FIA stellt klar: V10-Comeback schon ab 2028 zumindest denkbar
Wochenlang wurde darüber spekuliert, jetzt hat die FIA reinen Tisch gemacht: Die Idee, in der Formel 1 ab 2028 wieder mit V10-Saugern zu fahren, ist real
(Motorsport-Total.com) - Die FIA hat bestätigt, dass sie derzeit ernsthaft eine Reihe verschiedener Antriebskonzepte für die Formel 1 prüft. Darunter auch eine mögliche Rückkehr zu V10-Motoren, die mit vollständig nachhaltigem Kraftstoff betrieben werden könnten. Laut Nikolas Tombazis, dem Einsitzer-Direktor der FIA, befinden sich die Gespräche noch in einem frühen Stadium. Doch keine Option ist vom Tisch. Auch nicht eine Verkürzung des bereits beschlossenen Motoren-Regelzyklus ab 2026.

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Nikolas Tombazis bestätigt, dass die FIA einem V10-Comeback offen gegenübersteht Zoom Download
In einer Medienrunde vor dem Grand Prix von China in Shanghai skizziert Tombazis zwei zentrale Fragestellungen, mit denen sich der Automobilweltverband aktuell befasst. Erstens: In welche Richtung sollen sich die Motorenregeln der Formel 1 langfristig entwickeln. Und zweitens: Welche Auswirkungen hätte eine Kursänderung auf das neue Reglement ab 2026?
"Ich denke, die richtige Herangehensweise ist: Wollen wir in drei oder vier Jahren auf einen anderen Motortyp umsteigen? Das ist Frage Nummer 1. Sie betrifft die langfristige Ausrichtung der Formel 1. Wenn die Antwort darauf Ja lautet, stellt sich die zweite Frage: Was machen wir in der Zwischenzeit? Diese ist eindeutig nachrangig gegenüber der ersten", stellt er klar.
Tombazis betont, dass bei der FIA kein Zeitdruck herrscht, was das 2026er-Regelwerk betrifft. Dieses wurde bereits beschlossen und wird von Herstellern wie Audi aktiv entwickelt. Doch Aussagen von FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem über eine mögliche Rückkehr der V10-Motoren haben Spekulationen über die langfristige Strategie wieder aufflammen lassen.
"Natürlich hat der Fortschritt bei nachhaltigen Kraftstoffen dazu geführt, dass Stimmen laut werden, die fordern, die Motoren könnten wieder einfacher werden. Und die globale Wirtschaftslage führt zu Überlegungen, ob man die Kosten nicht stärker senken sollte. Denn die aktuellen Antriebseinheiten sind viel zu teuer. Das ist Fakt", sagt Tombazis.
"Deshalb hat der Präsident auch von einem möglichen V10-Motor ab 2028 gesprochen. Das ist etwas, das wir aktuell evaluieren, gemeinsam mit den Powerunit-Herstellern. Sei es 2028, 2029 oder wann auch immer."
FIA sucht Gespräche mit Automobilherstellern
Obwohl das Regelwerk für 2026 offiziell noch auf Schiene ist, betont Tombazis, dass die FIA aktiv Gespräche mit Herstellern und weiteren Stakeholdern über die langfristige Ausrichtung führt: "Es liegt kein offizieller Vorschlag auf dem Tisch." Aber: "Es wird diskutiert. Egal ob wir beim aktuellen Reglement bleiben oder mit dem neuen, bereits beschlossenen Reglement weitermachen: Ich denke, die Formel 1 wird in beiden Fällen gut dastehen."
Diese Aussagen sind besonders bemerkenswert, da einige Hersteller bereits weit fortgeschritten in der Entwicklung ihrer 2026er-Motoren sind. Einige Teams haben in der Vergangenheit betont, der Zug für größere Veränderungen "sei längst abgefahren". Und Audi könnte das Millioneninvestment in den V6-Hybrid-Turbo, das bisher geleistet wurde, abschreiben - und müsste bei der Entwicklung eines V10-Saugmotors wieder von vorne beginnen.
"Natürlich ist der Zug in gewisser Weise schon abgefahren", räumt Tombazis ein. "Aber worum es geht: Der FIA-Präsident hat Frage Nummer 1 gestellt. Frage Nummer 2 wird dann von vielen anderen gestellt. Je nachdem, wo sie in der Diskussion stehen. Wir wollen auf jeden Fall fair agieren, ohne dabei einen Teilnehmer zu benachteiligen. Denn klar ist: Wenn Unternehmen viel Geld investieren, ist das ein sehr wichtiger Faktor bei der endgültigen Entscheidung."
Tombazis geht auch auf die Befürchtung ein, dass ein grundlegender Kurswechsel Neuzugänge wie Audi oder Rückkehrer wie Honda verprellen könnte. Die FIA sei entschlossen, einen ausgewogenen Weg zu finden, der sowohl die Zukunft des Sports als auch die bisherigen Investitionen absichert: "Wir sind sehr stolz darauf, Audi in die Formel 1 gebracht zu haben, und wir respektieren das voll und ganz. Wir wollen keinesfalls, dass sie diese Entscheidung zurückziehen", betont er. "Und wir sind auch sehr stolz darauf, dass Honda seine Entscheidung überdacht hat. Denn ursprünglich wollten sie ja aussteigen und haben sich dann umentschieden."
"Alles, was wir tun, ist ein komplexes Abwägen dieser Faktoren. Sie stellen die richtigen Fragen. Alle Fragen, die Sie stellen, sind vollkommen logisch und berechtigt. Aber es gibt eben nicht die eine Lösung, die alle Anforderungen - Fairness, Zukunftssicherung des Sports, Kostenreduzierung, Schutz der Herstellerinvestitionen - gleichzeitig erfüllt. Wir versuchen, den goldenen Mittelweg zu finden."
Bräuchte es für eine Änderung Einstimmigkeit?
Für tiefgreifende Änderungen wäre ein breiter Konsens aller Beteiligten erforderlich, sowohl der Motorenhersteller als auch der Teams. Tombazis betont, dass die FIA keine einseitigen Entscheidungen trifft: "Jegliche Änderungen - abhängig vom Regeltyp - müssen mit breitem Konsens beschlossen werden. Es gibt dafür einen festgelegten Governance-Prozess. Wir ändern nicht einfach etwas einseitig und setzen es durch."
Dieser Prozess umfasst zwei Phasen: Die Zustimmung der Motorenhersteller gemäß der Powerunit-Governance-Struktur sowie die separate Zustimmung der Teams, falls auch das Chassisreglement betroffen wäre. "Sollten Änderungen am Chassisreglement nötig sein, müssten diese ebenfalls durch den Governance-Prozess gehen. Also durch Vereinbarungen mit den Teams wie das Concorde-Agreement und das Internationale Sportgesetzbuch", erklärt Tombazis. Ob für weitreichende Änderungen Einstimmigkeit erforderlich wäre, will Tombazis nicht beantworten: "Darauf möchte ich jetzt nicht im Detail eingehen."
Derzeit laufen die Gespräche weiter. Alle Beteiligten sind sich der sensiblen Balance zwischen Innovation, Kosteneffizienz und Investitionssicherheit bewusst. Die künftige Motorenphilosophie der Formel 1 - ob Hybrid, V10 oder etwas ganz anderes - bleibt jedenfalls vorerst offen zur Diskussion.