• 18. Juni 2015 · 09:11 Uhr

Frank Williams' Lebenswerk: Brauche die Geschwindigkeit

Formel-1-Teamchef Frank Williams ist keiner, der sich unterkriegen lässt - sei es durch schwierige Finanzlagen oder Unfälle, der "Rollstuhlgeneral" atmet Rennsport

(Motorsport-Total.com) - Gespannt verfolgt der "Rollstuhlgeneral" das Geschehen bei den Rennen, zu denen er noch reisen kann, verzieht selten eine Miene. Die äußerlich ernste Erscheinung täuscht darüber hinweg, dass der 73-Jährige voller Lebensmut steckt. Er denkt nicht ans Aufhören und erfreut sich der Privilegien als feste Größe der Königsklasse des Motorsports. Seine Tochter Claire ist ebenfalls vom Motorsportvirus infiziert, musste sich den Posten als Stellvertretende Teamchefin hart erkämpfen, da Frank, 1999 von Queen Elisabeth II. zum Ritter geschlagen, die Messlatte stets hoch legte.

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Schon damals: Patrick Head ist ständiger Begleiter des ehrgeizigen Frank Williams Zoom Download

Auch Sohn Jonathan arbeitet im Familienbetrieb und kümmert sich unter anderem um das Erbe der Familie. Und obwohl Vater Frank längst nicht mehr zu allen Rennen reisen kann, denkt er nicht ans Aufhören. "Ich werde nicht irgendwo anders hingehen", berichtet er heiter dem 'FIA Auto Magazin'.

Neun Konstrukteurstitel gewann er mit seinem Team. Seine sieben Fahrerweltmeister hören auf die Namen Alan Jones (1980), Keke Rosberg (1982), Nelson Piquet (1987), Nigel Mansell (1992), Alain Prost (1993), Damon Hill (1996) und Jacques Villeneuve (1997). "Ich hatte ein fantastisches Leben", blickt Williams stolz auf seine Vergangenheit: "Ich wette, dass wenige Leute ein so schönes Leben hatten wie ich. Es ist wie in meinem Lieblingsfilm 'Top Gun': 'Ich spüre die Gier... die Gier nach Tempo in mir!' Und das ist alles, worum es sich bei mir dreht."

Verhängnisvoller Überschlag: "So arg sollte es doch nicht weh tun"

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Alan Jones ist 1980 der erste Formel-1-Weltmeister am Steuer eines Williams Zoom Download

Der Filmklassiker wurde 1986 veröffentlicht - in jenem Jahr, als Williams seinen verhängnisvollen Unfall hatte. Sein damaliger Presseverantwortlicher Peter Windsor saß mit ihm im Auto, als Williams bei Marseille mit überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen Ford Sierra verlor. "Es war nachts auf einer Landstraße, und wir kamen lange an keinem Straßenschild vorbei. Wir hatten die ganze Straße für uns. Wir kamen zurück von den Testfahrten in Frankreich in Le Castellet - und dann habe ich es verloren", schildert er den Unfall, der in einem Überschlag endete.

"Ich spürte einen heftigen Schmerz, als wir uns überschlagen hatten. Ich hatte mich oft überschlagen, aber ich dachte mir: 'So arg sollte es doch nicht weh tun.'" Der fünfte und sechste Rückenwirbel brachen bei Williams, während Windsor die Sache nahezu unbeschadet überstand. Nach fünf Wochen Krankenhaus will Williams das Bett verlassen. Sein behandelnder Chirurg ist außer sich, als er den Verwundeten außerhalb des Krankenzimmers findet. Williams grinst: "Er sagte mir: 'Sie legen sich jetzt sofort zurück ins Bett oder ich werde mich nicht mehr um sie kümmern.'"

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Claire Williams hatte zu kämpfen: So entspannt ging es mit ihrem Vater Frank nicht immer zu Zoom Download

Seine drei Kinder ringen mit den Emotionen und auch seine Frau Ginny (2013 verstorben: Anm. d. Red.) ist alles andere als begeistert. "Meine Kinder waren etwas überrascht und waren am Anfang etwas weinerlich. Aber sie haben sich dran gewöhnt. Es fast so als würde der eigene Hund sterben. Doch dann gehst du raus und kaufst dir einen neuen. Das hat mir etwas Sorgen bereitet, aber natürlich kann man nicht herausgehen und einen anderen von meiner Sorte kaufen. Letztlich war das also kein Problem", so der Brite mit seinem ganz eigenen Galgenhumor. Wahrlich: Wie hätte ein Mensch wie Frank Williams, dessen Leben bis dato immer von Höhen und Tiefen geprägt war, den Vorfall auch anders verarbeiten sollen?

Pick-up-Touren und schnorren beim Buffet

Zeit seines Lebens hatte Williams gegen Widrigkeiten gekämpft - nicht erst seit Rennlegende Ayrton Senna 1994 tödlich am Steuer seines Boliden verunglückte. Seine Mittel waren knapp, der Offizierssohn finanzierte sich seine ersten Gehversuche als Rennfahrer mit dem Verkauf von Backwaren und als lohnabhängiger Autoteilehändler.

