• 25. Oktober 2012 · 22:47 Uhr

Kaltenborn im Porträt: Supermami, Stilikone, Powerfrau

Das Leben der Monisha Kaltenborn: Wie das indische Mädchen, das eigentlich Astronautin werden wollte, eine Bilderbuch-Karriere hinlegte und Teamchefin wurde

(Motorsport-Total.com) - Indien ist anders. "Das Erste, was einem auffällt, wenn man mit dem Flugzeug hier landet, ist der enorme Lärm. Die Menschen, die Gerüche, alles ist intensiv", sagt Monisha Kaltenborn im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Als "pulsierend" beschreibt die am 10. Mai 1971 in Dehradun geborene Geschäftsfrau ihre ursprüngliche Heimat - ein Begriff, den viele an ihren Wohlstand gewohnte Mitteleuropäer wohl als beschönigend beschreiben würden. Denn spätestens wenn man das Gelände des Indira-Gandhi-Flughafens in Neu-Delhi verlässt und ins Innere der indischen Hauptstadt vordringt, bietet sich einem ein Bild, das materiell privilegierte Menschen völlig überfordert.

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Monisha Kaltenborn ist die erste weibliche Teamchefin der Formel-1-Geschichte Zoom Download

Besonders in der Nähe des Ganges fällt es schwer, das, was Kaltenborn diplomatisch als "intensiven Geruch" beschreibt, nicht als unerträglichen Gestank zu empfinden. Im heiligsten Fluss der Hindus treiben Leichen in einem Gemisch aus Fäkalien und Industrieabwässern, und am Ufer versuchen verzweifelte Mütter, ihre Kinder mit diesem "Trinkwasser" am Leben zu halten. Man muss es mit eigenen Augen gesehen und mit der eigenen Nase gerochen haben, um dieses Elend zu begreifen.

236 Kilometer nördlich von Neu-Delhi liegt die 700.000-Einwohner-Stadt Dehradun. Der Vergleich könnte gegensätzlicher kaum sein. Zwar ist die Lebensqualität in Dehradun nicht so hoch wie in mitteleuropäischen Luxus-Wohngegenden, doch für indische Verhältnisse ist Dehradun Oberschicht-Territorium. Reich an natürlichen Ressourcen sowie Forschungs- und vor allem Bildungseinrichtungen, ist die Gegend eine jener Ecken des Landes, in der Kinder von einigermaßen wohlhabenden Eltern beste Voraussetzungen vorfinden, ihr Potenzial zu entfalten.

Kindheitstraum von der Rallye Paris-Dakar

Genau dort hat Kaltenborn in den 1970ern die ersten acht Jahre ihres Lebens verbracht. "Es war nicht unterprivilegiert", sagt sie über ihr Elternhaus und ihre Jugend allgemein. Schon als Kind kam sie erstmals mit dem Motorsport in Berührung: "Bei Dehradun beginnt das Vorgebirge zum Himalaya. Dort fanden ab und zu Rallye-Veranstaltungen statt. Die kamen von den Bergen runter. Das hat mich sehr interessiert und das war mein erster Kontakt mit Motorsport", erinnert sie sich und lacht: "Ich habe meiner Mutter gedroht, dass ich das auch einmal machen werde." Und zwar bei der Rallye Paris-Dakar. "Das war ihr Albtraum. Ich bin schließlich Einzelkind."

Aber Familie Narang (unter diesem Mädchennamen wurde Kaltenborn geboren) wanderte 1979 in die österreichische Hauptstadt Wien aus. Als die kleine Monisha erstmals österreichischen Boden betrat, kam ihr selbst der Flughafen Wien-Schwechat im Vergleich zum chaotisch-hektischen Indien wie eine Oase der Ruhe vor: "Die Geräuschkulisse ist das Erste, was einem auffällt. Indien ist laut, überall Menschen, alles, was man sich vorstellen kann, auf der Straße. Dann landet man in Wien. Der Flughafen war damals schon sehr speziell. Das ist Totenstille!"

