Weltenbummler Jordan: "Ich bin Ire und fluche gerne mal"
Ein Original der Formel 1, das kein Blatt vor den Mund nimmt, den Rock'n' Roll und viele deutsche Piloten in die Königsklasse brachte: Eddie Jordan - ein Porträt
(Motorsport-Total.com) - Es passte zu ihm und der Zeit, als sich die Jugend in "Love, Peace & Rock'n'Roll" auslebte: Ein junger Ire aus Dublin namens Edmund - genannt Eddie - Jordan wollte Anfang der Siebzigerjahre vor dem spießigen Banker-Dasein fliehen und die Motorsportwelt erobern.
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Mag das Fluchen und liebt die Musik: Der ehemalige Formel-1-Teamchef Eddie Jordan Zoom Download
Was zunächst mit der irischen Kartmeisterschaft im Jahr 1971 recht vielversprechend begann, wurde 1976 abrupt mit einem Unfall inklusive doppeltem Beinbruch - im wahrsten Sinne des Wortes - unterbrochen. Nach weiterhin nur mäßigen Erfolgen hinter dem Lenkrad und Mangel an nötigen Sponsorengeldern, gründete Jordan 1991 seinen eigenen Rennstall - und damit seine eigene Erfolgsgeschichte.
"Ich wollte alles selber auf die Beine stellen. Ich wollte zu keinen großen Firmen, die mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe", berichtet Jordan bei 'Servus TV' über seine Anfangszeit und sagt dann bezeichnend für seine gesamte Karriere: "Ich habe es dann selber gemacht." Ein Mann, ein Wort: 1991 ist er schließlich mit Jordan Grand Prix in die Königsklasse eingestiegen - und verhalf unter anderem einem gewissen Michael Schumacher zum Formel-1-Debüt. Auch dessen Bruder Ralf machte bei Jordan seine ersten Schritte in der Königsklasse. Ebenso Heinz-Harald Frentzen, Nick Heidfeld und Timo Glock brachte der Ire in Lohn und Brot.
Musik als Ausgleich
Allerdings war die Zeit nicht immer rosig und zumeist sehr anstrengend. "Das alles war natürlich stressig", erzählt Lebemann Jordan. Eine Abhilfe gab ihm dabei stets die Musik: "Immer die Alternative", schwärmt er, "weil ich mit Leidenschaft rangegangen bin". "Ich habe auch tolle Rock'n'Roll-Leute kennengelernt", berichtet er weiter. Jordan kennt seine Wurzeln: "Das ist die Kultur, mit der ich aufgewachsen bin."
Kostprobe gefällig? Auf die Schlagzeugkünste seines damaligen Teamchefs angesprochen ließ sich Heidfeld die Aussage entlocken: "Ich habe ihn am Nürburgring Schlagzeug spielen hören. Zum Glück kam ich aber erst zwei Minuten, bevor er aufgehört hat." Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Jordan, die Boxenluder und der erste Formel-1-Sieg
Die Bezeichnung "Boxenluder" fand man vor allem in Verbindung mit Jordan, der eine gewisse Katie Price zur Berühmtheit machte. Was viele nicht wissen über das "Mädchen von Seite drei" der britischen Zeitungen: "Katie Price hat das Team wirklich gefallen", erinnert sich Jordan. "Sie war aber erst dann erfolgreich, als sie ihr Pseudonym 'Jordan' gewählt hat. Was meine Frau dazu gesagt hat, ist eine andere Geschichte", fügt er mit seinem typisch, irischen Humor hinzu.
Auf den ersten Sieg in seiner Formel-1-Geschichte musste Jordan geschlagene sieben Jahre warten. Beim Großen Preis von Belgien 1998 war es dann endlich soweit: Nach einem turbulenten Rennen mit der teuersten Startkarambolage aller Zeiten gewann der Brite Damon Hill - natürlich begünstigt durch den legendären Auffahrunfall von Michael Schumacher in Führung liegend, als der Deutsche dem schleichenden David Coulthard ins Heck krachte und als Dreirad zur Box eierte.
Egal: In den Geschichtsbüchern wird an diesem 30. August zum ersten Mal Jordan in die Siegerliste eingetragen. Der Ire konnte sein Glück nach der bis dahin mehr als durchwachsenen Saison kaum fassen und hüpfte wie ein kleines Kind wild mit den Armen rudernd durch die Boxengasse.
Das beste Jahr des kleinen Teams: 1999
Der Musik blieb Jordan natürlich weiterhin treu. Angeblich soll er einmal in Österreich ein Teamchef-Meeting geschwänzt haben, um bei einem Konzert spielen zu können. Ganz weit vorne bei der Musik war Jordan mit seinem Team auch im Jahr 1999. Das Jahr vor dem Millennium bleibt die beste Saison der kleinen Mannschaft. Verantwortlich dafür war - irgendwie bezeichnend für das Team - ein Deutscher: Heinz-Harald Frentzen. Der Mönchengladbacher kam von Williams, wurde auf Anhieb Dritter in der Fahrerweltmeisterschaft und fuhr sogar lange um den Titel mit.
Unvergessen bleibt Frentzens Husarenritt beim Großen Preis von Frankreich, als er im strömenden Regen von Magny-Cours in der Schlussphase als einziger auf Trockenreifen blieb und mit einer fahrerischen Glanzleistung als Sieger über die Ziellinie schlitterte. Es ist nicht überliefert, aber im Parc-Ferme sollten sich auch beim hartgesottenen Iren die Regentropfen mit Tränen der Freude vermischt haben. Auf jeden Fall bekam Frentzen von seinem Teamchef einen dicken Schmatzer auf die Backe.
