Massa-Abschied vom Schicksalsort: Fans sangen stundenlang
Felipe Massa fährt sein letztes Rennen am Schicksalsort Interlagos: Wieso ihn Freund Rob Smedley so sehr vermissen wird und ihm das Drama 2008 eine Ehre war
(Motorsport-Total.com) - Es ist das letzte Mal, dass Felipe Massa als Formel-1-Pilot an seiner Rennstrecke in Interlagos aufwacht, um dort vor seinem Publikum einen Grand Prix zu bestreiten. Mit 36 Jahren hat der Williams-Pilot nach den emotionalen Szenen im Vorjahr, als er von den Fans nach dem Ausfall leidenschaftlich gefeiert wurde, endgültig seinen Rücktritt bekanntgegeben. Damit tritt einer der beliebtesten Piloten im Fahrerlager ab.
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Kleiner Brasilianer ganz groß: Massa wird nach seinem bittersten Triumph bejubelt Zoom Download
Einer, der Massa besonders vermissen wird, ist dessen langjähriger Ferrari-Renningenieur Rob Smedley. Der Nordengländer aus Middlesbrough mit dem starken Akzent, der dem Brasilianer nach acht gemeinsamen Jahren auch zu Williams folgte, trauert Massa jetzt schon nach: "Es fühlt sich ein bisschen so an, wie wenn dein Kumpel, mit dem du auch arbeitest, den Arbeitsplatz verlässt. Du wirst ihn trotzdem weiterhin treffen, aber es war schön, jedes Wochenende hier ein Kumpel zu haben, vor allem da wir beide älter geworden sind."
Das liege auch daran, dass man in der von enormer Konkurrenz geprägten Formel 1 auch mal auf andere Gedanken kommt: "Man setzt sich zusammen, geht auf eine Tasse Tee und spricht über normale Dinge." Und das sei eben mit dem bodenständigen Massa, der im Vergleich zu manch anderem Piloten keinerlei Starallüren zeigte, immer möglich gewesen.
Massa bitterster Sieg ließ niemanden kalt
"Er ist ein Formel-1-Megastar, aber gleichzeitig einer der einfachsten und bescheidensten Typen, die ich kenne", streut Smedley seinem Freund gegenüber 'Sky Sports F1' Rosen. "Er ist ein sehr bodenständiger Typ. Manchmal ist er sogar ein ziemlicher Fremdkörper im Formel-1-Fahrerlager, aber setz ihn ins Auto, denn das ist der Teil davon, den er liebt."
Doch wie wird Massa der Formel 1 aus sportlicher Sicht in Erinnerung bleiben? Ganz klar durch das legendäre WM-Finale in Brasilien im Jahr 2008. Und das ist definitiv einer der Gründe, warum der emotionale Rennfahrer auch heute womöglich mit den Tränen kämpfen wird. Massa war damals beim Überqueren der Ziellinie für wenige Sekunden Formel-1-Weltmeister, doch während seine Familie und die Ferrari-Mechaniker in der Box jubelten, überholte Lewis Hamilton den mit Trockenreifen herumrutschenden Toyota-Piloten Timo Glock und entschied die WM doch noch um einen Punkt für sich.
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Sollte heute oder beim Saisonfinale in Abu Dhabi nicht noch ein Wunder geschehen, dann war das Massa letzter Grand-Prix-Sieg in der Formel 1 - und mit Abstand der bitterste. Doch er wurde gefeiert wie ein Champion. "Die Zuschauer auf den Tribünen haben vier, fünf Stunden lang seinen Namen gesungen", erinnert sich Smedley. "Und das ging nach dem Rennen weiter. Ich habe noch es nie erlebt, dass ein Fast-Weltmeister so viel Applaus und Zuspruch erhält."
Sogar bei McLaren fühlte man mit Massa
Dass Massas Schicksal damals niemanden im Fahrerlager kalt ließ, beweist auch die Reaktion seine heutigen Technikchefs Paddy Lowe. "Als Lewis ihm 2008 600 Meter vor dem Zielstrich noch den Titel wegschnappte, war ich bei McLaren und damit der Gewinner", blickt der Brite gegenüber 'Auto Bild motorsport' auf eine Zeit zurück, als die Rivalität zwischen McLaren und Ferrari teilweise sogar in Feindschaft überging. "Trotzdem hat mir Felipe leid getan."
"Fernando ist faster than you"
Doch auch ein anderes Ereignis hat sich in das Gedächtnis vieler Formel-1-Fans und -Protagonisten eingebrannt: Abgesehen von seinem schweren Unfall in Ungarn 2009 ist bei vielen nach wie vor die Stallorder-Affäre 2010 in Hockenheim präsent, als ausgerechnet Smedley seinem Freund mit dem Funkspruch "Fernando is faster than you" mitteilte, dass er Teamkollege Alonso vorbeilassen sollte.
Somit verhinderte er, dass Massa nach dem dramatischen Sieg in Interlagos 2008 und dem Horrorunfall im Jahr darauf noch ein weiteres Rennen gewinnen sollte. Ob ihn das Ereignis heute noch wurme, wird Smedley gefragt. "Es wurmt mich nicht, es ist lange her", antwortet er. "Da waren außerdem viele von uns beteiligt, und ich war am Ende der, der die Botschaft überbracht hat", verteidigt sich der Brite. Klar haben unter anderem er und Massa "ein paar Narben davongetragen, das Leben hat sich möglicherweise dadurch auch ein bisschen verändert." Abschließend zieht er aber ein positives Fazit: "Man lernt daraus, und was einen nicht umbringt, macht einen stärker."