Die jüngste F1-Kontroverse zeigt, was im Titelkampf auf dem Spiel steht
Die technische Kontroverse um Red Bull und McLaren heizt den Titelkampf weiter an - Während die FIA versucht, Grauzonen zu schließen, bleibt vieles unklar
(Motorsport-Total.com) - Vor dem Großen Preis der USA in Austin wurde das jüngste technische Drama in der Formel 1 bekannt. Zunächst gab es die klassische Formel-1-Saga um flexible Frontflügel, wobei die Aeroelastizität der Schlüssel zum Erfolg dieser - und wohl jeder - Generation von Autos ist, ein Gebiet, das anscheinend vor allem McLaren und Mercedes beherrschen.
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Die beiden Streithähne unter sich: Red Bull und McLaren geben es sich nicht nur auf der Strecke Zoom Download
Biegsame Flügel waren schon immer ein schwieriger Bereich, der aufgrund des Unterschieds zwischen statischen Tests und der Realität der Biegung von Kohlefasern unter Last schwer zu kontrollieren war. Da die FIA aber bereits in der Vergangenheit technische Richtlinien herausgegeben hatte, um die Teams besser über die Anwendung der Regeln zu informieren, war sie mit der Arbeit der Teams zufrieden und sah keine Notwendigkeit, strengere Biegetests vorzuschreiben, um die beliebteste Grauzone der Formel-1-Designer zu kontrollieren.
McLaren sorgte in Baku mit seinem innovativen Heckflügel mit geringem Abtrieb, der einen Mini-DRS-Effekt erzeugte und die Geschwindigkeit auf der Geraden erhöhte, einmal mehr für Gesprächsstoff im Fahrerlager. Das Design bestand erneut die bestehenden Tests der FIA, bewegte sich aber in Richtung der dunkelsten aller Grauzonen. Nach Gesprächen mit der FIA erklärte sich McLaren bereit, das Design für das nächste Rennen, wo der Heckflügel zum Einsatz gekommen wäre, in Las Vegas, zu überarbeiten.
Die FIA in der Zwickmühle
Die Tatsache, dass die FIA die Frontflügel-Saga auf sich beruhen ließ, McLaren jedoch seinen Heckflügel änderte, zeigt, wie kompliziert die Angelegenheit für die Verantwortlichen des Weltverbandes ist und dass alle zehn Teams gezwungen sind, in einer Reihe von Grautönen zu operieren, die es mit einem Bestseller-Roman aufnehmen könnten.
Und jetzt ist es Red Bull, das von seinen Konkurrenten wegen der Art und Weise, wie man seine Vorrichtung zur Änderung der Fahrhöhe installiert hat, angemahnt wurde. Alle Teams verwenden ein solches System in irgendeiner Form, aber die Teams vermuten, dass Red Bulls - legale - Lösung im Cockpit über Nacht benutzt worden sein könnte, wenn das Auto unter Parc-Ferme-Bedingungen stand, was verboten ist.
Red Bull behauptet, das Gerät sei "unzugänglich, sobald das Auto vollständig zusammengebaut und fahrbereit ist", und es muss betont werden, dass das Team sein Auto in Austin nicht modifizieren musste, aber McLarens Oscar Piastri war der Meinung, dass die Lösung "aus der Grauzone in eine schwarze Zone" führt.
Es wird fast unmöglich sein, zu beweisen, dass Red Bull das Gerät jemals im Parc Ferme benutzt hat. Auch wenn die FIA an strengeren Verfahren arbeitet, ist dies eine Geschichte, die für diejenigen, die Red Bull nicht den Vorteil des Zweifels zugestehen wollen, kein zufriedenstellendes Ende haben wird. Und wenn man ein rivalisierendes Team ist, warum sollte man das tun?
FIA: Nachträglich beweisen "ist kompliziert"
Nikolas Tombazis, der Technische Direktor der FIA, äußerte sich zu den jüngsten Vorwürfen rund um das umstrittene System zur Fahrhöhenverstellung von Red Bull und betont, dass es rückwirkend schwierig sei, zwei Jahre an Daten zu überprüfen und potenzielle Regelverstöße zweifelsfrei nachzuweisen.
"Jetzt nachträglich zu beweisen, was genau in der Vergangenheit passiert ist, ist kompliziert und wir haben nicht die Möglichkeiten, das rückwirkend zu untersuchen", erklärt Tombazis. Außerdem seien die Veränderungen, um die es geht, "sehr klein und kaum sichtbar".
Das System selbst sei nicht illegal, und die FIA habe sicherstellen wollen, dass ab sofort keine Zweifel bestehen. Deshalb habe man Red Bull angewiesen, die betreffende Komponente zu versiegeln, um sicherzustellen, dass zwischen den Sessions keine unerlaubten Änderungen vorgenommen werden. Laut Tombazis sei diese Maßnahme ausreichend, um jegliche Spekulationen über Regelverstöße zu beenden.
Auf die Frage, ob ein Rückgriff auf Kameraaufnahmen aus den Boxen Klarheit bringen könnte, meint Tombazis, dass dies bei so kleinen, schnellen Veränderungen kaum machbar sei: "Wir glauben nicht, dass dies realistisch über Kameras nachverfolgbar wäre", sagt er.
Warum so viele Grauzonen auf einmal ausgelotet werden
Red Bull wurde auch erwähnt, als die FIA ihre Regel zum Verbot asymmetrischer Bremsen verschärfte, aber es ist wichtig, nicht alles auf einen Haufen zu werfen. Die FIA erklärte, dass diese Regeländerung dazu diente, das Reglement für 2026 robuster zu machen, woraufhin die neue Formulierung rückwirkend in das diesjährige Regelwerk aufgenommen wurde, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass irgendein Team gegen die Regeln verstoßen hat.
Aber es scheint kein Zufall zu sein, dass die Saison 2024 von so vielen technischen Dramen geprägt ist. Das Reglement befindet sich in der dritten von vier Saisons, in denen es für die Teams immer schwieriger wird, die Leistung mit traditionellen Mitteln zu steigern. Jede noch so kleine Verbesserung kann das Endergebnis erheblich beeinflussen, was zu unkonventionellem Denken einlädt.
Diese Annäherung in der Startaufstellung hat zu einem packenden Kampf zwischen Red Bull und McLaren auf der Strecke geführt, der auch abseits der Rennstrecke ausgetragen wurde. Red-Bull-Teamchef Christian Horner und McLaren-CEO Zak Brown lieferten sich gelegentlich einen Schlagabtausch, sei es über technische Fragen oder darüber, dass hochrangige Mitarbeiter Red Bull verlassen haben.
Wo sich McLaren und Red Bull einig sind
"Das ist alles Teil des Sports", sagte Brown zu Beginn des Jahres gegenüber Motorsport.com. "In der Formel 1 versucht man, jeden Kampf zu gewinnen, auf und neben der Strecke. Du schaust über jeden einzelnen Spiegel und jeden einzelnen Flügel."
"Ich werde alles tun, was ich kann, um McLaren zum Sieg zu verhelfen. Und ich erwarte von den anderen neun Teams, dass sie dasselbe tun. Und das bedeutet, dass wir von Zeit zu Zeit im Streit miteinander liegen werden."
Helmut Marko von Red Bull fügte hinzu: "Einmal werden einige Teams andere beschuldigen, und dann beschuldigen die, die hinten liegen, die anderen und sagen, dass sie es nicht haben. Das ist ein normales Spiel, solange ich in der Formel 1 bin und das war schon immer so." Das ist zumindest eine Sache, auf die sich McLaren und Red Bull einigen können.