Post-Perez-Variante: Ricciardo rein, Shootout Tsunoda vs. Lawson?
Alexander Wurz und Jacques Villeneuve haben unterschiedliche Ideen, wie Red Bull das Problem rund um Sergio Perez mit neuen Fahrern lösen könnte
(Motorsport-Total.com) - Sergio Perez fährt aktuell um seine Karriere, und das hat er am Sonntag in Ungarn laut Helmut Marko "sehr gut" gemacht. Der Red-Bull-Pilot fuhr vom 16. Startplatz auf Rang 7 und sammelte damit sechs wichtige Punkte für die Konstrukteurs-WM. Zu wenig in der Gesamtbilanz des Rennwochenendes, mit dem Crash im Qualifying, aber auf den Sonntag bezogen "das, was wir von ihm erwarten", wie Marko es im Interview mit Motorsport-Total.com formuliert.
Dass Perez angezählt ist, das ist trotzdem kein Geheimnis. Vor seiner ordentlichen Leistung im Rennen meinte Marko gegenüber Sky, dass es noch auf die beiden Rennen am Hungaroring und in Spa ankommen werde, "und dann setzen wir uns zusammen und schauen, was wir machen werden. Wir bleiben bei unserem Vorgehen."
Im Paddock wird indes schon die Frage diskutiert, wer Perez nachfolgen könnte, sollte die Entscheidung in der Sommerpause gegen ihn ausfallen. Jacques Villeneuve hätte da schon Ideen: "Wenn man es auf die Red-Bull-Art macht, nämlich einen aus dem Juniorteam zu nehmen und zu befördern, dann müsste es Tsunoda sein", sagt der Formel-1-Weltmeister von 1997 im Interview mit Motorsport-Total.com.
Villeneuve argumentiert: "Tsunoda ist der, den sie schon unter Vertrag haben. Ricciardos Vertrag haben sie noch nicht verlängert, weil er nicht gut genug war. Warum also sollte man ihn ins große Team hochziehen? Die logische Entscheidung wäre Tsunoda. Und dann kannst du Liam Lawson statt Tsunoda bei RB fahren lassen, und Hadjar im zweiten RB."
Isack Hadjar, ein 19-jähriger Franzose, führt aktuell mit 140 Punkten die Formel 2 an, weit vor Andrea Kimi Antonelli (6./88) und Oliver Bearman (14./34). Hadjar gilt tatsächlich als einer, der 2025 für die Racing Bulls fahren könnte. Aber die eigentliche Kernfrage ist: Wer hat das Zeug dazu, schon ab Zandvoort an der Seite von Max Verstappen dabei mitzuhelfen, für Red Bull die Konstrukteurs-WM zu gewinnen? Das käme für Hadjar sicher zu früh.
Wurz würde Ricciardo in den Red Bull setzen
ORF-Experte Alexander Wurz rät eher davon ab, neben Verstappen einen Jungen zu verheizen. Er schlägt vor, bei den Racing Bulls mit Tsunoda-Lawson zu fahren: "Aus dem Bauch heraus würde ich mir gern den Kampf Yuki Tsunoda gegen Liam Lawson im selben Auto anschauen, um dann zu sehen: Wer ist hier meine Zukunft, die ich nachbesetzen kann?"
Und zu Red Bull würde Wurz Daniel Ricciardo befördern, denn anders als bei Lawson tut es bei ihm im Spätherbst der Karriere nicht mehr ganz so weh, sollte er neben Verstappen untergehen: "Ich würde mir Ricciardo mal anschauen, ob er sich erfängt im Team neben Verstappen. Ich würde ihm diese Chance noch geben. Und dann schaue ich mir an, was die zwei Jungen machen."
Denn: Sollte Ricciardo scheitern, könnte man ihn wieder zum Botschafter und Ersatzfahrer degradieren, und der Australier könnte sich bei niemandem beschweren, nicht zumindest eine Chance bekommen zu haben. 2025 würde er sein Cockpit dann an den abgeben müssen, der im direkt vergleichbaren Racing-Bulls-Duell die bessere Figur abgegeben hat: Tsunoda oder Lawson.
"Die Gefahr ist: Wenn Daniel nicht nachziehen kann, dann verlierst du die Konstrukteurs-WM", sagt Wurz. "Aber mit wem würdest du die am einfachsten gewinnen? Sich in der Saison neben Max zu setzen, ist nie einfach und wird immer schwierig sein. Wer von den Dreien kann's am besten? Ich weiß es nicht. Wir werden Zeitzeugen sein. Oder auch nicht, je nachdem."
