Haas-Renningenieur: Warum er es "liebt", mit Hülkenberg zu arbeiten
Gary Gannon, Renningenieur von Nico Hülkenberg bei Haas, spricht über die größten Stärken des Deutschen und erklärt, warum er zuweilen unterschätzt wird
(Motorsport-Total.com) - Seit Nico Hülkenberg 2023 als Vollzeitfahrer in die Formel 1 zurückkehrte, arbeitet er bei Haas mit Renningenieur Gary Gannon zusammen. Der Amerikaner, der zuvor Romain Grosjean und Mick Schumacher betreute, "liebt" es, mit "Hulk" zu arbeiten und verrät im Interview mit Motorsport-Total.com, wie dieser so tickt.
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Nico Hülkenberg fährt nach dreijähriger Formel-1-Pause seit 2023 für Haas Zoom Download
"Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten", sagt Gannon über Hülkenberg. "Er ist lustig und scherzt viel herum. Aber dann wird er auch wieder sehr ernst und sehr technisch. Und er ist sehr anspruchsvoll. Es ist nicht so wie: 'Ach, ich wünschte, sie würden das machen.'"
"Es ist wie: 'Sag mir das', 'Sprich dann nicht', 'Mach das nach der Session', 'Ich brauche diese Unterlagen hier'. Es ist also sehr direkt, sehr fordernd. Aber es ist sehr klar für uns. Und das hat uns gezwungen, uns zu verbessern und unsere Arbeit besser zu machen."
Hülkenberg sei aber immer aus einem guten Grund so fordernd, betont sein Renningenieur: "Es ist nicht so, dass er eine Sonderbehandlung oder so etwas wünscht."
"Er kümmert sich auch um seine eigenen Bereiche. Wenn er zum Beispiel etwas an der Strategie ändern möchte, geht er direkt zu Faisal (Fdil; Anm. d. R.). Wenn er nicht damit zufrieden ist, wie das Auto aus der Garage kam, spricht er mit Matt (Thompson), dem Nr.1-Mechaniker. Er nimmt die Dinge selbst in die Hand."
"Und er übernimmt auch seine eigene Verantwortung", ergänzt Gannon. "Wenn er einen Fehler macht, entschuldigt er sich jedes Mal sofort und sagt, was er falsch gemacht hat. Niemals heißt es: 'Ich bin mir nicht sicher, was mit dem Auto passiert ist.'"
Hülkenberg: Teamplayer und harter Arbeiter
Es gäbe deshalb nie "ein Wischiwaschi" mit Hülkenberg. "Er ist sehr verantwortungsbewusst und sehr hart zu sich selbst, besonders wenn er einen Fehler macht. Aber trotzdem macht es immer Spaß, mit ihm zu arbeiten", sagt Gannon und berichtet von einer kleinen Anekdote am Montag nach dem Monaco-Grand-Prix.
"Er und die Mechaniker gingen Tacos essen und hatten einen lustigen Abend, und das ist alles ... sehr authentisch. Er ist da und hat Spaß mit den Jungs."
"Es ist also eine sehr gute Atmosphäre. Und er fühlt sich als Teil des Teams. Er hat nicht das Gefühl, über dem Team zu stehen oder vom Team getrennt zu sein. Er ist einfach ein weiteres Mitglied des Teams. Und wir haben das Gefühl, dass wir mit ihm zusammenarbeiten, nicht für ihn", erklärt der Renningenieur.
Obwohl Hülkenberg ein "so harter Arbeiter" sei, bekommt er aus Sicht von Gannon oft "nicht genug Anerkennung" von außen. "Ich denke, dass das wahrscheinlich unterschätzt wird, denn er gibt unterhaltsame Interviews und ist stilvoll und alles."
"Aber es steckt eine Menge harter Arbeit in seinen Bemühungen, die zu diesen guten Qualifyings und auch zu viel besseren Rennen in diesem Jahr führen - weil er sich sowohl auswärts als auch an den Wochenenden damit beschäftigt, wie man diese Autos und die Reifen zum Funktionieren bringt. Das ist für mich das Wichtigste."
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Warum Hülkenberg im Qualifying so stark ist
Auf die Frage, was ihn an Samstagen zu gut mache, grübelt Hülkenbergs Renningenieru Gannon: "Ich weiß es nicht genau. Aber zum Teil ist es eine Art internes Stressmanagement. Irgendwie schafft er es, keinen Druck aufzubauen, dass er perfekt sein muss."
"Aber ich denke, seine natürliche Fähigkeit ist, dass er eine optimale Art von Performance und Fahrweise für sein eigenes Auto findet, vielleicht schneller als einige andere Fahrer. Seine Runde im zweiten Q2-Lauf wird also sehr gut sein, eine sehr saubere Runde, in der er bereits das Beste aus dem Auto herausholt."
"In Q3 werden dann die Leute mit schnelleren Autos auf das gleiche Niveau kommen, und wir rutschen in der Reihenfolge nach unten. Es ist also fast so, als ob Nico in der Lage ist, das Auto schneller auf seine Höchstleistung zu bringen und im Qualifying weniger Fehler zu machen", erklärt sein Renningenieur.
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"Das führt dazu, dass unser Auto vor allem in Q2 im Vergleich zu den anderen überdurchschnittlich gut abschneidet. Es geht also darum, sich keinen Stress zu machen und sehr schnell eine gute, saubere Runde hinzubekommen, schneller als andere."
Und genau das schaffe Hülkenberg, indem er schon im ersten Quali-Run sehr genau erkenne, was er verbessern muss: "Wahrscheinlich ist er in seinem Kopf sehr analytisch, was er in der Runde macht, und setzt alle Teile schneller zusammen als ... nicht alle Fahrer, aber ein Großteil des Feldes. Und das ist der Grund."
Dass sich diese Performance im Rennen meist nicht ohne Weiteres wiederholen lässt, liege in erster Linie am Auto, betont Gannon. "Im Rennen kann man die natürliche Geschwindigkeit des Autos nicht mehr verbergen, indem man einfach sauber fährt oder so."
"Aber Nicos Rennverhalten, sein Fahrstil, sein Umgang mit den Reifen und alles andere hat sich massiv verbessert, seit er zu uns gestoßen ist. Wir als Team haben das auch verbessert, das Auto hat sich verbessert, aber er ist viel natürlicher darin geworden, weil er sich der Grenzen viel bewusster ist, was die Reifen etc. angeht."
Umso erstaunlicher ist es für Gannon, dass Hülkenberg vor seinem Formel-1-Comeback eine längere Auszeit hinter sich hatte. "Es ist schwer zu begreifen, dass er drei Jahre lang weg war, es fühlt sich definitiv nicht so an, als gäbe es eine Unterbrechung."
"Vielleicht ist er, weil er weg war, erfrischt und verjüngt zurückgekommen. Aber sein Enthusiasmus hat überhaupt nicht nachgelassen, obwohl das letzte Jahr hart war - er ist jetzt sogar enthusiastischer als je zuvor. Offensichtlich erzielen wir auch ein paar gute Rennergebnisse, das hält ihn aufrecht", fasst Gannon zusammen.
"Seine Intensität und sein Energieniveau sind sehr, sehr hoch, besonders für einen so erfahrenen Fahrer. Ob er auf dem Höhepunkt ist? Ich weiß es nicht. Aber für mich gibt es nur sehr wenige Lücken in seinen Leistungen. Und was Einsatz, Fahrweise und Leistung auf der Strecke angeht, ist er sehr, sehr gut."