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Beförderung zur Geschäftsführerin: 2010 trat Kaltenborn erstmals ins Rampenlicht Zoom Download

"Für mich als Kind war diese Stille fast beängstigend, weil ich das davor nie erlebt hatte", schildert sie. Doch die weit größere Herausforderung stand ihr in den nächsten Monaten erst bevor: Mit gerade mal acht Jahren musste sie die deutsche Sprache lernen, um in ihrer neuen Heimat überhaupt eine Chance zu haben. "Ich konnte kein Wort Deutsch - wirklich kein einziges. Das war im August. Vier Wochen später fing die Schule an", so Kaltenborn.

"Das war im Nachhinein betrachtet natürlich schon recht fordernd, wenn man dann in der Klasse sitzt. Meine Eltern haben gesagt, es sei wichtig, dass ich in die lokale Schule gehe, nicht in die internationale, weil ich nur so die Sprache lernen würde. Das war schon schwierig. Die mathematischen Dinge haben alle geklappt, denn da hat man Zahlen und man muss die Sprache nicht verstehen. Das war das Einzige, wo ich mitmachen konnte. Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser."

Wien 1979: Dem Eisernen Vorhang sehr nahe

Andere Kinder mit gleichem Schicksal und der gleichen Muttersprache kannte die kleine Monisha nicht. Sie war auf sich alleine gestellt. "Wien", sagt sie, "war damals nicht so, wie es heute ist. Man hat gemerkt, man ist dem Eisernen Vorhang sehr nahe, und es waren nicht viele Inder da. Ich war die ganze Schulzeit die einzige Inderin weit und breit." Und das in einer Stadt, in der die Freiheitliche Partei (FPÖ) heute ausländerfeindliche Parolen wie "Daham statt Islam" plakatiert und mit 26 Prozent der Stimmen zweitstärkste politische Kraft ist. Aber: "Das ist jetzt wahrscheinlich schlimmer als damals", winkt Kaltenborn ab. "Wir haben das nicht erlebt."

"Es war eigentlich Zufall, dass wir in Wien gelandet sind. Meine Eltern wussten auch nicht, ob sie wirklich da bleiben wollen oder nicht. Österreich war jetzt nicht das typische Land, um aus Indien auszuwandern", erinnert sie sich. Doch schnell wurde die Alpenrepublik die neue Heimat der Familie Narang: Der Vater eröffnete ein Restaurant, Monisha fand sich in der Schule immer besser zurecht und studierte Jus (Rechtswissenschaften). "Die Ferien", weiß sie noch, "habe ich immer bei meinen Großeltern in Indien verbracht." Und zwar nicht als Strafe: "Es war immer eine sehr schöne Zeit."


CNN: Monisha Kaltenborn im Interview

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Ihr Weg schien vorgezeichnet: Als intelligente Tochter einer gut situierten Einwandererfamilie landete sie als Praktikantin bei den Vereinten Nationen in Wien. Fachgebiet: Forschung, Industrieentwicklung, Handelstechnik. Kaltenborn begleitete damals Großprojekte von der Ausschreibung bis zur Umsetzung, ihre Klienten waren Regierungen. "Ich habe damals gedacht, es geht eher in die Richtung", gesteht die angehende Diplomatin. 1994, nach dem schweren Unfall von Karl Wendlinger in Monte Carlo, hörte sie erstmals den Namen Sauber: "Das wurde medial in Österreich entsprechend gebracht."

"Formel 1 hat man verfolgt, weil es halt existiert. Man schaut Sport und kriegt das halt mit", schildert die damals 23-Jährige, deren Kindheitstraum es eigentlich immer war, Astronautin zu werden und ins Weltall zu fliegen. Monisha Narang, inzwischen auch österreichische Staatsbürgerin, setzt ihre Studien in ausländischen Hochschulen fort und lernt in Deutschland den Stuttgarter Rechtsanwalt Jens Kaltenborn kennen, mit dem sie später in die Schweiz umzog.

