• 03. Mai 2024 · 00:40 Uhr

Erste Aussagen über Newey-Abschied: Was deutet Verstappen damit an?

Max Verstappen hält Berichte, die suggerieren, dass Red Bull ohne Adrian Newey in der Mittelmäßigkeit versinken könnte, für völlig überzogen

(Motorsport-Total.com) - Rund um die Trennung zwischen Adrian Newey und Red Bull gibt es im Paddock der Formel 1 zwei Erzählungen. Die eine besagt, dass Red Bull mit dem 65-jährigen Stardesigner jenen Mann verliert, der das Team letztendlich zu dem gemacht hat, was es heute ist. Die andere lautet, dass Newey für den Erfolg auf der Rennstrecke zuletzt bei weitem nicht mehr so wichtig war wie in seinen besten Jahren. Letztere scheint auch Max Verstappen zu vertreten.

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Der Abgang von Adrian Newey bereitet Max Verstappen keine schlaflosen Nächte Zoom Download

Für viele überraschend, hatte doch sein Vater Jos dieser Tage im Telegraaf erklärt, es passiere jetzt genau das, wovor er am Beginn der "Horner-Affäre" gewarnt habe, nämlich dass das Team auseinanderbricht. Es sei wichtig, "dass die wichtigsten Leute bleiben. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Newey geht, und Anfang des Jahres sah es so aus, als würden sie auch Helmut rausschmeißen. Das ist für die Zukunft nicht gut."

Verstappen sen., das weiß man, ist kein Freund von Teamchef Christian Horner. Den Newey-Abgang jetzt unmittelbar mit der "Horner-Affäre" zu verknüpfen, passt gut in sein Storytelling. Doch während Newey nach außen hin unverändert wie ein Messias verehrt wird, galt er intern bei Red Bull nicht mehr bei allen als unumstritten.

Vor allem Horner, so hört man das dieser Tage, soll "Oberbulle" Chalerm Yoovidhya eingeredet haben, dass ein Verlust von Newey halb so wild wäre. Erstens, weil der 65-Jährige einen Haufen Geld kostet, das man genauso gut in mehrere talentierte Jungingenieure investieren könnte. Und zweitens, weil Newey in den vergangenen Jahren nicht mehr in Vollzeit gearbeitet hat.

Newey: Voller Erfolg mit reduzierter Arbeitszeit

Dazu muss man wissen: Als ab 2014 die Hybridmotoren in der Formel 1 eingeführt wurden und Mercedes jahrelang die dominante Powerunit hatte, gegen die Neweys Red-Bull-Chassis chancenlos waren, verlor der Brite die Motivation für das Tagesgeschäft. So sehr, dass er zwischenzeitlich nicht mehr in Vollzeit, sondern nur noch nach Lust und Laune arbeitete. Immer dann, wenn er das wollte.

Erst 2019, mit dem Umstieg Red Bulls von Renault- auf Honda-Powerunits, kam seine Motivation zurück. Für das technische Konzept des 2021er-Weltmeisterautos soll er instrumental gewesen sein. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Newey bereits seit Jahren viel weniger in der Fabrik in Milton Keynes gearbeitet hat als etwa der Technische Direktor Pierre Wache.

"Als Adrian bei Red Bull angefangen hat, war er für den Erfolg, den sie dann hatten, immens wichtig. Aber über die Jahre hat sich seine Rolle ein wenig verändert", sagt jetzt Max Verstappen. "Ich glaube, dass viele nicht verstehen, was er eigentlich gemacht hat. Ich sage nicht, dass er gar nichts mehr gemacht hat. Aber seine Rolle hat sich verändert."

Verstappen: "Nicht so dramatisch, wie es den Anschein hat"

Das klingt nicht danach, als habe Verstappen das Gefühl, Red Bull werde ohne Newey fast zwangsläufig in der Mittelmäßigkeit versinken, wie etwa Ralf Schumacher befürchtet. Der dreimalige Weltmeister relativiert: "Von außen sieht das alles sehr dramatisch aus. Aber wenn man weiß, was im Team passiert, dann ist es nicht so dramatisch, wie es den Anschein hat."

