• 11. Februar 2025 · 16:37 Uhr

Helmut Zwickl: Wie er das Sinnlose erst erobert und dann gehasst hat

Der Versuch eines persönlichen Nachrufs: Helmut Zwickl, Formel-1-Reporterlegende aus Österreich, ist im Alter von 85 Jahren gestorben

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Helmut Zwickl: Wie er das Sinnlose erst erobert und dann gehasst hat

Helmut Zwickl beim GP Monaco 1985 mit dem jungen Gerhard Berger, fotografiert von Rainer Schlegelmilch Zoom Download

der 9. Februar 2025 ist für viele Formel-1-Fans, nicht nur solche aus Österreich, ein trauriger Tag. Es ist der Tag, an dem Helmut Zwickl im Alter von 85 Jahren gestorben ist.

Zwickl, geboren am 23. Oktober 1939 in Wien, mag vielen Formel-1-Followern der Netflix-Generation kein Begriff sein. Er war jahrzehntelang der wahrscheinlich prägendste Motorsportjournalist in Österreich. Das, was Heinz Prüller am ORF-Mikrofon war, war Helmut Zwickl an den Tasten seiner Schreibmaschine.

Es ist mir ein Bedürfnis, mich mit ein paar persönlichen Zeilen von Helmut zu verabschieden, auch wenn sich unsere Wege nur selten gekreuzt haben. Als ich anfing, professionell von der Formel 1 zu berichten, hatte er mit dem Thema für sich schon abgeschlossen. Für mich ist und bleibt er ein Held meiner Kindheit und Jugend, als ich noch nicht selbst geschrieben, sondern seine Artikel und Bücher gelesen habe.

Helmut besuchte eigenen Angaben nach 560 Grands Prix. Irgendwann kam Bernie Ecclestone auf die Idee, ihm für den Paddock einen Ehrenpass auf Lebenszeit auszustellen. Helmut holte diesen nie ab. Als er entschieden hatte, dass ihn die Formel 1 jetzt nicht mehr interessiert, kehrte er nie wieder zurück.

Der Formel 1 irgendwann den Rücken zugekehrt

In seinem (grandiosen) Buch "Die Eroberung des Sinnlosen", das 2007 im egoth-Verlag erschienen ist, rechnete er noch zu Lebzeiten mit jener Formel 1, die er einst so geliebt hatte, ab. Er schimpfte die modernen Pressekonferenzen als "verkrampften Frage- und Antwortbrei, austauschbar zwischen Melbourne und Interlagos", kritisierte Fahrer, die von ihren Teamchefs "mundtot gemacht" wurden, und regte sich drüber auf, dass "heute 400 Reporter im Mediencenter eines Grand Prix vor ihren Laptops sitzen, und es ist schon klar, dass der Newshunger dieser Armee nur noch durch vorgefertigte Einheitskost gestillt werden kann".

Auf den Senkel ging ihm auch, als Michael Schumacher einmal meinte, er müsse eine Frage von Helmut nicht beantworten, weil er diese ohnehin schon beantwortet hatte und der Herr Reporter Verständnis dafür haben müsse, dass er jetzt bitteschön in Ruhe ein Bierchen trinken möchte. Zwickl schrieb 2007 über die Situation: "Oh Gott, oh Gott, dachte ich, und drehte mich mit dem Götz-Zitat auf den Lippen um."

Ich habe an Helmuts Werken immer geliebt, wie unverblümt er seine Worte dosiert hat (oder eben auch nicht). Sein Buch "Hinrichtung eines Champions" über den Tod von Jochen Rindt liest sich wie eine Anklageschrift gegen den damaligen Lotus-Chef Colin Chapman, in dessen Auto Rindt 1970 in Monza gestorben ist.

