt, habe den Motor überarbeitet und so weiter." Später studierte er Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität in Southampton, wo sich zufällig das Fittipaldi-Formel-1-Team in den Windkanal eingemietet hatte.

Newey bekam den Job als Aerodynamik und erfüllte sich so seinen Formel-1-Traum. Später wechselte er zu March und beeindruckte beim Nachfolgeteam Leyton House Williams-Mitbesitzer und Technikchef-Legende Patrick Head. Die beiden wurden ein perfektes Team, denn während sich Head auf das Getriebe konzentrierte, durfte sich Newey bei Aerodynamik, Mechanik und Einbau austoben.

Wie Williams' Kompliment Newey verletzte

"Williams wurde mehr oder weniger wie Frank und Patricks Hobbyladen geführt", erinnert er sich an die familiäre Atmosphäre. "Man spürte, dass es einmal ein kleines Team war und auf natürliche Weise gewachsen ist." Teamchef-Legende Frank Williams erkannte rasch, dass Newey ganz nach oben strebte, und machte ihm einmal das Kompliment, er sei der größte Wettbewerbs-Typ, den er kenne.

"Ich erinnere mich noch genau, als er das zu mir sagte", sagt Newey heute. "Und es hat mich damals verletzt." Heute sieht der Mann, der mit seinen Rennställen insgesamt zehn Fahrer- und zehn Konstrukteurs-Titel geholt hat, die Aussage in einem anderen Licht. "Ich habe über die Monate und Jahre darüber nachgedacht, und er hat es wirklich als Kompliment gemeint. Ich mag es nicht, wenn ich besiegt werde."

Als Newey 1997 zu McLaren wechselte, erlebte er einen Kulturschock. Bei Williams habe jeder einfach "seine Arbeit gemacht, es gab kaum Richtlinien. Bei McLaren gab es hingegen klare Management-Codes, alles war sehr gut organisiert", vergleicht er die beiden britischen Traditionsteams. "Die Abläufe waren klar festgelegt. Das kann Vorteile bringen, kann einen aber auch einschränken." Genau das war für den Freigeist Newey am Ende dann doch zu viel ...

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