Job bei Fritz Kaiser war kein Karriereziel

"Ich wollte nach dem Studium nie in einer Kanzlei sein. Ein Unternehmen oder internationale Beziehungen waren für mich das Ziel", sagt sie. "Man muss aber in dem Beruf mal in einer Kanzlei gewesen sein, um zu sehen, wie man das umsetzt, was man jetzt studiert hat. Also habe ich das gemacht, aber ich war nicht sehr glücklich, wo ich eben war." Bis sich 1998 "völlig zufällig" die Möglichkeit ergab, für den Liechtensteiner Vermögensverwalter Fritz Kaiser zu arbeiten. Der war damals Teilhaber des Sauber-Teams.

Innerhalb des Unternehmens war die Formel 1 "von Anfang an ein Thema" für Kaltenborns Tagesablauf, "aber ein kleines. Es gab daneben die klassische Vermögensverwaltung, VIP-Management von Künstlern und Sportlern. Und eine meiner Tätigkeiten war die Formel 1. Ich war gerade drei Tage bei ihm, da sagte er zu mir: 'Ich gehe jetzt in Urlaub. Du kriegst morgen den Motorenvertrag von Ferrari. Kümmere dich drum, bitte!' Nur: Durch das Jurastudium hat man natürlich keine Ahnung von diesen Dingen."

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Stabübergabe in Südkorea: Kaltenborn löst Peter Sauber als Teamchef ab Zoom Download

"Es war wieder - das passiert mir immer wieder - ein Sprung ins kalte Wasser, weil man ja überhaupt keine Ahnung hat, wie so etwas aussieht", schmunzelt Kaltenborn. Zwar gaben ihr die Techniker grob die Richtung für die Gespräche vor, "aber wenn man dann verhandelt, sitzen diese Leute oft nicht am Tisch. Man muss den Motor selbst gesehen haben, denn wir haben dann oft über ein Teil, das zu lang und am Ende angebracht war, diskutiert. Gehört es jetzt zum Umfang dazu oder nicht? Da musste ich das einfach sehen und das Umfeld verstehen, worauf ich eigentlich achten muss."

Sich an früheren Verträgen zu orientieren, war nicht möglich, denn "wir waren der erste Kunde bei Ferrari", und ältere Sauber-Verträge wie etwa jene mit Ford "hatte ich nicht". Also leistete sich die neue Frau Formel-1-Beraterin gleich mal einen mächtigen Fauxpas: "Ich habe alles durchgestrichen und hingeschrieben: 'Wir wollen denselben Motor zur selben Zeit wie Michael Schumacher.'" Damals natürlich noch völlig unüblich, dass der Kunde gleiches Material wie das Werksteam erhält. "Dann hat ein Ferrari-Mitarbeiter ein internes Memo geschrieben: 'Da ist jetzt eine Wahnsinnige bei Sauber!' Mittlerweile verstehen wir uns aber gut, sehr gut sogar", lächelt sie.

Von Fritz Kaiser zu Peter Sauber

Trotzdem schien Kaltenborn bei Peter Sauber genug Eindruck hinterlassen zu haben, dass dieser sie 2000 zu sich nach Hinwil bestellte, als Kaiser aus dem Team ausstieg. Schon 2001 wurde sie in die Geschäftsführung geholt - damals aber noch weitgehend anonym. Die Newcomerin zog es vor, das Geschäft in aller Ruhe zu erlernen: "Ich war eigentlich sehr froh, dass ich die Arbeit aus dem Hintergrund machen konnte. Ich habe nie gewollt, nach vorne zu gehen, und war sehr glücklich."