"Viele gute Leute sind ins Team gekommen, die die ganze Abteilung verstärkt haben. Natürlich wäre mir lieber gewesen, wenn er geblieben wäre. Man konnte sich immer auf seine Erfahrung verlassen. Und als Person war er ein toller Kerl, mit dem man jederzeit reden konnte. Er ist sehr intelligent und klug", sagt Verstappen.

Und: "Er nahm sich auch immer die Zeit, mit den Fahrern zu reden und unsere Aussagen für das Auto zu interpretieren. Er stellte sich vor, er müsste selbst mit seinen Autos fahren. Aber das technische Team, das wir haben, auch ohne Adrian, ist sehr stark, und das haben sie in den vergangenen paar Jahren bewiesen."

Gab's einen Kuhhandel zwischen Red Bull und Ferrari?

Unbestritten ist: Im Tagesgeschäft hat Newey die Technikabteilung schon lange nicht mehr getragen. Da ist heute Aufgabe von Pierre Wache, dem Technischen Direktor, sowas wie ein "Chef vom Dienst". Dazu kommen Ingenieure wie zum Beispiel Enrico Balbo (Leiter Aerodynamik) und Ben Waterhouse (Leiter Performance Engineering). Beide hat Ferrari erst kürzlich erfolglos abzuwerben versucht.

Ferrari wollte, erzählen manche im Paddock, auch schon Wache haben, ebenso wie die Ingenieure David Morgan und Alessandro Germani. Und ganz verrückte Verschwörungstheorien besagen sogar, dass Horner mit dem Ferrari-Vorsitzenden John Elkann einen Deal gemacht haben soll: Ihr bekommt Newey - lasst dafür aber die anderen in Ruhe.


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Das ist wahrscheinlich völliger Unsinn, aber von außen betrachtet sieht es so aus, als habe Horner um Wache & Co. härter gekämpft als um Newey. Der darf Anfang 2025 sogar ohne "gardening Leave" gehen. Eine Freigabe, die von Verstappen unterstützt wird: "Ich muss niemanden überreden. Wenn jemand gehen will, soll er gehen. Das habe ich Adrian auch geschrieben."

Böses Blut gebe es keins: "Es ist nicht so, dass wir jetzt nichts mehr miteinander reden. Aber wenn jemand glaubt, das sei das Richtige für sich und die Familie, dann muss er sich halt eine neue Herausforderung suchen. Letztendlich ist die Formel 1 ein Haifischbecken. Jeder denkt zuerst an seine eigenen Interessen. Ich weiß das, ich bin nicht dumm. Und es ist okay so."

Der Red-Bull-seitige Verzicht auf einen "gardening Leave" überrascht Verstappen auch deswegen nicht, "weil wir Adrian sehr respektieren. Und wir werden ihm immer sehr, sehr dankbar für alles sein, was er in all den Jahren für das Team geleistet hat. Es wäre unfair gewesen, ihn für lange Zeit auf 'gardening Leave' zu setzen, nach allem, was er für das Team getan hat."

Eigentlich hätte Newey bis Ende 2026 nicht wechseln dürfen

Neweys Vertrag mit Red Bull wurde zuletzt 2023 um "mehrere Jahre" verlängert. Laut Informationen von Motorsport-Total.com wäre dieser in seiner ursprünglichen Fassung bis Ende 2025 gelaufen, gefolgt von einer achtmonatigen Arbeitssperre bis Ende 2026. Doch im Aufhebungsvertrag hat man sich darauf geeinigt, dass Newey schon im ersten Quartal 2025 tun und lassen darf, was er will.

Verstappen relativiert Neweys Bedeutung für den aktuellen Erfolg von Red Bull, wenn er Dinge sagt wie: "In der Presse wird gerade viel erfunden, weil sie nicht verstehen, wie die Rollen im Team verteilt sind. Ich kann nicht leugnen, dass mir lieber gewesen wäre, er würde bleiben. [...] Aber ich vertraue den Leuten, die wir haben. Die sind unglaublich gut in dem, was sie tun."

Gleichzeitig ist Verstappen überzeugt davon, dass Newey einem neuen Team, sollte er zum Beispiel zu Ferrari wechseln, "viel bringen" kann. Aber: "2026 ist alles neu, mit ganz anderen Autos als heute. Er würde aber erst 2025 zu einem neuen Team wechseln. Da sind die Autos für das nächste Jahr normalerweise schon designt."

