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Sprint-Shootout in Spielberg könnte zu neuer Reifenregel beitragen
In Spielberg einigten sich FIA, die Teams und Pirelli auf eine angepasste Reifenregel für das Sprint-Shootout - Warum das auch ein Fingerzeig Richtung Zukunft sein kann
(Motorsport-Total.com) - War das Sprint-Wochenende beim Österreich-Grand-Prix der Formel 1 ein Fingerzeig in Richtung Zukunft, was die Reifenregeln betrifft? Im Shootout am Samstag hatte das regnerische Wetter die strikten Vorgaben außer Kraft gesetzt, sodass jeder in den drei Sessions eine beliebige Slick-Mischung verwenden durfte.
© Motorsport Images
Über die Reifenregeln für Sprint-Wochenenden wird weiter diskutiert Zoom Download
Das führte zu einigen hektischen Zwischenfällen und dem ungewöhnlichen Anblick, dass Haas-Fahrer Nico Hülkenberg in SQ3 neue Medium-Reifen benutzte, um sich einen sensationellen vierten Platz in der Startaufstellung für den Sprint zu sichern, während andere auf gebrauchten Softs herumkurvten.
Das ganze Spektakel deutet darauf hin, dass das Zufallsformat, das in Österreich eher ungewollt zum Einsatz kam, auch bei den restlichen Sprintrennen der Saison Anwendung finden könnte - möglicherweise sogar schon in Spa Ende dieses Monats.
Zur Erinnerung: Als die Regeln für den unabhängigen Sprint-Samstag vor Aserbaidschan formuliert wurden, war die Frage der Reifenaufteilung an diesem Wochenende einer der wichtigsten Diskussionspunkte zwischen der FIA, den Teams und Pirelli.
Denn weil das bisher weitgehend überflüssige zweite Freie Training durch ein dreiteiliges Qualifying ersetzt wurde, entstand ein zusätzlicher Bedarf an neuen weichen Reifen.
"Die Diskussion begann in Baku", sagt Pirelli-Motorsportchef Mario Isola. "Die Entscheidung, auf das neue Format umzusteigen, fiel sehr spät. Und wir hatten die Reifen schon nach Baku geliefert. Wir hatten eine Zuteilung, die bereits feststand."
Neues Sprint-Shootout, neue Reifenregel
"Als wir diese Diskussion hatten, habe ich gesagt, dass die Reifen schon da sind oder gerade an der Strecke ankommen. Wir brauchen also Zeit, um zu reagieren, wenn wir die Mischungsverteilung ändern wollen. Also haben wir das in der Sportkommission diskutiert. Wir haben gesagt, dass wir versuchen sollten, uns vorzustellen, wie wir das Rennwochenende mit der bereits festgelegten Aufteilung organisieren können."
"Natürlich hat man bei einem normalen Rennen mehr Sätze der Medium-Reifen im Vergleich zu den weichen Reifen. Bei einem normalen Rennen hat man acht Sätze der weichen Mischung, beim Sprintrennen sind es sechs", erklärt Isola weiter.
"Die Idee war: Wenn ich im Freien Training einen Satz weiche Reifen fahre, habe ich nur noch fünf. Ich brauche drei oder vier für das normale Qualifying, oder fünf, wenn man zwei für Q2 braucht, und dann gehen einem die Reifen für den Sprint-Shootout aus."
Es wurden alle möglichen Varianten durchgespielt, einschließlich der freien Verwendung während des gesamten Wochenendes. Aber am Ende entschied man sich für eine obligatorische Zuteilung für die drei Shootout-Sessions mit neuen Medium-Reifen in SQ1 und auch in SQ2 und neuen Soft-Reifen in SQ3.
"Die alternative Reifenzuteilung, die wir in Budapest testen werden, besteht aus zwei harten, zwei mittelharten und zwei weichen Reifen in Q1, Q2 und Q3", sagt der Pirelli-Reifenexperte. "Eine Idee war, dass wir von diesem Konzept ausgehen, um zu sehen, was wir tun können, um uns an die neue Situation einzustellen."
"Die ursprüngliche Idee war hart, medium, soft. Aber dann hatten wir nur zwei Sätze hart und vier Sätze medium. Also haben wir gesagt: Okay, medium, medium, soft."
Kuriose Schlupfloch offenbart sich in Baku
In Baku erkannten die Teams schnell, dass es keinen Sinn machte, einen Satz weicher Reifen aufzubewahren, den sie in einer früheren Session produktiver einsetzen konnten, vor allem, wenn sie nicht glaubten, es in das SQ3 zu schaffen.
