• 30. Mai 2023 · 16:20 Uhr

Alpine-CEO Laurent Rossi: Management wird an Erfolgen gemessen

Nach dem Monaco-Wochenende sieht Laurent Rossi die Arbeitsmoral im Formel-1-Team von Alpine wieder intakt - Warum seine kritische Ansage nötig war

(Motorsport-Total.com) - In Monaco, dem größten Rennen des Jahres für den französischen Formel-1-Rennstall, zeigte Alpine eine starke Leistung. Schon das Qualifying verlief mit Esteban Ocon auf dem dritten und Pierre Gasly auf dem siebten Platz gut. Im Rennen hielten beide diese Positionen und festigten Platz fünf in der WM.

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Laurent Rossi sah in Monaco wieder das "alte" Alpine des Vorjahres Zoom Download

Das Timing für dieses Ergebnis könnte kaum besser sein - nur wenige Wochen, nachdem Alpine-CEO Laurent Rossi das Formel-1-Paddock mit scharfer Kritik an seinem eigenen Team in einem französischen Fernsehinterview überrascht hatte.

Nachdem sich Aston Martin im Jahr 2023 deutlich steigern konnte und Alpine nicht die erwarteten Fortschritte machte, so wie der Plan es vorsieht, hielt sich Rossi nicht zurück.

"Es ist enttäuschend. Genau genommen ist es wirklich schlecht", sagte er. "Die Leistungen am Saisonbeginn waren nicht gut, und unsere Arbeit als Team auch nicht. Uns fehlt viel, und das ist ganz offensichtlich. Unsere Position in der WM ist für die Ressourcen, die wir investieren, nicht ausreichend. Wir sind ziemlich weit - sehr weit, um genau zu sein - weg von dem, was unser Ziel für dieses Jahr ist."

Er fügte hinzu: "Mir fällt nicht nur auf, dass es uns offensichtlich an Leistungsfähigkeit mangelt und an Präzision in der Umsetzung. Sondern ich habe auch das Gefühl, dass die Einstellung im Team nicht auf dem Niveau ist, das früher mal geherrscht hat."

Er bezog sich dabei hauptsächlich auf operative Fehler, die das Team in Bahrain und Baku zurückwarfen, und weniger auf das allgemeine Leistungsniveau des Autos.

Erfolg in Monaco als wichtige Bestätigung

Doch auch wenn Alpine aktuell auf dem fünften Tabellenplatz in der WM liegt, ist das nicht die Position, die ein Werksteam mit großen Ambitionen einnehmen möchte, vor allem nicht nach mehreren Jahren eines laufenden Wiederaufbauprozesses.

Diese klare und öffentliche Kritik des Chefs lenkte die Aufmerksamkeit unweigerlich auf das Team aus Enstone und insbesondere auf Teamchef Otmar Szafnauer. Doch das starke Rennen in Monaco nahm etwas von dem Druck. Ein sichtlich erfreuter Rossi posierte gerne auf dem Teamfoto, um das Ergebnis zu feiern.

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Zwischen den beiden Fahrern feierte Rossi das starke Monaco-Ergebnis Zoom Download

Es schien eine Art Bestätigung zu sein: Das ist es, was ich gemeint habe und was ich möchte, dass ihr Jungs jedes Wochenende macht. Das Wichtigste für Rossi war, dass das Team in einem schwierigen Rennen alles richtig gemacht hat und die guten Startplätze mit beiden Autos in Ergebnisse umwandeln konnte.

"Ich stimme zu, ich denke, das ist extrem wichtig", resümiert Rossi nach dem Monaco-Erfolg. "Wir waren zunächst überrascht, dass viele Leute in einem Rennen, bei dem man ziemlich genau weiß, dass es ein Safety-Car geben könnte, die harte Reifenvariante gewählt haben. Das kann deine Strategie sehr schnell auf den Kopf stellen. Zumindest für die Leute, die in den Top 6 sind, ist es ein bisschen überraschend."

"Wir mussten uns also darauf einstellen. Wir mussten uns auf den Regen einstellen. Wir mussten uns auf die Tatsache einstellen, dass wir in gewisser Weise einzelne Autos waren, die von Duos angegriffen wurden", erklärt der Alpine-CEO.

"Wir hatten zwei Mercedes, die einen Undercut an Esteban versuchen konnten oder vice versa zwei Ferraris mit Gasly, und wir konnten nicht reagieren, weil wir zu weit weg waren."

Rossi: "Wir haben uns gut geschlagen"

Die Grundsituation war nicht einfach, aber das Team machte alles richtig: "Es war eine gute Aufgabe für das Team, die Boxenfenster von allen und das Verhalten von allen ständig zu überwachen. Als dann der Regen einsetzte, verkomplizierte das die Gleichungen. Und wir haben uns gut geschlagen."

