Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
"Der häufigste Fehler": Wie Renault in der Formel 1 an sich selbst scheitert
Ex-Teamchef Otmar Szafnauer analysiert, warum Alpine/Renault in der Formel 1 nicht vorwärtskommt, und sieht darin "den häufigsten Fehler", den Hersteller machen
(Motorsport-Total.com) - Dass Alpine zu Beginn dieses Jahres ans Ende des Formel-1-Feldes zurückfiel, war eine der größten Überraschungen, die wir in der Saison 2024 bisher erlebt haben. Und auch wenn sich das Team aus Enstone wieder etwas nach vorne gekämpft hat, ist es von den Zielen des Mutterkonzerns Renault weit entfernt.
© Motorsport Images
Mit Alpine fährt Renault seinen eigenen Zielen immer noch vergeblich hinterher Zoom Download
Als im vergangenen Sommer die Entscheidung getroffen wurde, Teamchef Otmar Szafnauer zu entlassen und ihn durch Bruno Famin zu ersetzen, geschah dies aufgrund der Ungeduld der Unternehmensleitung, die nicht glaubte, dass es so lange dauern würde, wie man ihr sagte, um wieder nach vorne zu kommen.
Doch der Wechsel führte nicht zu einer schnellen Besserung, stattdessen entwickelten sich die Dinge eher in die andere Richtung. Die Gründe dafür haben viele Diskussionen ausgelöst, und die Meinungen darüber gehen deutlich auseinander.
Aber abgesehen von der Frage, was im vergangenen Winter schiefgelaufen ist, sagt Szafnauer selbst, dass das, was sich bei Alpine abspielt, symptomatisch für einen der häufigsten Fehler ist, den Hersteller machen: zu viel Einmischung von oben!
Szafnauer, der ein Jahr lang nicht in ein Team involviert war und an der Entwicklung einer neuen App zur Verwaltung von Terminen mitgewirkt hat, ist der Meinung, dass ein gemeinsames Merkmal erfolgreicher Werksteams darin besteht, dass das Element Straßenauto von der täglichen Arbeit in der Formel 1 getrennt bleibt.
Da Renault-CEO Luca de Meo eine aktive Rolle dabei spielt, die Formel-1-Ambitionen des Konzerns voranzutreiben, deutet Szafnauer an, dass das Scheitern ganz oben beginnt. Auf die Frage, ob Renault verstanden habe, was es braucht, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein, sagt Szafnauer: "Nicht von dem, was ich gesehen habe."
"Ich denke, das Beste, was große Autofirmen tun können - und ich habe das schon oft erlebt, sogar bei Autofirmen, die den Rennsport als Teil ihrer DNA haben - ist, sich nicht einzumischen. Lassen Sie es! Es ist so viel anders als bei einem Autokonzern. Man sollte es einfach den Experten überlassen", so der 59-Jährige.
Szafnauer sagt, dass es zwar viele Gemeinsamkeiten zwischen Rennsportambitionen und dem Verkauf von Straßenautos zu geben scheint, aber er glaubt, dass Formel-1-Teams und Autohersteller auf eine völlig unterschiedliche Weise arbeiten.
"Die einzigen Gemeinsamkeiten sind, dass man fünf Räder an einem Auto und fünf an einem Rennwagen hat - vier Räder und das Lenkrad. Das war's. Der Rest ist ganz anders."
"Man nennt sie zwar Auto, aber die Technologieentwicklung ist anders. Die Spitzentechnologie, die man verwendet, ist anders. Das Niveau der Technik, die man einsetzt, ist anders. Das Niveau der Ausbildung der Ingenieure ist anders", betont er.
"Als ich zum Beispiel bei der Ford Motor Company war, gab es dort zwei Wege ins Management", erinnert sich Szafnauer. "Zum einen konnte man den Weg des technischen Managements einschlagen, wenn man einen Doktortitel in Maschinenbau oder Aerodynamik hatte. Oder man ging den normalen Managementweg."
"Und es gab nicht so viele Doktoranden in einem großen Unternehmen im Bereich Ingenieurwesen. Aber ich erinnere mich, als ich bei British American Racing war und Gary Savage sagte: 'Wir haben hier mehr Doktoren als das örtliche Krankenhaus.'"
"Das stimmt, und sie kommen nicht von mittelmäßigen Universitäten. Sie kommen alle von Oxford, Cambridge oder Imperial. Sie sind also a) superschlau und b) auf höchstem Niveau ausgebildet - in der Formel 1. Und am wichtigsten ist, dass sie den Sport lieben, deshalb sind sie dort. Sie sind höllisch motiviert, zu gewinnen."
"Das gibt es in Autofirmen nicht", hält Szafnauer fest und betont: "Ich sage das nicht nur über Renault, sondern auch über Ford, wo ich tätig war. Und wir hatten ein Sprichwort: Die Ford Motor Company stellt keine Autos her, sie macht Karrieren!"