Das stimmt nur teilweise. Wahr ist: Am Ende des ersten Quartals 2025 werden die Grundkonzepte für die brandneuen 2026er-Autos bereits feststehen. Doch im halben Jahr mit dem zweiten und dritten Quartal 2025 könnte Newey noch entscheidenden Einfluss auf das Design des Folgejahres nehmen. Womöglich ein Grund, warum ihm und Ferrari dieser Kompromiss so wichtig war.

Verstappen: Trennung von Newey kann eine Chance sein

Angst, dass nach Newey weitere Topingenieure das Team verlassen könnten, hat Verstappen nicht: "Im Moment scheinen alle glücklich in ihren Rollen zu sein. Und wer weiß, was Adrians Weggang bewirkt? Vielleicht muss es ja gar nicht negativ sein. Das soll nicht gegen Adrian gehen. Aber manchmal ist es gar nicht negativ, wenn junge Talente zum Zug kommen."

"Natürlich wird es nie einen zweiten Adrian geben. Aber das ist auch gut so. Es wäre langweilig, wenn alle wie Adrian wären", sagt Verstappen und hält fest: "Es ist wichtig, dass wir würdigen, was er für das Team geleistet hat. Aber es ist auch wichtig für uns, mit den Leuten zu arbeiten, die da sind - und die sind, wie gesagt, sehr gut in dem, was sie tun."

Worte, die zeigen, wie sehr Verstappen, immer noch erst 26 Jahre jung, gereift ist. Er weiß genau, dass Newey weg ist und er mit einer öffentlichen Stellungnahme, die dem scheidenden Stardesigner hemmungslos nachweint, das weiterhin bestehende Technikteam demoralisieren würde. Und motiviert stattdessen ausdrücklich die, die noch da sind - und wichtig für seine Siege.

Anders als sein Vater Jos, der sich beim Thema Newey weniger diplomatisch gibt. Dazu sagt Max nur: "Ich habe gelernt, nicht alles in den Medien zu sagen, was ich denke. Das hilft niemandem. Auch mir nicht. Und letztendlich auch niemandem im Paddock. Ich muss nicht immer alles sagen, was ich denke", sagt er, auf das Statement seines Vaters angesprochen.

Red-Bull-Machtkampf: Noch lange nicht zu Ende ...

Denn es ist kein Geheimnis, dass die Verstappens nicht die größten Horner-Fans sind und ihre Loyalität im Red-Bull-internen Machtkampf bei Helmut Marko liegt. Gleichzeitig vertritt Verstappen jun. die Ansicht, dass alle ihre Eitelkeiten beiseiteschieben und sich darauf konzentrieren sollten, Weltmeister zu werden.

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Das ändert nichts dran, dass die Fronten hinter den Kulissen weiterhin verhärtet sind und zwischen Red Bull Racing in Milton Keynes und dem österreichischen Red-Bull-Flügel unverrückbar ein Keil eingeschoben wurde. Aber Verstappen stellt erfreut fest: "Im Moment konzentrieren sich alle auf das, was wir zu tun haben. Nämlich auf der Strecke zu performen."

Die "Horner-Affäre" und all das, was jetzt gerade bei Red Bull passiert, das wäre "vor ein paar Jahren nicht vorstellbar gewesen", räumt Verstappen ein. Aber: "Ich denke, es ist wichtig, ruhig zu bleiben und sich auf den Job zu konzentrieren." Und er betont: "Zu wissen, mit wem man arbeitet, sich wohlzufühlen."

Er selbst versucht, sich aus all den Grabenkämpfen herauszuhalten. Das übernehmen, so hört man, sein Vater Jos und sein Manager Raymond Vermeulen. Die sind es auch, die dafür sorgen, dass bei Mercedes eine Tür offensteht, sollte die Lage bei Red Bull endgültig eskalieren oder das Team doch zerbrechen.

Für Verstappen ist indes das Allerwichtigste, dass er ein Auto hat, mit dem er Rennen gewinnen und Weltmeister werden kann. Das hatte er in den Jahren bis 2021 nicht. "Das ist, was ich immer gefordert habe, und das ist, was wir dann letztendlich auch bekommen haben", sagt er, und: "Wir haben ein sehr starkes technisches Team. Und ein Teil davon ist noch sehr lange bei uns."

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