Ralf Schumacher: Das war der Sargnagel für den deutschen Formelsport!
Ralf Schumacher erklärt, wie sich der deutsche Formelsport abgeschafft hat und warum sein Sohn David nicht mehr von der Formel 1 als Ziel träumt
(Motorsport-Total.com) - Ralf Schumacher glaubt, dass die Chancen, deutsche Nachwuchstalente in die Formel 1 zu bringen, durch den Niedergang deutscher Formelsport-Rennserien dramatisch gesunken sind. Bis Ende 2012 fuhr die deutsch eingefärbte Formel-3-Euroserie, seinerzeit ein fester Eckpfeiler im Rahmenprogramm der DTM, und bis Ende 2007 gab es eine Formel BMW Deutschland als Einsteigerserie. Beides existiert in der Form heute nicht mehr.
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Ralf Schumacher bedauert, dass es in Deutschland keinen starken Formelsport mehr gibt Zoom Download
Stattdessen wurde die Formel 3 seitens der FIA internationalisiert und in einen durchgängigen Formel-1-Unterbau eingegliedert, mit internationaler Formel 3 und auch Formel 2. Ein Schuss, der zumindest aus deutscher Sicht "voll nach hinten losgegangen ist", wie Schumacher jetzt in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de kritisiert.
"Diese ganzen internationalen Stars, Lewis Hamilton und alle wie sie hießen, die kamen irgendwie alle mal durch Deutschland", erinnert sich Schumacher. Allein der Blick auf die Euroserie-Champions belegt, welch hohen Stellenwert die Meisterschaft hatte: Lewis Hamilton 2005, Paul di Resta 2006, Romain Grosjean 2007, Nico Hülkenberg 2008, Jules Bianchi 2009, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
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Dazu kommen weitere deutsche und deutschsprachige Talente, die über die Euroserie große Karrieren im internationalen Motorsport hingelegt haben, etwa Sebastian Vettel, Adrian Sutil, Pascal Wehrlein, Sebastien Buemi aus der Schweiz und Christian Klien aus Österreich.
Ralf Schumacher: Formelsport in Deutschland nicht zu ersetzen
Durch die Einstellung von Formel 3 und Formel BMW, findet Schumacher, habe man im deutschen Motorsport-Nachwuchs wichtige Plattformen "sausen lassen". Der GT-Sport, den es heute noch gibt, mit der neuen DTM und auch dem GT-Masters, sei "auch eine tolle Geschichte. Aber wir reden hier vom Formelsport, und der ist abgeschafft worden."
Ein Schaden, der kurzfristig irreversibel ist: "Das Kind ist in den Brunnen gefallen", bedauert Schumacher. Verursacht habe das der damalige FIA-Präsident Jean Todt, wegen letztendlich "finanziell geleiteter Interessen [...], das alles in eine Hand zu bringen". Sodass Formel 2 und Formel 3 heute mit "einer gewissen Monopolstellung" von Bruno Michel durchgeführt werden.
Dabei war die Grundidee der FIA eine positive: Weil es die nationalen Formelserien immer schwerer hatten, ordentliche Starterfelder aufzubringen, erschien es sinnvoll, alles unter ein Dach zu bringen. Der Haken dran: Aufgrund der Internationalisierung und der Monopolisierung der Formelserien wurden diese zuletzt immer teurer.
Unter einer Million Euro pro Saison kann man heutzutage nicht mehr konkurrenzfähig Formel 3 fahren - Summen, die sich Normalsterbliche nicht leisten können. Für deutsche Talente bedeutet das, dass sie "in Italien, Spanien und teilweise im Winter noch in den Emiraten unterwegs sind, um Formel 4 zu fahren", analysiert Schumacher.
Ein Grund, weswegen er davon ausgeht, dass die 2023 ins Red-Bull-Juniorteam aufgenommenen Nachwuchshoffnungen Tim Tramnitz und Oliver Goethe auf absehbare Zukunft die letzten Deutschen sein werden, die eine realistische Chance haben, bald Formel 1 zu fahren.
Kein Formel-1-Traum mehr für David Schumacher
Ein Zug, der für Schumachers Sohn David, so realistisch ist der Formel-1-Experte und sechsmalige Grand-Prix-Sieger, inzwischen abgefahren ist. Obwohl der in der Formula-Regional-EM 2019 mit doppelt so vielen Punkten wie die heutige Alpine-Juniorin Sophia Flörsch Gesamtvierter war.
"Da muss man auch realistisch sein", sagt er. "David hatte seine Chance. Da könnte ich jetzt auch sagen: Naja, mit damals Charouz, heute PHM, vielleicht nicht das beste Team gehabt. Er hat auch den einen oder anderen Achtungserfolg eingefahren, aber er hat natürlich in dem Moment halt einfach nicht genug Leistung gezeigt."
"Das wäre genauso unrealistisch, wenn ich sagen würde, mein Sohn David wird jetzt irgendwann in der Formel 1 sein. Auch er hat nicht die Möglichkeit, nicht das Potenzial, in der Formel 1 zu landen. Das ist genau das gleiche Thema. Da muss man einfach ehrlich zu sich selbst sein. Da haben wir jetzt eine andere Richtung eingeschlagen", sagt Schumacher.
Deutsche Hoffnungen: Tim Tramnitz und Oliver Goethe
Viel besser sieht er die Chancen von Tramnitz und Goethe, den nächsten Sprung in Richtung Formel 1 erfolgreich zu bewältigen. Die Aufnahme in den Red-Bull-Kader sei "eine unglaubliche Chance" für die beiden: "Ich freue mich, dass zwei deutsche Piloten die Chance bekommen, von Red Bull unterstützt zu werden, und man das Potential in ihnen sieht."
Tramnitz sei dort, wo er gefahren ist, "immer bei den Besten" gewesen, und Schumacher hält ihn für einen "ziemlich sortierten jungen Mann, der ganz genau weiß, was er will, fokussiert ist und ein gutes Umfeld hat. Er hat eine vernünftige Familie um sich herum, was sehr wichtig ist. Und er hat fahrerisch auch einfach das Potenzial."
"Das Gleiche gilt auch für Goethe. Ich glaube, das Potenzial ist da. Die Frage ist noch: Welches Team ist nachher da? Die Formel 3 ist ein ziemlich junges, ungestümes Feld. Da muss man sich dann noch durchsetzen. Das entwickelt sich so von Klasse zu Klasse. Ob man dann auch den Erwartungen gerecht wird, das bleibt abzuwarten", warnt Schumacher vor zu frühen Formel-1-Hoffnungen.
Das ganze Interview mit Ralf Schumacher über die deutschen Formel-3-Hoffnungen, seinen Sohn David und den Kardinalfehler, der seiner Meinung nach im deutschen Motorsport begangen wurde, gibt's als Video auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen. Kanal jetzt kostenlos abonnieren, Benachrichtigungen aktivieren und kein neues Formel-1-Video mehr verpassen!