Villeneuve: Perez kostet mehr als er bringt
"Das Problem ist", wirft Villeneuve ein, "dass Perez dem Team im Moment echt was kostet. Das könnte sie die Konstrukteurs-WM kosten, und das wäre mehr als das Sponsorengeld, das er ins Team einbringt. Und es hilft dem Team auch nicht dabei, das Auto weiterzuentwickeln. Es ist gerade wirklich keine gute Situation."
Dass Red Bull am Ende nicht Hadjar, Ricciardo oder Tsunoda ins Auto setzen, sondern sich extern umsehen wird, etwa bei Carlos Sainz, das glaubt Villeneuve eher nicht: "Für Sainz ist dort kein Platz. Er will eine Nummer 1 sein - oder zumindest gleichberechtigt. Aber Red Bull ist Max' Team, selbst wenn man sie ähnlich behandeln würde."
Ralf Schumacher weiß nicht, "wie lang sich Red Bull das noch antun will. Ich glaube, es hat keinen Sinn mehr. Und das weiß Perez auch selbst. [...] Red Bull hat so viele Fahrer. Das muss ein Ende nehmen. Man sollte ihn echt erlösen", findet der Sky-Experte.
Mit Perez habe er fast so etwas wie Mitleid, meint Schumacher, denn: "Für ihn ist es ja auch eine Katastrophe." Wurz nickt: "Mir tut die Situation für ihn extrem leid, für alle. Aber jetzt ist einfach alles gegen ihn gelaufen, und dieser mentale Knick ..."
"Ich bin mir hundertprozentig sicher: Würde er jetzt gerade in einem anderen Auto sitzen, mit einem anderen Teamkollegen, wäre er der alte, der normale 'Checo', der an manchen Tagen richtig, richtig gut ist und immer mit tollem Reifenmanagement auch super Resultate rausfährt, in unterlegenen Autos."
Aber: "Dass jeder hier im Fahrerlager in jedem dritten Beitrag über ihn und seine Schwäche redet, das macht dich mürbe. Da kannst du dich nicht davor verstecken, und das sehen wir jetzt, und deshalb tut mir das sehr leid", sagt Wurz.
Hat Perez nach Red Bull nochmal eine Chance?
Zumal es, fürchtet er, für Perez auch schwierig wird, nach Red Bull nochmal ein Cockpit zu finden: "Traut sich jetzt irgendwer, einen angeschlagenen Löwen unter Vertrag zu nehmen? Wird er weiter hinken und nicht mehr richtig zubeißen können? Das ist die große Frage."
"Ich glaube, da hat er vielleicht den Absprung zu spät geschafft, ins sichere Land, weiter als Topfahrer irgendwo unter Vertrag zu kommen, über noch weitere, mehrere Jahre. Mit diesem Poker ist er in den jetzigen Vertrag, in diese jetzige Situation hineingegangen. Man muss kein Mitleid haben. Er verdient viel Geld, er hat die Chance. Aber wenn du da oben am Zenit herumspielst, dann ist es ein schmaler Grat."
Immerhin: Die starke Leistung im Rennen am Sonntag macht Mut, dass Perez in Spa das Ruder vielleicht doch noch herumreißen kann. Zwar fehlen ihm 41 Punkte, um maximal 100 Punkte hinter Verstappen zu liegen und somit die Ausstiegsklausel in seinem Vertrag auf inaktiv zu setzen. Aber wenn er performt, wird ihn Red Bull behalten - Klausel hin oder her.
Perez sei "hinter Russell zurückgefallen, aber als er mal freie Fahrt hatte, nach dem ersten Stopp, war seine Pace ähnlich schnell wie die von McLaren", lobt Teamchef Christian Horner. "Er ist ein gutes Rennen gefahren, [...] er hatte eine gute Pace. Er hat ein paar schöne Überholmanöver gezeigt, und hoffentlich gibt ihm das jetzt Selbstvertrauen."
Die anderen scharren indes schon mit den Hufen. Lawson soll kürzlich bei einem Test brilliert haben. Laut Sky-Informationen waren seine Rundenzeiten nur um zwei Zehntelsekunden langsamer als die von Verstappen. Darum sagt selbst Marko: "Er ist sicher ein Kandidat. Aber nochmal: Wir warten das nächste Rennen in Spa ab, und dann entscheiden wir."