Nichts für Weicheier: Was Suzuka so besonders macht
Warum Formel-1-Fahrer immer von Suzuka schwärmen, weshalb die japanische Rennstrecke einmalig ist und was es für eine wirklich schnelle Runde alles braucht
(Motorsport-Total.com) - Das Wort "Lieblingsstrecke" wird beim Japan-Grand-Prix sehr häufig gebraucht. Denn der Suzuka International Racing Course steht bei fast allen Formel-1-Fahrern sehr hoch im Kurs. Aber warum ist das so?
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Formel-1-Autos im Freitagstraining 2023 auf der Rennstrecke in Suzuka Zoom Download
Williams-Fahrer Alexander Albon erklärt die Faszination Suzuka so: "Hier spürst du wirklich, was es bedeutet, ein Formel-1-Auto zu fahren. Das hört sich bescheuert an, aber auf einer Strecke wie Singapur hast du nicht das gleiche Gefühl."
Was den Marina Bay Circuit in Singapur von der Rennbahn in Suzuka unterscheidet? Das eine ist ein Stadtkurs mit vielen harten Bremszonen und nur wenigen Auslaufzonen. Die Autos fahren dort immer dicht an Mauern und Leitplanken entlang.
Warum sich Suzuka so viel besser anfühlt
Suzuka ist praktisch der perfekte Gegenentwurf dazu: "Die Geschwindigkeiten sind hoch und die Fahrbahn ist schmal, links und rechts davon gibt es Gras. Der Eindruck der Geschwindigkeit ist also anders als zum Beispiel in Le Castellet. Das macht Suzuka so besonders", meint Albon.
McLaren-Fahrer Lando Norris stimmt zu und sagt: "Man spürt auf Strecken wie Singapur die Geschwindigkeit nicht so intensiv wie hier in Suzuka. Hier kriegst du einen Eindruck von deinem Auto, und ein Formel-1-Auto ist in schnellen Kurven jedem anderen Auto überlegen."
Für Norris trägt die Streckenführung in Suzuka entscheidend zur Attraktivität der Rennbahn bei. Denn es gebe "ziemlich wenig Raum für Fehler", betont Norris: "Kommst du in Suzuka [bei hoher Geschwindigkeit] von der Strecke ab, sind die Konsequenzen meistens heftig."
Nervenkitzel im Qualifying in Suzuka
Gerade im Qualifying sei deshalb Fingerspitzengefühl gefragt bei den Fahrern. "Du musst dich dann schon fragen, wie viel Risiko du eingehen willst", sagt Norris. "In den Kurven 7 und 8 zum Beispiel hast du immer die Sorge, du könntest etwas zu weit rauskommen. Denn wenn du mit dem Rad einen halben Meter zu weit draußen bist, kann das Game over sein."
Der McLaren-Fahrer bezeichnet diese Aussicht als "aufregend" und spricht von Stress im Cockpit: "Es kostet dich mehr Nerven, hier eine gute Runde hinzukriegen. Denn ein gewisses Risiko ist hier immer dabei, auch wenn es sich hier sehr natürlich anfühlt."
Und das auf einer Rennstrecke, die - wie Norris betont - über all die Jahre "praktisch unverändert" geblieben ist. Hier hat Norris einen Punkt: Die 1962 eröffnete Bahn hat 1983 eine Schikane vor Start und Ziel erhalten, die über die Jahre mehrfach modifiziert wurde. Der große Rest aber folgt weiter der originalen Streckenführung, und die ist einmalig im Formel-1-Kalender.
Wofür Suzuka einmalig ist in der Formel 1
Denn der Suzuka Course ist angelegt wie eine Acht, mit einer Unterführung zwischen den Kurven 9 und 10 sowie einer Überführung zwischen den Kurven 14 und 15. Suzuka ist damit also in gleichem Maß ein Rechtskurs (erster Sektor) wie ein Linkskurs (zweiter und dritter Sektor), und das macht es außergewöhnlich.
"Und das beste an der Strecke ist, es bleibt ein Element von Risiko", sagt Norris. "Das fühlt sich hier immer sehr natürlich an. Denn in Suzuka erlebst du, was ein Formel-1-Auto wirklich leisten kann."
Fotostrecke: Formel-1-Strecken, die umgebaut wurden
Es gibt sie häufig im Rennkalender der Formel 1: Umgebaute Strecken, die in unterschiedlicher Konfiguration befahren wurden. Ein paar besonders interessante Kurse und deren Geschichte stellen wir in dieser Fotostrecke vor - ohne Anspruch auf Vollständigkeit! Fotostrecke
Entsprechend begeistert sind die Formel-1-Fahrer vor allem von der einen schnellen Runde im Qualifying mit wenig Sprit und voller Motorleistung. Dann ist vor allem eine "gute Balance" gefragt, sagt Haas-Fahrer Nico Hülkenberg. Er erklärt: "Entscheidend ist an vielen Stellen der Grip, und es gibt viele Richtungswechsel." Das Ziel sei, möglichst "flüssig" durch sämtliche Passagen zu gelangen.
Triumphe und Tragödien beim Japan-Grand-Prix
Nicht immer geht das gut in Suzuka: 2002 verunfallte Toyota-Fahrer Allan McNish im Qualifying in der schnellen 130R-Kurve, die mit Vollgas genommen wird. Sein Auto war ein Totalschaden, er selbst blieb unverletzt. 2009 flog Virgin-Fahrer Timo Glock ebenfalls im Qualifying eingangs Start und Ziel ab und schlug in die Banden ein, was ihm einen Krankenhaus-Aufenthalt bescherte.
Und: Im verregneten Japan-Grand-Prix 2014 verunfallte Marussia-Fahrer Jules Bianchi auf nasser Strecke und traf in der Auslaufzone äußert unglücklich ein Bergefahrzeug, das den gestrandeten Force India von Adrian Sutil wegschaffen sollte. Bianchi zog sich schwere Kopfverletzungen zu, lag über Monate im Koma und starb ein halbes Jahr nach dem Unfall.
Suzuka war aber auch schon die Bühne für erfreulichere Ereignisse, weil mehrfach Schauplatz für das WM-Finale der Formel 1. Dort gewann Michael Schumacher 2000 seinen ersten WM-Titel mit Ferrari. Außerdem kam in aufeinander folgenden Jahren zu Kollisionen zwischen Alain Prost und Ayrton Senna, was 1989 die WM zugunsten von Prost entschied, 1990 zugunsten von Senna.
Und apropos Weltmeister: Der aktuelle WM-Spitzenreiter Max Verstappen gab 2014 in Suzuka sein Formel-1-Debüt an einem Rennwochenende, als er bei Toro Rosso das Freitagstraining bestritt. Das war Teil seiner Vorbereitung auf den Formel-1-Einstieg zur Saison 2015.