Gascoyne bei Lotus so glücklich wie noch nie
The Lotus-Way: Von Flipperautomaten, PlayStations und besetzten Parkplätzen - Plus: Warum Mike Gascoyne so viel Freude hat wie noch nie
(Motorsport-Total.com) - Beim Saisonauftakt in Bahrain war Lotus auf jeden Fall das zuverlässigste und in Summe wohl auch das konkurrenzfähigste der drei neuen Formel-1-Teams - sehr zur Freude von Mike Gascoyne: "Denen, die gesagt haben, dass die neuen Teams nicht dabei sein sollten, sage ich: Heikki hat mit Hülkenberg gefightet. Wir sind hier und wir racen, also fickt euch!", packt er im Interview mit der 'GP Week' deftige Töne aus.
Der Technische Direktor des Lotus-Teams wirkt nach seinen wenig ruhmreichen Auftritten bei Toyota und Force India so ausgeglichen wie schon lange nicht mehr - fast könnte man meinen, die "Bulldogge", wie Gascoyne früher von manchen genannt wurde, sei zahm geworden. Das liegt wohl an der Herausforderung, ein komplett neues Team aufzubauen, denn auf diese Weise konnte er genau jene Leute an Bord holen, von denen er überzeugt ist und mit denen er sich versteht.
"Ironischerweise war das vermeintlich schwierigste Element, das Auto, immer im Plan", berichtet der Brite. "Es waren eher die nebensächlichen Dinge: die nötigen Leute rechtzeitig zu bekommen, 25 Tonnen Fracht zu verladen. Wenn du ein etabliertes Team bist, fällt dir das gar nicht auf, aber wenn du alles in einem Rutsch durch die Hintertür schieben musst, merkst du erst, wie viel Arbeit das eigentlich ist. All das tauchte erst im letzten Monat auf. An Weihnachten waren wir erst 20 Mann!"
Inzwischen sind es Teamangaben zufolge schon 260, aber die schätzen die lockere Atmosphäre bei Lotus. So gibt es zum Beispiel keine reservierten Parkplätze für die Chefetage oder die Fahrer, die genau wie alle anderen parken müssen, und in der Fabrik stehen Flipperautomaten, Retro-Games und eine PlayStation 3 mit voll aufgebautem Renncockpit. "Tony wollte, dass es anders wird, dass die Jungs auch was zum Entspannen haben", berichtet Gascoyne.
Mit Tony meint er Teamchef Tony Fernandes, der die treibende Kraft hinter Lotus war und ist und dementsprechend bei allen wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat: "Tony steckt eine Menge seines eigenen Geldes in dieses Team. Jeder, der das tut, lässt dir nicht komplett freie Hand. Wir müssen uns an sehr genau kontrollierte Budgets halten - und das ist auch richtig so", berichtet Gascoyne von seiner Arbeit.
Und weiter: "Toyota und Force India waren sehr schwierige Jahre. Die einzige Schwierigkeit ist jetzt, dass ich nach Norfolk gezogen bin und meine Kinder nur noch alle paar Wochenenden mal sehe. Sie unterstützen mich aber. Vor dem Qualifying in Bahrain bekam ich eine E-Mail von meiner Tochter, in der sie schrieb, dass sie vor dem Fernseher sitzt und Lotus die Daumen drückt. Sie ist 13 und sehr stolz auf ihren Vater. Davor hat sie sich nie für die Formel 1 interessiert."
Trotz des Wehrmutstropfens mit seinen Kindern habe er die vergangenen sechs Monate "immens genossen", so Gascoyne: "Es war aufregend und herausfordernd und ich kann hier mit meiner Lebensgefährtin Silvi zusammenarbeiten, die eine der ursprünglichen vier Mitarbeiter war." An Rücktritt denkt er mit 46 Jahren noch nicht, aber: "Wenn ich entscheide, dass es an der Zeit ist, dann werden Silvi und ich Segeln gehen..."