AlphaTauri tat dies mit Yuki Tsunoda, der einen zusätzlichen Satz im FT1 einsetzte, um für das Grand-Prix-Qualifying besser vorbereitet zu sein. McLaren setzte mit Lando Norris einen zusätzlichen Satz im Qualifying ein. Während es Tsunoda es am nächsten Tag nicht in das SQ3 schaffte, Norris aber schon.
Er hatte anschließend keine neuen Softs mehr, also konnte er theoretisch nicht teilnehmen. Aber eine Grauzone im Reglement bedeutete, dass das Team darüber nachdachte, ihn auf trockener Strecke mit Intermediates ausrücken zu lassen.
Sinn gemacht hätte das aber nur, wenn ein anderer Fahrer verunfallt wäre, ohne eine Zeit zu markieren, denn auf Intermediates wäre Norris ohnehin langsamer gewesen. Und so blieb er letzten Endes auch an de Box und nur neun Autos fuhren in SQ3.
Aber: Wenn man das Szenario auf mehrere Fahrer hochrechnet, die beim nächsten Sprint-Shootout entweder in SQ3 in der Garage gestanden hätte oder gegeneinander auf Inters um eine Rundenzeit im Trockenen gekämpft hätte, wäre das ein kurioses Bild.
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Deshalb hat die FIA für das Sprint-Format 2023 einen Joker ins Reglement eingebaut. Er erlaubt Änderungen bis Ende Juli, nach dem dritten von sechs Sprint-Events des Jahres in Spa, und zwar wenn Anomalien oder "unbeabsichtigte Konsequenzen" auftreten und mindestens acht Teams einer Änderung zustimmen.
Offenere Reifenregelung bereits in Spielberg
Vor Österreich unterstützten die Teams den einfachen Vorschlag, alle weichen Reifen für SQ3 zuzulassen, nicht nur neue Sätze, um das eben beschriebene Problem zu lösen.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf und der starken Vermutung, dass der Samstag auf jeden Fall nass sein würde, gingen die Teams am Freitag in Österreich, vor allem im Qualifying für das Hauptrennen, anders mit den Reifen um.
Hinzu kam, dass die gestrichenen Rundenzeiten wegen der Tracklimits dazu führten, dass viele Fahrer mehr Soft-Reifen fuhren, als sie vielleicht geplant hatten.
Entsprechend viel Fahrer hatten am Ende des normalen Qualifyings nur noch wenige Sätze neue Softs übrig. Carlos Sainz, Lewis Hamilton, Pierre Gasly, Valtteri Bottas, Fernando Alonso, Lance Stroll, Nico Hülkenberg und Alex Albon hatten gar keine mehr.
Einige Fahrer hatten nur noch einen neuen Satz übrig, während Max Verstappen aufgrund seines starken Grundtempos auf zwei Sätzen kam und auch sein Teamkollege Sergio Perez nach dem verpassten Q3 noch zwei Sätze zur Verfügung hatte. Vier weitere Fahrer hatten zwei neue Sätze, Kevin Magnussen sogar drei.
Wäre der Rest des Wochenendes nach dem normalen Zeitplan verlaufen, wäre es in SQ3 zu einem Kampf zwischen denjenigen gekommen, die es in die Top 10 geschafft und noch neue Softs hatten, und denjenigen, die nur noch gebrauchte Sätze besaßen.
Ein Beispiel für die Zukunft? Isola ist offen
Doch der Regen am Samstagmorgen sorgte dafür, dass die Strecke vor dem Shootout für nass erklärt wurde, sodass die Reifenwahl bei abtrocknender Strecke frei war.
Tatsächlich war es von Anfang an ziemlich trocken, sodass die Fahrer in den drei Sessions die Reifen verwenden konnten, die sie wollten. Das bedeutete mehr Action auf der Strecke und mehr Abwechslung, wer wann womit fuhr, anstatt sich auf medium, medium, weich beschränken zu müssen. In SQ3 fuhren nur vier Fahrer auf den neuen Softs: Verstappen, Charles Leclerc, Lando Norris und Esteban Ocon.
Alles in allem schien es ein etwas unterhaltsameres und lebendigeres Shootout als in Baku zu sein. Und es deutet darauf hin, dass eine Öffnung der Regeln, die es den Fahrern erlauben würde, ihre Reifen am Freitag und Samstag nach Belieben zu verwenden, zumindest jetzt ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollte.
Wenn einige Fahrer mit wenigen oder gar keinen Soft-Reifen in die drei Shootout-Sessions gehen und auf gebrauchte Sätze zurückgreifen müssen, dann soll es so sein.
Das bedeutet auch, dass diejenigen, die in Q1 ausscheiden, mehr neue Reifen zur Verfügung haben, die ihnen im Shootout einen extra Schub geben können. Das käme wiederum einer sanften Form des umgekehrten Handicaps gleich.