"Wir hätten es auch wie Russell machen können und warten, warten, warten. Aber Russell hatte nichts zu verlieren, er war Achter und wäre im schlimmsten Fall Achter geworden, weil die Autos dahinter so weit weg waren. Es waren gewissermaßen zwei Klassen von Autos. Er hatte nur den Vorteil, auf den Regen zu warten."

"Für uns war es mit Pierre ein bisschen schwieriger. Wir wollten nicht alles verlieren. Am Ende des Tages ist es eine sehr gute Sache, die Positionen vom Samstag zu konservieren."

Insofern war es ein großartiges Wochenende für das Team und ein dringend benötigter Auftrieb, aber Rossi ist sich des größeren Bildes bewusst. Das Auto ist im Moment nicht schnell genug, also geht es darum, das Beste aus dem herauszuholen, was das Team hat, und die sich bietenden Gelegenheiten zu nutzen.

"Ja, es ist gut, es ist wichtig. Wir haben ein paar Punkte geholt, die wir dringend brauchen", sagt der Alpine-CEO. "Denn wir haben in den ersten Rennen nicht die Leistung gebracht, die wir hätten bringen sollen, und das war ja der Sinn meiner Aussage."

"Wir haben also sozusagen aufgeholt, eine Menge Punkte geholt, was uns hilft, zumindest den fünften Platz zu festigen. Das ist schön. Aber wir wollen nicht zu weit vorpreschen. Ich bezweifle, dass wir im Moment dritte Kraft sind. Wahrscheinlich werden wir nächste Woche in Barcelona zur natürlichen Reihenfolge zurückkehren. Ich würde schätzen, dass wir irgendwo zwischen sechs und zehn liegen werden.

"Und dann werden wir weiter das tun, was ich vom Team erwarte, nämlich operative Exzellenz liefern und eine andere Mentalität an den Tag legen, was die Analyse von Fehlern und deren Behebung angeht, um wieder so etwas Solides abzuliefern."

Rossi räumt ein, dass es nicht einfach sein wird, den A523 konkurrenzfähiger zu machen und regelmäßig mit der Konkurrenz von Mercedes und Ferrari mitzuhalten. Er ist jedoch zuversichtlich, dass man eine gute Richtung gefunden hat. "Was die Leistung des Autos angeht, so braucht das Zeit", sagt er.

"Es wird Upgrades geben. Wir können sehen, dass die Aerodynamik ausgereift ist. Jeder versteht das Auto besser. Wir haben eine Art Plateau erreicht. Jetzt geht es um den Rest - wie man mit dem Auto in jeder Situation umgeht und sicherstellt, dass man seine Leistung entfaltet. Das wird also der Rest der Saison sein."

"Die beiden Rennen in Miami und Monaco haben das Können und die operative Exzellenz gezeigt, die uns geholfen haben, 2021 Fünfter zu werden, als wir das sechstschnellste Auto hatten, und vergangenes Jahr Vierter, als wir das viertschnellste Auto hatten."

"Das war stark, das war solide. Und ich bin froh, dass das Team wieder auf dieses Niveau zurückgekehrt ist. Das ist Alpine. Und ich bin sicher, dass sie sehr stolz sind, und das können sie auch sein", lobt Rossi seine Mannschaft für den Fortschritt.

So erklärt Rossi sein harte Ansage ans Team

Seine öffentliche Schelte, die er noch vor wenigen Wochen äußerte, sei für die Teamleitung damals nicht überraschend gekommen, da sie bereits gewusst habe, was er dachte.

"Ich habe diese Botschaft auch individuell an die Leute weitergegeben", betont er. "Eine Sache, die man vergisst, ist, dass ich nicht der Teamchef bin. Ich verbringe nur noch einen kleinen Teil meiner Zeit mit der Formel 1, weil ich sehr fähige Manager an der Spitze von Alpine F1 habe. Ich habe ihnen also oft gesagt, was ich denke."

"Und dann wurde ich von Journalisten, Investoren, Leuten von außerhalb gefragt, ob ich damit zufrieden sei oder nicht, und was meine Diagnose sei, also muss ich das auch sagen. Sie dachten also, es sei an mein Team gerichtet, aber es war fast genauso an die externe wie an die interne Welt gerichtet", erklärt Rossi.

Und er ergänzt: "Vergessen Sie nicht, dass wir Teil eines börsennotierten Konzerns sind. Wir haben viele Partner, Sponsoren. Und die fragen sich manchmal, ob das Team auf den ersten Blick in die richtige Richtung geht. Man muss ihnen also auch die beruhigende Botschaft übermitteln, dass es jemanden gibt, der weiß, dass dies im Vergleich zu unseren Ambitionen unterdurchschnittlich ist."


CEO: "Alpine muss anderen Anspruch haben"

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Ralf Schumacher über den Zwischenfall in Miamiund über die aktuelle Situation im Alpine-Team. Weitere Formel-1-Videos

Aber hat er damit nicht auch ein klares Signal an Enstone gesendet? "Es war in der Tat auch für das Management gedacht", räumt Rossi ein. "Aber auch, um zu verstehen, dass die Welt da draußen eindeutig auf sie schaut, nicht nur auf mich."

