Sprint bei Formel-1-Rückkehr in China: Wie sinnvoll ist das?
Nach fünf Jahren Pause kehrt der Große Preis von China zurück, wobei die Formel 1 auch gleich den ersten Sprint der Saison fahren wird - Pirelli und Teams besorgt
(Motorsport-Total.com) - Beim bevorstehenden Formel-1-Rennwochenende in China wird es den ersten Sprint der Saison 2024 geben. Mit den veränderten Regeln wird dieser nun am Samstagvormittag stattfinden, wobei die Qualifikation für das Hauptrennen danach folgen wird. Zudem wurden die Parc-Ferme-Regeln gelockert, um den Teams Umbauarbeiten nach dem Sprint zu ermöglichen.
Trotz der neuen Regularien steht das Sprintwochenende in Schanghai unter besonderen Vorzeichen, da den Teams nur ein Freies Training am Freitag zur Verfügung steht, ehe es in die wichtigen Sessions geht. Weil man fünf Jahre lang nicht auf dem Schanghai International Circuit unterwegs war, bereitet die geringe Vorbereitungszeit sowohl den Teams als auch Reifenlieferant Pirelli arge Kopfschmerzen.
"Es ist sehr klug, das zu tun", antwortet Weltmeister Max Verstappen sarkastisch auf die Frage nach der Entscheidung, im ersten Jahr nach seiner Rückkehr einen Sprint in China auszutragen. "Ich denke, es ist nicht gut, denn wenn man eine Strecke eine ganze Weile nicht besucht hat, weiß man nie, was man dort erleben wird, also wäre es besser gewesen, dort ein normales Rennwochenende zu haben."
"Andererseits macht es die Sache wahrscheinlich etwas spannender, und das ist es, was sie vielleicht gerne sehen würden. Aber aus rein fahrerischer und leistungsbezogener Sicht halte ich es nicht für die klügste Lösung."
Pirelli mit Sorgen: Keine Asphaltprüfung wie üblich
Die Unsicherheitsfaktoren sind reichlich, darunter auch der Asphalt. Einige sagen, er wurde jahrelang nicht befahren, andere behaupten, die Strecke wurde neu asphaltiert. Gerade bei den Ground-Effect-Autos, die seit dem Jahr 2022 benutzt werden, sind Bodenwellen ein heikles Thema.
Da die Strecke auf einem Sumpfgebiet gebaut wurde, besteht nämlich die Möglichkeit, dass sich Unebenheiten gebildet haben, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Aber auch die ebenfalls 2022 eingeführten 18-Zoll-Reifen von Pirelli wurden in Schanghai noch nie getestet.
Hinzu kommt, dass der italienische Reifenhersteller ungewöhnlicherweise nicht in der Lage war, Ingenieure zu schicken, um die Strecke im Voraus zu beurteilen, was normalerweise bei brandneuen oder lange nicht genutzten Strecken der Fall ist.
Pirelli: "Es ist wie eine neue Strecke"
"Es ist wie eine neue Strecke, ehrlich gesagt", sagt der Formel-1-Chefingenieur von Pirelli, Simone Berra. "Denn wir haben neue Autos und neue Reifen. Die Strecke wurde fünf Jahre lang nicht benutzt, sie wurde nur für ein Rennen pro Jahr oder so etwas genutzt. Sie wird also sehr grün und ziemlich schmutzig sein, obwohl sie natürlich gereinigt wird."
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"Und wir müssen selbst bei der Messung des Asphalts vor dem Rennen verstehen, wie er sich verändert hat. In der Vergangenheit war er ziemlich rau, sowohl in Bezug auf die Mikro- als auch auf die Makrorauheit. Wir müssen verstehen, wie sich die Alterung in den letzten Jahren vollzogen hat."
Pirelli überzeugt: C2 bis C4 richtige Reifenwahl
Obwohl Berra seine Ingenieure nicht vorab auf die Strecke geschickt hat, um sie zu studieren, ist er von der Wahl der Reifenmischung, die Pirelli getroffen hat, überzeugt: "Leider habe ich niemanden zur Verfügung, der das tun könnte", sagt er über das Fehlen einer frühen Inspektion. "Also werden wir das direkt am Mittwoch machen."
