Kaltenborn: Charme und Schärfe
Teamchefin Monisha Kaltenborn wurde von einigen Personen lange Zeit nicht im Formel-1-Zirkus wahrgenommen, dabei vertrauen ihr die Größen schon seit Jahren
(Motorsport-Total.com) - Als Kind wollte sie Astronautin werden, nach der ersten Bekanntschaft mit dem Motorsport die Rallye Dakar bestreiten. Es waren nie die kleinen Aufgaben, die Monisha Kaltenborn reizten. Beruflich richtete sie sich früh klar aus: Die Rechtswissenschaften hatten es ihr angetan, und sie hatte auch das Bild vor Augen, damit in eine Management-Position zu wollen.
Der Weg der heute 42-Jährigen führte sie ab ihrer Tätigkeit für die Fritz-Kaiser-Gruppe auf geradem Weg in die Formel 1. 2010 wurde sie als CEO des Sauber-Teams die erste Frau, die die Geschäfte eines Formel-1-Teams führt. Ende 2011 übergab ihr Peter Sauber zwei Drittel des Unternehmens, und am 11.Oktober 2012 übernahm sie auch die Rolle als Teamchefin.
Sie war noch ein Kind, als sich die Familie entschloss, die Heimat Indien zu verlassen, um die Zelte anderswo in der Welt aufzuschlagen. "Das geschah damals ohne Not, mehr aus Interesse", erinnert sie sich, "und schließlich entschieden sich meine Eltern für Wien." Dort absolvierte Monisha Kaltenborn ihr Jurastudium, und sie wurde österreichische Staatsbürgerin.
Nach dem Abschluss setzte sie ihre Studien noch an weiteren international renommierten Hochschulen fort, arbeitete bei den Vereinten Nationen sowie für Kanzleien in Deutschland und Österreich. Als sie 1998 zur Fritz-Kaiser-Gruppe wechselte, war Kaiser Teilhaber des Sauber-Teams. Die Rechts- und Unternehmensangelegenheiten wurden Kaltenborns Projekt.
Als Kaiser seine Teamanteile damals veräußerte, bezog sie zur Jahrtausendwende Quartier in Hinwil und leitete fortan die Rechtsabteilung der Sauber-Gruppe. Seit 2001 gehört sie der Geschäftsführung an, der sie seit 2010 als CEO vorsteht. Verträge mit Fahrern, Sponsoren und Lieferanten wasserdicht zu verhandeln, gehörte über all die Jahre zu ihrem Tagesgeschäft. Sie pflegte auch die Kontakte mit der FIA, dem kommerziellen Rechtehalter FOM und der FOTA.
Öffentlich trat sie vor 2010 wenig in Erscheinung. Unternehmensvorstände und Schlüsselfiguren wie Bernie Ecclestone oder Jean Todt hingegen kannten sie sehr wohl und wussten sie auch richtig einzuordnen. Anders ein ehemaliger Teamchef: "Er hielt mich ein volles Jahr lang für Peter Saubers Übersetzerin", erzählt Kaltenborn lachend. Es ist für sie kein Problem, einen Mann in der Männerwelt ganz charmant glauben zu lassen, was er glauben will. Sie leistet es sich, ihren messerscharfen Verstand schon mal hinter einem Lächeln zu verbergen. "Unterschätzt zu werden", sagt sie, "ist manchmal auch ein Vorteil, den man nutzen kann."
Sie engagiert sich in der im April 2010 gegründeten und von Michele Mouton geleiteten Women in Motorsport Commission der FIA. 2010 saß Monisha Kaltenborn in Hockenheim als erste Frau in der FIA-Pressekonferenz für das Top-Management der Teams. Das generierte viel Aufmerksamkeit. Vieles ist inzwischen Routine. Anlässlich des ersten Großen Preises in ihrer Heimat Indien rückte sie noch mehr ins Rampenlicht.
Ihre Medienpräsenz bewertet sie schlicht danach, ob es gut für das Team ist oder nicht. Aber ihre Sachlichkeit steht keineswegs der Freude an ihrem Job im Wege, den sie dann auch mal in erfrischender Offenherzigkeit "richtig cool" finden kann. "Aber das wirklich Spannende an meiner Aufgabe", stellt sie klar, "findet hinter den Kulissen statt."
Strukturiertes Management ist auch in ihrem Privatleben gefragt. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in Küsnacht, 20 Fahrminuten von der Fabrik entfernt. Und wenn bei all dem ein Zeitfenster für Hobbys aufspringt, dann fühlt sie sich wohl auf der Yogamatte, einem Tennisplatz oder bei einem seltenen Opernbesuch.
Geburtstag: 10. Mai 1971 (Dehradun, Indien)
Nationalität: Österreicherin
Wohnort: Küsnacht (Schweiz)
Familienstand: Verheiratet mit Jens, einen Sohn (2002), eine Tochter (2005)
Hobbys: Yoga, Tennis, Oper
Laufbahn:
1990-1995: Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Österreich), Abschluss als Magister iuris
1994: Seminar über internationales Zivilrecht, Hague Academy for International Law (Niederlande)
1995: Forschungsassistenz bei der Organisation für Industrie-Entwicklung der Vereinten Nationen in Wien; Forschung für die UN-Kommission für internationales Handelsrecht in Wien
1996: Master of Law, International Business Law, an der London School of Economics (Vereinigtes Königreich)
1996/1997: Rechtsanwaltskanzlei Gleiss, Lutz, Hootz, Hirsch in Stuttgart
1997/1998: Rechtsanwaltskanzlei Wolf, Theis + Partner in Wien
1998/1999: Fritz-Kaiser-Gruppe, Rechts- und Unternehmensangelegenheiten bei Sauber
2000: Sauber-Gruppe, Leitung der Rechtsabteilung
2001: Mitglied der Geschäftsführung
Seit Januar 2010: CEO Sauber Motorsport AG
Ende 2011: Erhält ein Drittel der Anteile am Unternehmen
Oktober 2012: Ablösung von Peter Sauber als Teamchefin