Mick Schumacher pfeift auf Plan B: "Das Ziel wird immer die Formel 1 sein"
Mick Schumacher ist bei Mercedes angekommen: Was George Russell von ihm erwartet und wie Toto Wolff helfen kann, die Karriere wieder in Schwung zu kriegen
(Motorsport-Total.com) - Mick Schumacher hatte am Mittwoch bei der Präsentation des Mercedes F1 W14 für die Formel 1 2023 seinen ersten offiziellen Auftritt als Test- und Ersatzfahrer seines neuen Rennstalls. Und während zumindest die mediale Berichterstattung rund um sein Verhältnis zum Haas-Team in der Vergangenheit belastet war, beginnt das neue Kapitel in seiner Karriere mit positiven Vibes.
Schumachers neuer Teamchef Toto Wolff beschreibt die Zusammenarbeit mit dem 23-Jährigen als "wirklich positiv" und streicht ausdrücklich den "Input, den er bringt, auch schon bei seiner Simulatorarbeit", hervor.
"Er sieht das auch sehr positiv. Ich habe ihn im Simulator mal besucht, und da hat auch er gesagt, das bietet ihm jetzt erstmalig die Möglichkeit, auch wirklich an seinem eigenen Fahren weiter zu tüfteln, und wie man den Reifen fährt."
"Dieses Feedback geht natürlich auch in die andere Richtung, was das Team davon lernt. Ich glaube, das ist unheimlich wichtig, dass wir einen Test- und Reservefahrer haben, der diese Erfahrung hat, dieses Auto oder diese Generation von Formel 1 gefahren ist, mit den Reifen. Das ist auch ein richtiges Asset für uns im Team", betont Wolff.
Mercedes-Stammfahrer George Russell schlägt in die gleiche Kerbe: "Mick ist schon zwei Jahre Formel 1 gefahren, bei einem anderen Team, mit einem anderen Motor (Ferrari; Anm. d. Red.). Da werden Dinge anders gemacht, und ich bin mir sicher, dass er uns da nützlichen Input liefern kann."
Russell: Könnte keinen Besseren als Mick geben
"Aber das, wo uns Mick mit seinem Wissen am meisten helfen kann, ist sicher im Simulator. Wir haben einige großartige Simulatorfahrer, aber einige von denen sind noch nie in einem Formel-1-Auto gesessen. Es braucht aber diese Korrelation, und es könnte mit Mick und seiner Erfahrung keinen besseren Fahrer geben, der das Auto für uns entwickelt", sagt Russell.
Aber das ist keine Einbahnstraße. Schumacher selbst erklärt zwar, dass er bisher seine Rundenzeiten im Simulator noch nicht konkret mit den Referenzen von Superstar Lewis Hamilton vergleichen konnte. Das sei auch "eher sekundär". Doch "von der Herangehensweise kann ich da sehr viel lernen von Lewis, der sehr viel Erfahrung hat". Und das nicht nur im Simulator.
Denn Schumacher wird das Mercedes-Team auch an den Rennwochenenden begleiten, bei allen wichtigen Briefings dabei sein und den etablierten Stammfahrern dabei über die Schultern schauen können. Und sollte sich der Veganer Hamilton "eine Avocadovergiftung" einfangen, wie Toto Wolff grinst, dann würde er mutmaßlich sogar im Renncockpit sitzen.
Ralf Schumacher: Vier Chancen sind besser als zwei
Das wünscht sich bei Mercedes natürlich keiner. Und auch Schumacher wünscht keinem seiner Kollegen einen krankheits- oder verletzungsbedingten Ausfall. Weil er aber im Zuge seiner Mercedes-Tätigkeit auch bei McLaren zum Kader der Ersatzfahrer gehört, stellt sein Onkel Ralf Schumacher im 'Sky'-Interview fest: "Bei vier [Autos] ist die Chance, dass er vielleicht mal fahren kann, größer."
Klar ist: Schumacher hat zumindest "im Moment", wie er sagt, keinen Plan B. "Mein Ziel ist auf jeden Fall, in der Formel 1 zu bleiben. Das Ziel wird auch immer die Formel 1 sein", stellt er klar. "Wann Gespräche anfangen, wann welches Team, was auch immer, das wird sich wohl im Laufe der nächsten Wochen und Monate zeigen."