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Zeltweg 1970: Helmut Zwickl (links) am Auto von Jochen Rindt, der ein paar Wochen später in Monza verstarb Zoom Download

Sein letztes großes Werk, "Damals: Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war", ist erst 2019 erschienen und heute noch bei Amazon erhältlich (Affiliate-Link: Jetzt online bestellen!). Eine dringende Kaufempfehlung, zumal die meisten der legendären Zwickl-Bücher heute vergriffen sind und nur noch bei Sammlern und Motorsportbörsen zum Kauf angeboten werden.

Immer ein offenes Ohr für junge Journalisten

Helmut konnte sich nicht begeistern für die Formel 1, in die ich als junger Mann eingestiegen bin. Und obwohl er aus seiner Abneigung keinen Hehl machte, war er uns Jungen, die sich trotz seiner Warnungen anschickten, den Job auch heute noch machen zu wollen, immer ein äußerst freundlicher Ratgeber.

Ich erinnere mich dran - es muss kurz nach der Jahrtausendwende gewesen sein -, dass ich ihn einmal angerufen habe, um die Handynummer des damaligen Minardi-Teamchefs Paul Stoddart zu erfragen. Es kam nicht oft vor, aber wann immer ich Helmut um einen Gefallen bat, half er mir weiter. Ganz unkompliziert und ohne dafür eine Gegenleistung einzufordern.

Einmal - er hatte mir inzwischen ziemlich oft geholfen und zum Beispiel auch die Rutsche zum legendären österreichischen Designer Gustav Brunner gelegt - rief ich ihn an und wollte ihn um seine Postanschrift bitten, damit ich mich mit einer Flasche Rotwein für seine ständige Unterstützung bedanken kann. Zumindest symbolisch.

An das Telefonat erinnere ich mich noch recht gut. Ich stand mit dem Schnurlosteil meines Festnetztelefons im Garten meiner damaligen (ersten) Wohnung, mein Nachbar kümmerte sich wie immer in der Unterhose und einem schludrigen Leiberl um seinen kleinen Teich, und Helmut meinte nur: "Ach, Bua, lass gut sein. Erstens trink ich eh nix, und zweitens spar dir das Geld lieber für was andres."

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Brands Hatch 1976: Helmut Zwickl (links) mit Niki Lauda, beim letzten Rennen vor dessen Feuerunfall am Nürburgring Zoom Download

Ich werde nie vergessen, wie es mich damals eher nervte, wenn er immer nur kurz über die Formel 1, wie ich sie gerade kennenlernte, sprechen wollte, und er viel lieber und voller Leidenschaft von seinem Antreten bei der Carrera Panamericana erzählte. Ich bedaure heute, dass ich ihm damals nicht konzentrierter zugehört und mir zumindest ein paar Notizen gemacht habe.

Mit der Ennstal-Classic eine neue Liebe gefunden

Später begegnete ich ihm noch ein-, zweimal im Rahmen der Ennstal-Classic, ein von ihm ins Leben gerufener Oldtimer-Event im Herzen der grünen Steiermark, zu dem jeden Sommer die Legenden des Motorsports und der Automobilbranche mit den besten Stücken aus ihren Garagen ausrücken.

Die Ennstal ist ein Event, ganz wie Helmut sich die Formel 1 immer gewünscht hat, wo man zu einem Sir Stirling Moss und seiner Frau einfach hingehen und mit ihnen ein Glas Wein trinken kann. Weil der Event oft terminlich mit der Formel 1 kollidierte, war ich viel zu selten dort, und das ist inzwischen auch schon wieder lang her. Aber wenn ich da war, nahm ich hinterher immer schöne Erinnerungen für meine ganz persönliche Ewigkeit mit.

In den vergangenen Tagen haben viele Kollegen, die ihn viel besser kannten als ich, bewegende Nachrufe verfasst. Besonders hervorheben und als Lektüre ans Herz legen möchte ich euch jenen von Mathias Brunner in der Speedweek und jenen von Markku Datler in der Presse.

Als er angefangen hat, hat Helmut Zwickl über seine Helden und Legenden berichtet. Jetzt ist er selbst als Legende des Motorsportjournalismus gestorben.

Danke für alles, Helmut!

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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