"Ich habe zu meinen Sponsoren, Investoren und Aktionären gesprochen, aber auch in deren Namen. Man hat mich gebeten, eine Diagnose zu stellen, und ich habe es getan."

Kritik galt nicht nur Teamchef Szafnauer

Das Risiko bei solchen öffentlichen Äußerungen besteht darin, dass sie für Aufruhr und Unsicherheit im Team sorgen und Klatsch und Tratsch im Fahrerlager hervorrufen können. Rossi spielt jedoch die Auswirkungen seiner Worte herunter.

"Ich weiß nicht, was es bewirkt hat, um ehrlich zu sein. Ich konnte sehen, dass es an verschiedenen Orten sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. In den USA kam es gut an, in Frankreich war es gut, im Vereinigten Königreich vielleicht etwas weniger."

"Das ist in Ordnung, solange es die gewünschte Wirkung erzielt. Die Mannschaft weiß, was ich von ihr halte. Ich habe ihnen immer wieder gesagt, dass ich viel von ihnen halte. In meinem Interview habe ich sogar gesagt, dass ich weiß, wozu diese Mannschaft fähig ist. Sie haben es vergangenes Jahr gezeigt. Ich war nur enttäuscht."

"Es war also eine sehr einfache Botschaft, die jeder, der die Tabelle lesen kann, verstehen kann. Sie haben mich einfach gefragt: Warum sind wir dort? Und ist es zufriedenstellend? Und das sind die Gründe", so Rossi. Seine Äußerungen führten unweigerlich zu Spekulationen, dass Szafnauers Job in Gefahr sein könnte.

Sein Amt hatte er erst vor etwas mehr als einem Jahr angetreten. Zuvor hatten erst Cyril Abiteboul und dann Marcin Budkowski das Enstoner Team kurz hintereinander verlassen.

Rossi leitete die Suche nach Ersatz, die zur Einstellung von Szafnauer führte, und war damals der festen Überzeugung, dass er der perfekte Mann für den Job sei. Heute betont er, dass seine Botschaft nicht nur an den Teamchef gerichtet war.

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Rossis kritische Worte waren nicht allein an Teamchef Otmar Szafnauer gerichtet Zoom Download

"Weil ich das sagte, entstand der Eindruck, dass Otmars Position in Gefahr wäre", sagt Rossi. "Es ist einfach eine Mahnung an alle Verantwortlichen, wobei Otmar der oberste Verantwortliche ist, aber sicher nicht der einzige. Otmar entwirft das Auto nicht, er steuert das Auto nicht. Er ist der Mann, der alles zusammenhält."

"Es war also nur eine Erinnerung an sie, dass sie Ziele haben und dass sie an diesen Zielen gemessen werden. So einfach ist das. Ich hatte nicht vor, Otmar wegzuschicken, nachdem ich das nach nur einem Rennen gesagt hatte", hält Rossi fest.

"Wie ich mit Luca (de Meo, Chef der Renault-Gruppe), und wie jeder andere im Alpine-Team, haben wir eine Aufgabe zu erfüllen, jeder von uns. Es ist eine Liste von Aufgaben. Und wir werden mittel- bis langfristig an diesen Aufgaben gemessen werden."

Es hat bereits Änderungen im Team gegeben

Am Freitag in Monaco auf die Situation angesprochen, betonte Szafnauer, dass es im Team Veränderungen gibt. Aber er wollte keine Details nennen - ebenso wenig wie Rossi. "Ich würde mich dazu nicht äußern, weil es nicht mein Vorrecht ist. Das würde zu weit gehen", hält sich der Alpine-CEO zurück.

"Das ist sein Aufgabenbereich. Es ist seine Organisation. Natürlich teilt er mir diese Änderungen mit, zumindest die auf höchster Ebene, denn ich brauche keine Details über die Feinheiten. Die Veränderungen sind natürlich im Gange", so Rossi.

"Sie waren notwendig. Aber um ehrlich zu sein, wussten wir, dass wir Änderungen vornehmen würden, weil wir das schon im vergangenen Jahr getan haben. 'Mountain Climber', unser Programm, um wieder an die Spitze zu kommen, ist ein kontinuierlicher, sich ständig weiterentwickelnder Prozess."

"Die neuen Leute, die kommen, werden das Team verstärken. Aber mit neuen Leuten verschiebt man manchmal Dinge, um ihnen einen Bereich zu geben, den es vielleicht schon gab oder den es noch nicht gab, oder man teilt mehrere Bereiche auf."

"Meine Botschaft war kein Aufruf zur Veränderung. Es war ein Aufruf, zu erkennen, dass wir nicht da sind, wo wir sein sollten. Und dass es ein paar Dinge gibt, die wir nicht tun. Aber für die zugrunde liegende Arbeit wissen sie besser, was zu tun ist."

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