Der junge Frank strahlte, als er mit den ersten Formel-1-Legenden in Berührung kam: "Ich war in der Formel 3 oder in der Formel-Junior, gerade 19 oder 20 Jahre alt, als ich angefangen habe zu staunen und mir gesagt habe: 'Wow, da ist Jack Brabham und dort ist Jackie Stewart.'" Mit einem Austin A35 bestritt er Tourenwagenrennen, zusammengeflickt und modifiziert mit Teilen des A40. "Das war ein richtiges Rennauto für Jungs. Es klang entzückend und hatte große Aufkleber drauf, kreisförmige an den Seiten, mir ist das Herz dabei aufgegangen", freut es ihn noch heute.


Fotostrecke: Die Williams-Story

Frank hatte Erfolg, lernte so den Namensvetter und Rennfahrer Jonathan Williams kennen. Die Rivalität auf der Strecke stand einer engen Freundschaft der beiden nicht im Weg. So eng, dass sie 1963 gemeinsam durch Europa reisten: "Jonathan kam auf mich zu und sagte: 'Hör her, Frank, ich toure zu den Rennen mit meinem VW-Pick-Up durch Europa. Möchtest du mitkommen?" Frank sagte zu. Der teure Motorsport brachte ihm bis dato Schulden ein, noch während seiner Zeit in der Formel 1 sollte er später gerne mal beim Buffet der Konkurrenz schnorren.

Flucht vor den Gläubigern und Kauf eines Top-Autos

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Mit dem Kauf des Brabham BT26 landet Frank Williams einen Volltreffer Zoom Download

Die Reise kam ihm gelegen: "Es half mir, vor meinen Gläubigern zu flüchten. So hatte ich ein Zeltdach über meinem Kopf und einen Schlafplatz." Das alles begann in Grove, dem heutigen Firmensitz des Traditionsteams, Williams baute sein Jungunternehmen auf. Gebrauchte Dunlops, Teile von Getrieben, alles Mögliche brachte er vom Festland mit. "Das habe ich sozusagen gehortet", beschreibt er die Firmengründung. 1968 - Williams war längst in der Formel 2 am Start - landete Frank den ganz großen Coup, als er mit dem Brabham BT26 ein ausgemustertes Formel-1-Fahrzeug an Land zog.

Der Deal missfiel Brabham, denn die Werksmannschaft lieferte keine aktuellen Wagen mehr an Kundenteams aus. Jedoch fand Williams einen Sammler, dem er den Boliden abkaufen konnte. Bis in die frühen 1980er Jahre war es üblich, dass Formel-1-Teams Chassis bei der Konkurrenz kauften. Erst mit der Gründung des Konstrukteurs-Zusammenschlusses FOCA wurde festgelegt, dass ein Team sein eigenes Chassis designen muss. Zwei Podestplätze gelangen Williams bei seinem Formel-1-Einstieg 1969 mit Piers Courageam Steuer. Mit Biss und Durchhaltevermögen überstand Williams die Anfangszeit in der Königsklasse und baute ab 1972 endlich eigene Renner.

Williams verliert mit Piers Courage einen Freund

Doch der Erfolg war auch mit Trauer verbunden. Piers Courage lässt beim Grand Prix der Niederlande 1970 sein Leben, als das Magnesium-Chassis seines Williams, einer Fremdkonstruktion des italienischen Sportwagenherstellers De Tomaso, bei einem Unfall Feuer fängt. Jochen Rindt und Frank Williams verlieren einen engen Freund. "Das hat mir das Herz gebrochen. Piers war ein fantastischer Mensch. Bei der Beerdigung gab es keinen Rennfahrer, dem nicht die Tränen kamen", huldigt Williams Courages Engagement.

Bis 1972 ging es sportlich für den ersten Formel-1-Rennstall des Frank Williams bergauf, doch Mitte des Jahrzehnts befand sich das Team, das unter dem Namen "Williams Racing Cars" firmierte, langsam auf Talfahrt. Williams verkaufte den Rennstall an den Austro-Kanadier Walter Wolf, der die Truppe in "Walter Wolf Racing" umbenannte und sie mit dem schnellen Jody Scheckter 1977 sogar zur Vizemeisterschaft führte.

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Normales Bild der 1990er: Williams dominiert vom Start weg das Renngeschehen Zoom Download

Während für Wolf letztlich 1979 Schluss war, gründete Williams zusammen mit dem Ingenieur Patrick Head eben jenes Team ("WilliamsF1"), welches in den 1980er- und 1990er-Jahren von Erfolg zu Erfolg eilen sollte. Head, lange Jahre Anteilseigner des Rennstalls, steht bei Williams hoch im Kurs. "Patrick hat großartige Arbeit geleistet, sowohl für sich selbst, als auch für die Formel 1 und Williams", schwärmt er vom Mann, dem ebenfalls Ritterwürden zuteil wurden: "Er war herausragender Ingenieur und ist ein sehr energischer Mensch." So habe Head Standards gesetzt, die noch heute dafür sorgten, dass es sich bei Williams um einen erfolgreichen, privaten Rennstall handelt.

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