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Chefin statt Gridgirl: Frauen gibt es in der F1 viele, aber in welchen Positionen? Zoom Download

"Das war die Zeit, in der man schon ein bisschen kritisch angeschaut wurde", gibt sie zu. Motto: "Frau, was weiß die denn davon?" Von einem "älteren Herrn", der heute nicht mehr in der Formel 1 ist, wurde sie bei einem Meeting für Peter Saubers Dolmetscherin gehalten: "Als wir in München mit dem Lift gefahren sind, waren wir zu dritt. Da hat er zu Peter Sauber gesagt: 'Toll, dass du deine Übersetzerin mitbringst!" Denn der Schweizer tut sich mit der englischen Sprache schwer, besonders dann, wenn es um heikle Vertragsangelegenheiten geht.

Kaltenborn war nicht gekränkt. "Unterschätzt zu werden, kann ein Vorteil sein", sagt sie - und betont, dass es der Herr, dessen Namen sie nicht verraten möchte, "sehr höflich und sicher nicht böse" gemeint habe. Genauso wenig wie sie heute auf Journalisten böse ist, die sie in erster Linie als erste weibliche Teamchefin darstellen: "Ich betrachte das nicht als sexistisch, denn da werden halt zwei Aspekte zusammengetan, die sowieso zusammen sind."

"Ja, es ist eine Männerdomäne, aber das gibt es in vielen Bereichen. Große Banken, der Finanzsektor sind auch männerdominiert. Oder generell das Ingenieurswesen. Wenn eine sehr technologiegetriebene Firma eine Geschäftsführerin hätte, würden die Medien auf die gleiche Art und Weise darüber berichten. Ich finde das überhaupt nicht sexistisch, sondern ich glaube, dass es eher zu einer Veränderung führen wird. Denn nach der ersten Frau kommt irgendwann eine zweite und dann eine dritte - und irgendwann ist es dann akzeptiert."

"Supermami" am Kommandostand

2010 wurde Kaltenborn für die Wahl zur Frau des Jahres in Erwägung gezogen. Eine aus Indien stammende Österreicherin, die ein Formel-1-Team leitet und gleichzeitig noch ihr Familienleben mit zwei Kindern unter einen Hut bringt, das rang den Kollegen eines österreichischen Boulevardmagazins Respekt ab. Und vielleicht sollten sich ihre Kritiker einmal vor Augen führen, dass die Sauber-Teamchefin nicht nur in der Glitzer- und Glamourwelt des Formel-1-Paddocks lebt, sondern ganz nebenbei auch noch Mutter ist.

"Das ist nicht einfach, aber schlussendlich eine Frage der Organisation", sagt sie, wie immer recht pragmatisch, und gibt offen zu: "Wir hatten von Anfang an ein Kindermädchen. Sie übernimmt viel Alltägliches. Und dann gibt es Zeitfenster, in denen ich wirklich versuche, nach Hause zu kommen und Zeit mit den Kindern zu verbringen, vor allem in der Früh, bevor sie in die Schule müssen, oder am Abend. Danach kann ich von zu Hause aus mit der Arbeit weitermachen. Man ist ja zu Hause auch vernetzt."

"Die Rennwochenenden sind fordernd, gerade am Anfang, wenn die Kinder klein sind. Wenn die Mutter nicht da ist, wollen sie genau wissen: Was macht sie? Wo ist sie? Beim Vater akzeptieren sie das eher, aber bei mir rufen sie oft an und wollen wissen, was ich gerade mache. Die Zeit muss man sich einfach nehmen", sagt die karrierebewusste "Supermami", die sich aber nicht als Emanzipations-Zugpferd definiert, obwohl sie als solches glatt durchgehen würde. "Es mangelt nicht an Frauen in der Formel 1", sagt sie in Anspielung auf Pressesprecherinnen, Kellnerinnen und Gridgirls, "aber halt nicht in diesen Positionen."