Wie Toto Wolff vielleicht helfen kann
Und dabei kann ihm womöglich auch Toto Wolff helfen. Der Mercedes-Teamchef war früher auch ins Management von Nachwuchsfahrern involviert und brachte nicht nur Talente wie Valtteri Bottas und George Russell zu Mercedes, sondern verhalf auch dem ehemaligen Mercedes-Junior Esteban Ocon zu einem Renncockpit bei Renault/Alpine. Alle drei sind heute Grand-Prix-Sieger.
"Toto hat auf jeden Fall extrem viel Erfahrung", sagt Schumacher. "Nicht nur mit den Junioren, sondern auch insgesamt. Von daher ist es natürlich schön, auch die Chance zu haben, jetzt mit ihm zu arbeiten und auch nah zusammenzuarbeiten. Natürlich kann ich von seiner Erfahrung nur profitieren, und dann hoffentlich mit seiner Hilfe auch die richtigen Schritte einleiten."
Der erste offizielle Auftritt im Mercedes-Look war für Schumacher mit gemischten Gefühlen verbunden. Beim Launch des W14 in die Kameras zu lächeln, räumt er im Interview mit 'Sky' ganz offen ein, das sei auch "irgendwo schwierig" gewesen, "weil ich natürlich sehr, sehr gern selber fahren würde".
Aber insgesamt sei er bei seinem neuen Arbeitgeber "sehr, sehr happy", und er empfindet es "als Privileg, Teil von Mercedes zu sein. Noch mehr als das ist es ein Platz, an dem ich mich immer zuhause gefühlt habe. Was das Rennfahren betrifft, ist es vielleicht nicht der Schritt, den ich mir erhofft hatte. Aber ich denke, ich kann hier definitiv mein Fahren verbessern und beweisen, dass ich auch ein guter Rennfahrer bin."
Mick Schumacher: Es gibt schon Interesse
Garantien für ein Renncomeback gebe es nicht, "aber ich befinde mich jetzt in einer guten Position, in der ich lernen kann, das Maximum aus dem Auto herauszuholen, auch wenn ich nicht selbst fahre. Ich bin mir sicher, dass sich mit den Ergebnissen, die ich in den Nachwuchsformeln, aber auch in der Formel 1 hatte, Möglichkeiten ergeben werden. Und über den Winter haben schon ein paar Leute erwähnt, dass Interesse besteht."
Um konkret einzugrenzen, wohin Schumacher sein Karriereweg nach Mercedes führen könnte, ist es derzeit noch zu früh. Doch er unternimmt alles, um sich in Schuss zu halten und an der Seitenlinie nicht einzurosten. Im Winter ist er nicht nur Kart gefahren, sondern er hat auch Formel 3 getestet. Und: "Ich habe vor, dieses Jahr viel zu fahren, mit vielen verschiedenen Autos." Nur eben keine Rennen.
Ganz andere Möglichkeiten als bei Haas
Für diese Weiterentwicklung als Fahrer bietet ihm Mercedes ganz andere Möglichkeiten als Haas. Schumacher sagt: "Wir vergleichen ein Team, das ungefähr 300 Mitarbeiter hat, mit einem Team, das ungefähr 1.500 Mitarbeiter hat. Vergleichbar ist das nicht. Mercedes ist ein Weltmeisterteam. Dementsprechend ist das ein guter Platz, um mich weiterzuentwickeln, zu lernen und auch von ihrer Erfahrung zu profitieren."
"Ich kann jetzt nicht nur von einem Teamkollegen lernen, sondern ich habe zwei, denen ich zuschauen kann, wie sie die Dinge angehen. Ich sehe in den Telemetriedaten, was sie machen. Ich sehe, wie sie ihre Werkzeuge einsetzen, wenn das Auto zum Beispiel übersteuert, wie sie ihren Fahrstil anpassen. Davon kann ich lernen, um dann ready zu sein, wenn ich es brauche."
Eine Konstellation, die sein Onkel Ralf in der Funktion als 'Sky'-Experte als "Optimum" beschreibt - für beide Seiten: "Für die Teams ist es super, jemanden wie Mick zu haben, der sich auskennt, der die Strecken kennt, der frisch aus dem Auto kommt, der auch immer bei Mercedes up to date ist." Und dass Mick zumindest in einem alten Mercedes "ein bisschen fahren" kann, das sei "auch super".