"Das ist ein guter Punkt, ehrlich gesagt, da stimme ich zu", sagt Isola zu dem Vorschlag, dass die Reifenauswahl frei sein sollte. "Denn manchmal verwechseln wir Leistung mit Verschleiß. Wenn man einen weichen Reifen eine Runde lang fährt, heißt das nicht, dass er am Ende ist", so der Pirelli-Experte.
"Es bedeutet, dass man wahrscheinlich den maximalen Grip auf diesem Reifen verloren hat, das ist wahr. In einigen Fällen, zum Beispiel in Baku, messen wir aber ein sehr gutes Niveau der Grip-Rückgewinnung. Deshalb wird auf manchen Strecken derselbe Reifensatz für mehrere Versuche im Qualifying verwendet."
"Wenn wir das berücksichtigen und davon ausgehen, dass alle Teams und Fahrer in der gleichen Situation sind, dann sollten wir auch akzeptieren, dass sie zum Beispiel im Sprint-Shootout gebrauchte Reifen verwenden dürfen. Warum nicht?"
"Und wenn wir über die Reduzierung der Reifen sprechen wollen, aus Gründen der Nachhaltigkeit, dann könnte eine Idee sein, die Reifen wiederzuverwenden", sagt Isola.
"Man führt natürlich einen Effekt ein, der im Grunde derselbe ist wie im normalen Qualifying. Die schnellsten Fahrer, die in der Lage sind, mit nur einem Reifensatz weiterzukommen statt mit zwei Reifensätzen, haben einen Vorteil. Aber es ist dasselbe wie im normalen Qualifying, sie sparen neue Reifen für das Rennen oder sie sparen neue Reifen für Q3. Es ist also immer eine Diskussion."
Sprint-Format steht vor weiterer Anpassung
Praktischerweise tagt an diesem Mittwoch in Silverstone der FIA-Beratungsausschusses für Sport statt, bei dem das Sprint-Format ganz oben auf der Agenda steht.
Eine Option könnte sein, in Spa mit dem ursprünglichen Format aus medium, medium, soft zu fahren, um einen weiteren Test zu haben und dann eine Änderung für die letzten drei Sprints des Jahres in Betracht zu ziehen. Aber warum nicht einfach für das Belgien-Wochenende öffnen und sehen, was passiert?
"Das Format ist neu", sagt Isola. "Und ich bin mir sicher, dass wir noch einige Feinjustierungen vornehmen können. Es gibt Raum für Verbesserungen. Nicht Verbesserungen, aber wir haben jetzt die Erfahrung von zwei Wochenenden mit Sprints."
"Da gibt die Möglichkeit, einige Details zu analysieren und zu ändern, um die Show zu verbessern. Der Shootout in Spielberg war aus meiner Sicht eine großartige Show."
Abgesehen von allem anderen würde die Öffnung der Shootout-Reifenregeln es für alle viel einfacher machen, sie zu verstehen. "Das ist etwas, das wir machen können, ohne die Reifenzuteilung zu ändern", sagt Isola. "Der andere Punkt ist, dass ich das Reifenreglement super kompliziert finde. Es gibt viele Ideen."
"Wir können auf jeden Fall versuchen, das Reglement verständlicher zu machen, denn wenn es für uns schwierig ist, muss es für die Zuschauer super kompliziert sein! Wir sollten aus der Erfahrung lernen und versuchen, das Reglement zu verbessern, um etwas zu schaffen, das einem normalen Event ähnlicher ist."
Werden die Teams eine Änderung unterstützen? Das bleibt abzuwarten. Einige werden einen konservativeren Ansatz bevorzugen, der mehr Probeläufe vorsieht, während andere zweifellos Gründe haben werden, warum sie das Format aus medium, medium, soft einem etwas flexibleren Format vorziehen.
"Ich denke, wir befinden uns noch in der Findungsphase", sagt Mike Krack von Aston Martin. "Diese Regeln wurden eingeführt, um mehr Spektakel zu bieten."
"Als wir sie für Baku einführen wollten, hatten wir nicht viel Zeit, sie zu entwickeln. Man hat gesehen, dass sie auch für das Wochenende in Österreich verfeinert wurden. Und ich denke, wir entdecken immer mehr, welche Auswirkungen das hat."
"Alle Strategen sagen einem im Voraus, was in dieser oder jener Situation passieren kann. Aber ich denke, wir sollten nicht zu schnell Änderungen vornehmen, vielleicht ein Jahr warten, die nächsten vier Jahre abwarten, die noch kommen werden, und dann eine Überprüfung vornehmen und sagen, wo wir etwas anpassen müssen."
"Aber insgesamt ist es sehr intensiv. Wenn man solche Situationen mit so viel Freiheit hat, ist das sehr, sehr intensiv für das Team und die Mannschaft", weiß Krack.