2010 sagte sie in einem Interview mit 'Motorsport-Total.com' über eine mögliche Zukunft als Teamchefin: "Ich suche es nicht, es wäre aber von meiner Seite kein No-Go." Seit 11. Oktober ist sie tatsächlich erste weibliche Teamchefin in der Formel 1. Das Geschlecht spielt für sie aber keine Rolle: "Ich sehe mich einfach als Teamchef. Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, ist halt so, aber ich kann es nicht ändern. Es ist auch gut, wenn man als Frau gesehen wird und sich nicht verstecken oder verstellen muss, denn das wäre falsch."

Die Unterschiede zwischen Mann und Frau

Und Kaltenborn versteckt sich auch nicht, sondern spielt mit ihrer Weiblichkeit. Taucht schon mal mit rosaroten Gummistiefeln und Riesen-Sonnenbrillen im Fahrerlager auf - fast schon eine Paddock-Stilikone. Was sie anders macht als die Männer, will sie aber nicht beurteilen: "Ich kann ja nicht aus meiner eigenen Haut fahren, um aus einer anderen Perspektive zu erleben, wie ein Mann gewisse Dinge sehen würde. Außenstehenden fällt es leichter, diese Unterschiede zu sehen."

"Eine Frau sieht die technischen Aspekte des Motorsports pragmatischer, mit mehr Distanz. Das klingt sehr allgemein, aber daran glaube ich wirklich. Für uns ist es eine Aktivität wie jede andere, wir stecken nicht so viele Emotionen in Rennautos. Als Frau geht man einfach distanzierter an diese Dinge heran, aber das muss nicht bedeuten, dass bei uns weniger Leidenschaft im Spiel ist. Im Gegenteil, ich bin sogar sehr leidenschaftlich!" Wie man zum Beispiel in Spa-Francorchamps sehen konnte, als es ihr nach dem Fiasko-Start beinahe das Herz zerrissen hätte.

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Stilikone: Kaltenborns rosarote Riesen-Sonnenbrille ist längst Paddock-Kultobjekt Zoom Download

Ihren Zugang als emotionslos zu bezeichnen, wäre völlig falsch, dennoch ist sie durchaus froh darüber, von der "Wer-hat-den-Längeren-Mentalität" einiger männlicher Kollegen befreit zu sein: "Das sehe ich als Vorteil, wenn es darum geht, Menschen an einen Tisch zu bringen. Frauen haben nicht das Bedürfnis, immer im Rampenlicht zu stehen, sondern wir können uns die verschiedenen Argumente anhören und dann sehr pragmatisch entscheiden, was der beste Weg ist."

Diesen will sie in den nächsten Jahren selbst finden, auch wenn sie gar nicht erst leugnet, dass ihr Führungsstil sehr durch Peter Sauber geprägt wurde: "Er ist der einzige Teamchef, unter dem ich je gearbeitet habe. Das beeinflusst einen ganz automatisch. Ich denke, man muss autokratisch an die Sache herangehen, denn du stehst letztendlich an der Spitze der Hierarchie und du musst dem Team klarmachen, dass es eine Person gibt, die eine Entscheidung treffen wird, falls eine Entscheidung getroffen werden muss."

Kritiker befürchten: Durchsetzungskraft fehlt

"Man wünscht sich so eine Situation nicht, denn normalerweise sollten die einzelnen Mitarbeiter schon die Entscheidungen treffen." Insbesondere bei der neuen Sauber-Struktur, in der es seit Jahresanfang keinen Technischen Direktor mehr gibt, sondern eine gemeinsame technische Führung durch mehrere Abteilungsleiter. Es gibt Stimmen im Paddock, die bezweifeln, ob Kaltenborn genug Durchsetzungskraft hat, auf den Tisch zu hauen und eine Entscheidung zu treffen, wenn sich diese Herren einmal partout nicht einig werden sollten. Zumal sie keinen Hehl daraus macht, von der Technik keine Ahnung zu haben.