"Als ich dort war, kümmerte man sich um das Autoprogramm, in dem man sich befand, aber man kümmerte sich mehr um die eigene Karriere. In der Formel 1 hingegen geht es nur um die Leistung auf der Strecke. Und das ist ein großer Unterschied."
Neue Talente anziehen
Szafnauer ist der Meinung, dass die Einmischung und Einflussnahme nicht nur kurzfristige Folgen hat, da sie es den Teams nicht ermöglicht, bessere Rennwagen zu entwickeln.
Er ist auch der Meinung, dass alles, was zu Instabilität und Unsicherheit beiträgt, längerfristige Auswirkungen hat, weil es dadurch schwieriger wird, die für den Fortschritt erforderlichen qualifizierten Mitarbeiter für das Team zu gewinnen.
"Vergessen Sie Alpine, denn das kann für jedes Team gelten", sagt er. "Man geht zu einem Mann, der geschätzt wird, der einen guten Job macht, der Leistung bringt, und sagt, er ist bei Red Bull, ein leitender Aerodynamiker, und man will ihn. Er gewinnt, er hat Max und Checo. Er wird einen schönen großen Bonus bekommen."
Fotostrecke: Alle Formel-1-Autos von Renault/Alpine
1977: Renault RS01 - Fahrer: Jean-Pierre Jabouille Fotostrecke
"Wie bringt man ihn also dazu, zu wechseln? Eines der Dinge, die ich immer gemacht habe, ist, ihm eine Beförderung anzubieten, die er sonst vielleicht ein paar Jahre lang bei Red Bull nicht bekommen würde, weil die Jungs über ihm auch einen guten Job machen und man die Struktur nicht durcheinander bringen will."
"Ich habe immer gesagt: 'Weißt du, komm mit uns auf die Reise - und du wirst bei uns eine größere Rolle spielen als dort. Und die größere Rolle besteht darin, dass du einen größeren Job haben wirst.' Auf diese Weise habe ich versucht, sie zu gewinnen."
"Dann muss man auch dafür sorgen, dass es ein guter Arbeitsplatz ist. Und was bedeutet das? Für jeden bedeutet es etwas anderes. Für manche Leute bedeutet ein guter Arbeitsplatz, dass sie mehr Geld bekommen. Für andere bedeutet es mehr Anerkennung."
"Man muss die Person verstehen, was sie wirklich will, und dann sicherstellen, dass man es auf ehrliche Art und Weise liefert. Und dann kommen sie zu dir", so Szafnauer.
Die Schuld an den aktuellen Misserfolgen
Alpine-Teamchef Bruno Famin wurde als Nachfolger von Szafnauer geholt und machte kürzlich einige recht deutliche Bemerkungen darüber, wo die Schuld für die aktuellen Schwierigkeiten des Teams liegt. "Das Auto, das wir jetzt haben, ist das Ergebnis des früheren Managements", sagte er der offiziellen Formel-1-Website.
Diese Aussage kam bei Szafnauer nicht gut an. Er sagt, dass der Zeitpunkt seines Abgangs vor der Sommerpause 2023 bedeutete, dass es keine Überschneidungen zwischen seiner Leitung des Teams und dem Herausforderer des Teams für 2024 gab.
"Wir haben nur begrenzte CFD- und Windkanalzeiten", sagt der Ex-Teamchef und erklärt: "Man kann einen Windkanal nicht einmal voll ausnutzen, wahrscheinlich nur zur Hälfte. Das gilt auch für CFD. Aus diesem Grund und wegen der Berichtsstruktur müssen wir, glaube ich, alle acht Wochen Bericht erstatten."
"Bis zur Sommerpause arbeitet also fast jeder an dem aktuellen Auto. Und je nachdem, wie schnell man daraus seine Schlüsse ziehen kann, kommen einige der Upgrades erst in Singapur. Für gewöhnlich ist Singapur das letzte große Upgrade, und dieses letzte große Upgrade wurde im Juni, Juli entwickelt."
"Nach der Pause wechselt jeder zum Auto des nächsten Jahres. Darin fließt ein, was man über das aktuelle Auto gelernt hat. Man ändert vielleicht die Geometrie, man wechselt von Pullrod zu Pushrod, man verändert ein paar Dinge. Und wenn man etwas ändert, dann hauptsächlich aus aerodynamischen Gründen."
"Das heißt: Jetzt fängt man an, die Modelle zu ändern und verschiedene Experimente zu machen, die nicht unbedingt auf das aktuelle Auto zutreffen. So war es auch bei Renault."
"Alan [Permane] und ich gingen im Juli, und nachdem wir gegangen waren, begannen sie mit dem Auto für das nächste Jahr. Auch Pat Fry war zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgetreten. Dem uninformierten Publikum kann man also sagen: 'Hey, alle Probleme wurden von diesen Jungs verursacht.' Aber das glaube ich nicht ..."