"Jedenfalls ändert das nicht allzu viel, denn die Auswahl ist bereits getroffen. Wir haben, sagen wir mal, eine mittlere Auswahl getroffen, also C2, C3, C4, was uns vor jeder Möglichkeit schützt. C5 war wirklich zu weich, und C1 wahrscheinlich zu konservativ, wenn man die Strecke bedenkt."
Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko hofft indes, dass die Reifen für sein Team keine Probleme machen werden, nachdem man mit dem Grand-Prix-Wochenende in Australien schon einmal ordentlich daneben lag.
"Ich hoffe nicht, dass wir dort so eine Überraschung wie in Melbourne haben", so der Österreicher. "Der Straßenbelag war derartig aggressiv, wo wir im Reifenverschleiß, was an und für sich eine unserer Stärken ist, völlig danebengelegen sind. Es könnte vielleicht wieder eine Überraschung in diese Richtung geben, aber wir sind von Melbourne vorgewarnt und wissen jetzt mehr, wie man reagieren müsste."
Warum China die perfekte Sprintstrecke ist
Dass China dabei ein Sprintevent sein wird, ist kein Zufall. In den letzten zehn Rennen gab es auf dem Schanghai International Circuit durchschnittlich 74,5 Überholmanöver. Bis auf Las Vegas (99) wurde auf keiner anderen Strecke so oft überholt wie in China, was für Action im Sprint sorgen könnte.
"Es ist einfach eine großartige Rennstrecke und eine Strecke, die eine gute Möglichkeit zum Überholen bietet, also macht ein Sprint dort Sinn", sagt Ferrari-Pilot Carlos Sainz. "Gleichzeitig ist es das, was wir in der Fahrerbesprechung der FIA und der Formel 1 gesagt haben ..."
"Mit dieser Art von Autos auf eine Strecke zu gehen, auf der man nur eine Stunde trainieren kann und dann direkt ins Qualifying geht, mit den Regeln, die sie uns auferlegt haben, mit der Abnutzung der Planken und solchen Dingen und wie heikel eine Bodenwelle das Auto machen kann, ich denke, es ist keine gute Entscheidung, den Sprint [dort] nach vier oder fünf Jahren Abwesenheit einzubauen."
"Wir haben auch gehört, dass der Belag erneuert wurde. Für [die Zuschauer] zu Hause ist das vielleicht aufregend, aber für die Ingenieure und Fahrer sollten wir meiner Meinung nach kein Risiko eingehen und ein normales Wochenende haben."
Ferrari-Teamkollege Charles Leclerc fügt hinzu: "Ich denke, das Sprintwochenende ist wie immer ziemlich knifflig, und man kann sich keine Fehler erlauben. Aber das gefällt mir. Es ist eine noch größere Herausforderung."
Teamchefs angespannt, aber: Situation "für alle schwierig"
Die Teamchefs sehen hingegen eher die negativen Punkte, die mit einem Sprint an einem quasi neuen Austragungsort einhergehen: "Im Idealfall würde man China nicht als Sprintveranstaltung durchführen", findet McLaren-Teamchef Andrea Stella.
"Aus der Sicht des Teams, sagen wir mal, bringt das einfach viele Komplikationen mit sich. Gleichzeitig sind wir nicht in der Lage, das zu beeinflussen. Also schalten wir es einfach aus und konzentrieren uns darauf, gute Arbeit zu leisten."
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur meint jedoch, dass es "für alle schwierig sein", wird und kein Team sich einen Vorteil daraus verschaffen kann. "Wir werden alle in der gleichen Situation sein", so der Franzose. "Das größte Fragezeichen für mich wird der Asphalt sein, denn das Layout der Strecke kennen wir, die Kurven kennen wir."
"Und im Vergleich zur letzten Veranstaltung werden wir wahrscheinlich kältere Bedingungen haben. Und dann werden wir sehen, dass wir die Rauheit des Asphalts nicht kennen. Und das wird der Schlüssel für das Wochenende sein, um zu sehen, ob wir Graining haben oder nicht."