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Im Konzert der Großen: Als erste Frau sitzt Kaltenborn in einer FIA-Pressekonferenz Zoom Download

"Am Kommandostand", erklärt die 41-Jährige, "muss man den Leuten draußen das Vertrauen geben, dass sie Verantwortung übernehmen können und müssen und die Freiheit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie müssen aber auch wissen, dass es noch jemanden gibt, der das Team anführt. Es ist eine Mischung aus beidem. Ich habe sehr spezifische Ideen, zum Beispiel darüber, wie die technische Seite funktionieren sollte. Ich unterstütze schon seit langer Zeit die Art und Weise, wie wir im Team jetzt arbeiten."

Nämlich: "Dass mehr Leute in die Entscheidungen involviert sein sollten und dass eine größere Gruppe über die strategische Weiterentwicklung des Autos entscheiden sollte. Ich glaube nämlich, dass die Zeiten, in denen man sich auf eine Person verlassen konnte, vorbei sind. Die Anforderungen sind heute ganz anders", ruft sie endgültig die sich schon seit langem anbahnende Ära des Spezialistentums in der Formel-1-Technik aus und unterstreicht: "Mit unserem technischen Komitee haben wir das ins Extreme getrieben."

Kommunikation wird groß geschrieben

Das bedeutet eine Umstellung in Hinwil: "Die Kommunikation hat in unserem Team einen anderen Stellenwert", sagt Kaltenborn und versucht, dies als ihre weibliche Stärke ins Unternehmen einzubringen. Trotzdem will sie keinen Debattierklub zulassen: "Das bedeutet nicht, dass Entscheidungen langsamer getroffen werden - vielleicht sogar schneller, weil alle an einem Tisch sitzen. Und ich finde auch, dass das mehr Ruhe ins Team bringt, weil nicht mehr hinterrücks geredet wird. Alles ist transparent, sehr offen, sehr geradlinig."

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Rückkehr nach Indien als Vorbild für die Jugend: Kaltenborn bei "F1 in Schools" Zoom Download

Transparente Worte findet Kaltenborn auch, wenn es um die Sponsoren-Strategie geht: "Ich habe kein großartig neues Rezept, mit dem wir alle Sponsoren rumbekommen. So läuft das nicht. Wichtig ist, dass potenzielle oder auch bestehende Sponsoren eine Zukunftsperspektive sehen", unterstreicht sie. "Peter hat schon immer gesagt, dass er nicht ewig am Kommandostand sitzen möchte, aber der Zeitpunkt war noch offen. Jetzt ist die Nachfolge geklärt und potenzielle und bestehende Partner sehen, wohin die Reise geht." Dass eine Frau Teamchefin ist, "könnte für Firmen sogar ein interessanter Aspekt sein", glaubt Kaltenborn.

Doch zunächst einmal kann sie sich auf ein ganz besonderes Rennwochenende freuen: Beim Heim-Grand-Prix in Indien erstmals als Teamchefin aufzutreten, bedeutet ihr viel - auch wenn sie es aus Bescheidenheit nie offen zugeben würde. "Indien", sagt sie, auf dieses geschichtsträchtige Ereignis angesprochen, "hat zwei Gesichter. Einerseits werden Mädchen oft unterdrückt und Frauen nicht gleich behandelt, aber auf der anderen Seite gibt es viele Frauen in wichtigen Positionen bei Unternehmen oder in der Politik. Es ist ein Land der Extreme."

"Das alles ist sehr aufregend für mich", fährt Kaltenborn fort. "Indien ist in jeder Hinsicht sehr intensiv. Da kommen natürlich schöne Erinnerungen hoch. Aber man weiß es noch und fühlt sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Gleichzeitig gibt es Dinge, die sind neu für mich, weil sich Indien seit damals so stark verändert hat. Es ist eine Mischung aus etwas Bekanntem, wodurch ich mich ein bisschen zu Hause fühle, und etwas Neuem. Auf jeden Fall ist es interessant!"

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