Danach konnte Jordan neben Frentzens Sieg in Monza den dritten Platz in der Teamwertung sichern, da auch Altmeistert Hill sich als fleißiges Bienchen herausstellte und eifrig Punkte sammelte. Was Jordan damals mit Sicherheit noch nicht wusste: Danach sollte nie wieder annähernd eine derart erfolgreiche Saison folgen. Auch die Ehe Frentzen/Jordan ging zwei Jahre später auf eher unschöne Weise in die Brüche. Das Team erlebte den Spätherbst seiner Karriere.
Der Ausstieg: Time to say goodbye
Ein Sieg sprang für die gelbe Kult-Mannschaft noch heraus: Beim abgebrochenen Grand Prix in Brasilien 2003. Den Triumph konnte Jordan mit seinem Fahrer Giancarlo Fisichella aber zunächst nicht auf dem Podium begießen. Man bekam ihn im Nachhinein am grünen Tisch zugesprochen. Macht nichts: Die Zeremonie wurde spontan beim darauffolgenden Rennen nachgeholt. Die Iren sind spontan und feiern die Feste, wie sie kommen.
Am Ende der Saison 2005 sagte Jordan der Königsklasse "slan" (tschüss auf Irisch) - nach genau 250 Grand-Prix-Teilnahmen und 291 WM-Punkten. Beim letzten Rennen in China konnten die beiden Piloten Tiago Monteiro und Narain Karthikeyan ihrem Chef kein Abschiedsgeschenk machen - mit Rang elf für den Portugiesen und einem Ausfall des Inders verabschiedeten sich die gelben Renner - vielfach aufgrund der Lackierung als Hornissen bezeichnet - aus der Königsklasse. Ein unwürdiger Abschied.
Nachdem bereits zur Saison 2005 Jordan Grand Prix von der Midland Group des russischen Millionärs Alexander Shnaider übernommen wurde, an den Jordan seine Anteile verkaufte, ging das Team in der darauffolgenden Saison unter diesem Namen an den Start. Weitere Umbenennungen sollten folgen, von Skyker bis heute Force India. Komplett verzichten auf den "Showman" Jordan musste man in der Formel-1-Manege allerdings nicht.
Ein fluchender Ire...
Heute engagiert sich der Ire unter anderem für gemeinnützige Stiftungen (Jordan: "Kinder und Menschen, die wirklich Probleme haben und schwer getroffen sind, brauchen uns. Das ist unsere Pflicht.") und kommentiert für das 'BBC'-Radio, was laut Jordan "weltweit von zwölf bis 14 Millionen Menschen gehört wird". Wie schaut ein Eddie Jordan ein Formel-1-Rennen? Kann man nach 14 Jahren an der Kommandobrücke neutral sein? Laut Jordan ist dies möglich: "Ich bin doch relativ neutral", betont er. Was nicht bedeutet, dass er sich hinter dem Mikrofon zurückhält.
Die Aufteilung ist ganz einfach: "Wenn die schwierigen Fragen kommen, bin ich derjenige, der gefragt wird, weil ich der alte Kämpfer bin, der auch die unangenehmen Fragen beantworten kann. Da ist es egal, ob ich unpopulär bin", berichtet Jordan. "Coulthard hat seine Fanclubs, der möchte das nicht gerne und muss sein Image schützen. Aber ich darf das", erzählt er weiter.
Erinnerungen an die Vergangenheit
Dennoch schaut der Lebemann eher nach vorne als zurück. "Das Leben verändert sich, es passieren unterschiedliche Dinge." Viel Zeit hat der Ire an den Formel-1-Pisten dieser Welt verbracht, ist viel rumgekommen - und hat trotzdem meist nicht mehr als das Hotel und die Strecke vom jeweiligen Land gesehen. Im vergangenen Jahr 2012 hat sich Jordan deshalb einen Traum erfüllt: Er ist um die Welt gesegelt.
"Ich bin an der Küste in Irland aufgewachsen und es war immer meine Leidenschaft", berichtet der Mann aus Dublin. "Wenn ich an die 65 Jahre rankomme, dann wollte ich einmal um die Welt. Ich wollte noch fit genug sein, um das machen zu können. Deshalb war das für mich eine riesen Sache", freut er sich. Da war es wieder, dieses Gefühl, etwas selbst auf die Beine zu stellen; sich nichts von anderen sagen zu lassen. Kurzum: das Gefühl von Freiheit. Die Tour sei aber auch "völlig schräg" gewesen, so Jordan: "17 Tage brauchst du für die Überfahrt über den Pazifik und zwölf Tage über den Atlantik. Du siehst nichts: kein Land, niemanden."
Eine Reise um die Welt zur Selbstfindung
Er denke oft an seine Kinder und Enkelkinder, an die nächste Generation, betont er. Die Reise war für ihn deswegen "eine ganz besondere Zeit". Der Rock'n'Roller der Formel 1 konnte zur Ruhe finden, was noch längst nicht bedeutet, dass er auch ruhiger wird. Die 'BBC' und die Motorsportfans dieser Welt würden sich freuen, weiterhin einen ab und zu auch mal fluchenden Iren zu erleben. "Ich muss ganz ehrlich sagen", erhebt der Weltenbummler die Stimme und sagt abschließend: "Ich halte mich für den glücklichsten Menschen auf dieser Welt - und dazu gehört auch diese Tour."