George Russell: Pierre Gasly "hat keine Sperre verdient"
Warum Formel-1-Fahrer George Russell Partei ergreift für seinen Fahrerkollegen Pierre Gasly, dem bei einem weiteren Regelverstoß eine Rennsperre blüht
(Motorsport-Total.com) - Pierre Gasly hat ein Problem, denn er steht aktuell bei zehn Strafpunkten auf seiner Formel-1-Lizenz. Das bedeutet: Fängt er sich weitere zwei Strafpunkte ein, folgt automatisch eine Sperre für den folgenden Grand Prix. Das hält sein Formel-1-Kollege George Russell aber für nicht richtig.
"Ich würde sagen, die Strafe passt nicht zum Vergehen. Vor allem nicht im Fall von Pierre", sagte Russell am Rande des Brasilien-Grand-Prix 2022 in Sao Paulo.
"Er hat ein paar Punkte für Vergehen hinter dem Safety-Car oder in Trainings erhalten. Wenn etwas zu einer Rennsperre führen sollte, dann müsste es schon etwas wirklich Rücksichtsloses und Gefährliches sein. Sowas verbinde ich aber nicht mit Pierre."
Wofür Gasly seine Strafpunkte erhalten hat
Was also hat sich Gasly im Einzelnen zuschulden kommen lassen? Er hat in Spanien und in Österreich je zwei Strafpunkte erhalten für Kollisionen, einen weiteren Strafpunkt in Österreich für einen Tracklimits-Verstoß. Zwei Strafpunkte kamen in Japan dazu für zu hohe Geschwindigkeit unter Rot. (Mehr dazu in unserer Strafpunkte-Übersicht!)
Es folgten erneut zwei Strafpunkte für einen fehlerhaften Abstand hinter dem Safety-Car in den USA sowie ein weiterer Strafpunkt in Mexiko durch eine Vorteilnahme abseits der Strecke. Macht insgesamt zehn Strafpunkte seit Mai 2022, und die ersten davon verfallen erst wieder im Mai 2023.
Weshalb Russell eine Sperre als nicht korrekt empfinden würde
Russell als ein Direktor der Formel-1-Fahrergewerkschaft (GPDA) meint dazu: "Ich hoffe, Pierre kommt ohne Rennsperre davon, weil er sicherlich keine Sperre verdient. Und falls er doch auf die zwölf Strafpunkte kommt, dann muss es eine Ausnahme geben. Denn die Regeln sind da aktuell nicht korrekt."
Dieser Eindruck sei nicht neu, betont Russell. "Wir [Fahrer] haben schon rund um Barcelona darüber gesprochen. Da hatten ein paar Fahrer Strafpunkte gekriegt, praktisch für nichts."
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Russell wünscht sich mehr Fingerspitzengefühl seitens der Verantwortlichen und meint: "Kleinere sportliche Vergehen sind nicht gefährlich, als dass sie in eine Rennsperre münden sollten. Sowas sollte nur für gefährliches und rücksichtsloses Fahren verhängt werden."
Fahrer drängen auf Regeländerungen für 2023
Gasly denkt wenig überraschend ähnlich, hat bereits angedeutet, der Weltverband habe hier Gesprächsbereitschaft signalisiert vor der Formel-1-Saison 2023. Russell will Ähnliches erfahren haben: "Man uns in Aussicht gestellt, es würde im Winter Gespräche geben, man würde die Sache auf den Prüfstand stellen."
"Es gibt nach dieser Saison in vielerlei Hinsicht Anlass, ein paar Dinge zu hinterfragen. Dem Weltverband wird es in der Winterpause also sicher nicht langweilig werden", sagt Russell.
"Ich finde, in unserem Sport muss man die Bereitschaft haben, sich anzupassen. Es gibt diese Regeln, aber es braucht nur einen Vorfall, um zu erkennen, dass die Regeln vielleicht nicht ganz korrekt sind. Wir brauchen die Möglichkeit, solche Sachen zu ändern oder nachträglich Strafpunkte zu entfernen, wenn wir uns alle einig sind, dass es nicht korrekt war."
Aber: Russell lobt Vorgehen bei Verwarnungen
Es sei aber nicht alles schlecht, sagt Russell weiter. Er lobt zum Beispiel das Vorgehen des Weltverbands bei Verwarnungen. Das sei ein "ziemlich gutes System", wenngleich er sich "eigentlich nicht sicher" sei, "wie es da läuft", so Russell.
"Wie ist es? Fünf Verwarnungen und dann folgt eine Startplatz-Strafe? Ich finde, das funktioniert recht gut."
Die Regeln besagen in der Tat, dass auf eine fünfte Verwarnung in einer Saison eine Strafversetzung um zehn Positionen folgt, allerdings nur, wenn vier Verwarnungen für fahrerische Vergehen ausgesprochen wurden. Und anders als bei den Strafpunkten werden Verwarnungen nach Abschluss einer Saison jeweils gelöscht.