Günther Steiner: Junge Fahrer "müssen einfach warten"
Auch wenn 2024 wohl keine Rookies in der Formel 1 fahren werden, sieht Günther Steiner durchaus Chancen: Junge Fahrer müssen eben Geduld beweisen
(Motorsport-Total.com) - Nachwuchsfahrer haben es aktuell immer schwerer, in der Formel 1 Fuß zu fassen. Dass viele Teams lieber auf erfahrene Piloten setzen, zeigt sich an der Saison 2024, wo es Stand jetzt keinen Fahrerwechsel zur aktuellen Saison geben wird. Einzig das Williams-Cockpit von Logan Sargeant ist noch nicht offiziell vergeben, doch vieles spricht für eine Weiterverpflichtung des Amerikaners.
Das heißt, dass auch im kommenden Jahr viele aufstrebende Talente aus der Formel 2 das Nachsehen haben werden. Egal, wer Meister der höchsten Nachwuchsklasse werden wird, er wird voraussichtlich der vierte Meister der vergangenen fünf Jahre, der nicht den direkten Aufstieg in die Formel 1 schaffen wird.
Doch Haas-Teamchef Günther Steiner sieht das pragmatisch. "Die Lösung ist: Sie müssen einfach warten", sagt der Südtiroler und sieht den Weg für die guten Nachwuchsfahrer nicht dicht. "Oscar Piastri ist ein gutes Beispiel: Er hat gewartet, und jetzt schaut, was er macht. Er wird nicht so schnell wieder aus diesem Auto aussteigen. Er macht sich gut."
Piastri war 2021 Meister der Formel 2 geworden, hatte dann aber ein Jahr auf der Ersatzbank bei Alpine verbringen müssen, bevor er von McLaren als Ersatz von Daniel Ricciardo verpflichtet wurde.
Steiner sagt aber auch: "Wenn du eine Chance kriegst, dann musst du vom ersten Tag an deine Leistung bringen." Wie es nicht geht, habe Nyck de Vries gezeigt, der bei AlphaTauri die Erwartungen nicht erfüllen konnte und nach zehn Rennen wieder entlassen wurde.
"Das ist die Chance für junge Leute. Denn das wird wieder passieren", sagt er. "Wenn die Leistung nicht sofort da ist, dann bist du weg. Niemand gibt dir mehr sehr viel Zeit."
Im Fall von AlphaTauri war das allerdings nicht die Chance für einen jungen Fahrer, sondern für einen 34-Jährigen, weil das Team Daniel Ricciardo den Vorzug gab. Youngster Liam Lawson bekam erst eine Chance, als sich der Australier in Zandvoort an der Hand verletzte, musste sein Cockpit aber trotz guter Leistungen wieder abgeben und fand auch für 2024 keine Berücksichtigung.
"Es gibt potenziell ein paar Leute da draußen, die es können. Aber du musst sie erst im Rennen ausprobieren, bevor du es weißt", sagt Steiner.
Zehn Rookies im Abu-Dhabi-Training
Eine Chance für Youngster gibt es allerdings am Saisonende in Abu Dhabi. Dort findet nicht nur der Young-Driver-Test statt, sondern es werden im ersten Training auch zehn Rookies im Rahmen der Freitagsfahrerregelung zum Einsatz kommen. Bis auf AlphaTauri werden alle Teams einen Youngster im Auto haben, Red Bull muss sogar beide Autos noch zur Verfügung stellen (zur Übersicht der Freitagsfahrer 2023).
Bei Haas kommt erneut Ferrari-Junior Oliver Bearman zum Einsatz, der schon in Mexiko ein Training für Haas bestreiten durfte. Der 18-Jährige gilt als zukünftiger Formel-1-Pilot, hat laut eigener Aussage und laut Steiner aber noch Zeit: "Wenn du mit 21 in die Formel 1 kommst, dann ist das immer noch früh", sagt er.
Fotostrecke: Top 10: Vergessene Freitagsfahrer der Formel 1
#10 Chanoch Nissany (Minardi 2005): Gut, eigentlich ist der Auftritt des Israeli unvergessen, doch allein wegen seiner Geschichte gehört er hier rein. Nissany beginnt seine Motorsport-Karriere erst im Alter von 38(!) Jahren. Als Testfahrer von Jordan und Minardi kommt er in die Formel 1 und bekommt 2005 in Ungarn die einmalige Chance. Fotostrecke
Steiner lobt: "Für einen 18-Jährigen ist er schon sehr reif. Ich glaube, er tickt wirklich so, und hat sich nicht verstellt. Manchmal strahlen junge Fahrer diese Weisheit aus, die ihnen irgendwer eingebläut hat. Aber nein, er war er selbst und sehr entspannt. Ich fand das gut", sagt er über dessen ersten Einsatz.
Ob es für ihn eine erweiterte Rolle bei Haas 2024 geben kann - zum Beispiel als Ersatzfahrer - wird das Team erst noch eruieren. Steiner sagt, er müsse erst mit Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur sprechen, um zu schauen, wie die Pläne von Ferrari aussehen.
Plan B für Fittipaldi
Haas benötigt aber einen Plan, weil der bisherige Ersatzfahrer Pietro Fittipaldi, der schon für Romain Grosjean nach dessen Feuerunfall in Bahrain 2020 einsprang, 2024 Vollzeit in der IndyCar-Serie fahren und daher einige Formel-1-Rennen verpassen wird.
Fittipaldi soll auf jeden Fall beim Young-Driver-Test in Abu Dhabi zum Einsatz kommen, dann sieht man weiter: "Wir schauen uns nur ein paar Details an bei Rennen, an denen er nicht da sein kann", sagt Steiner. "Rund die Hälfte unserer Rennen kann er nicht mitnehmen. Da brauchen wir also eine Lösung, bevor wir ihn bestätigen können."
Die Lösung könnte Bearman heißen, doch Steiner bleibt zurückhaltend: "Es gab Zeiten, da hatten wir keinen Ersatzfahrer. Wir hatten aber immer einen Plan. Und einen Plan brauchst du immer, wenn du niemanden sonst vor Ort hast. Denn wenn du im Zweifelsfall jemanden reinsetzen musst, der keine Ahnung hat, dann ist das wirklich nicht gut", sagt er.
"Ich weiß aber nicht, was Fred plant bei seinen Ersatzfahrern."