Warum Williams Russells Mercedes-Wechsel unterstützt hat
Williams verliert am Ende der Formel-1-Saison George Russell in Richtung Mercedes - Warum das Team Russells Abgang unterstützte und was man von Alex Albon erwartet
(Motorsport-Total.com) - Nach drei gemeinsamen Jahren trennen sich am Ende der Formel-1-Saison die Wege von Williams und George Russell. Der Brite darf den Aufstieg zum Mercedes-Werksteam vollziehen und ersetzt beim Weltmeisterteam der vergangenen sieben Jahre Valtteri Bottas. Russells Platz bei Williams übernimmt der Thailänder Alexander Albon, der nach einem Jahr im Wartestand wieder ein Stammcockpit erhält und sich dafür sogar von Red Bull löst.
Williams-Chef Jost Capito gibt zu, dass es im Team keine Freudensprünge gegeben habe wegen Russells Abgang. Zu stark hatte der Brite sich präsentiert und damit seinen Anteil am Aufschwung des Traditionsteams. Doch gleichzeitig war dem Team klar, dass dieses Szenario eintreffen kann.
"Natürlich wussten wir das ganze Jahr über, dass wir ihn an Mercedes verlieren könnten, weil sein Vertrag auslief. Und er hat im vergangenen Jahr bei Mercedes einen brillanten Job gemacht, sodass es offensichtlich war, dass sie George nehmen wollten. Und sie hatten das Recht dazu", sagt Capito. Schon länger gilt Russell als möglicher Kronprinz von Lewis Hamilton bei Mercedes.
Capito: Russell wäre bei Williams nicht glücklich gewesen
Wenngleich Williams Russell gerne behalten hätte, so unterstützte Capito seinen Fahrer sogar dabei, sich seinen Traum zu erfüllen. "Ich bin sehr dafür, Fahrer zu unterstützen, auch wenn es nicht das Beste für das Team ist", sagt er: "Wenn George gesehen hätte, dass er bei Mercedes hätte fahren können, aber bei Williams geblieben wäre, wäre er kein glücklicher Fahrer gewesen und hätte nicht die Leistung erbracht, die er erbringen kann."
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Deshalb habe das Team ihn "mit seinem Talent und seiner Erfahrung unterstützt, damit er in dem Auto sitzt, mit dem er in den letzten Jahren die Meisterschaft gewonnen hat, und in dem Team, das die Meisterschaft gewonnen hat", führt er weiter aus. Bei der Suche nach einem Nachfolger hatte Capito dann recht schnell die Qual der Wahl.
"Es gab eine ganze Reihe von Optionen. Es ist schwierig, eine Zahl zu nennen, denn die Optionen kamen und gingen, sodass wir am Ende zwischen einer ganzen Reihe von Möglichkeiten wählen konnten: langjährige Erfahrung, Erfahrung und Jugend oder nur Jugend und keine Erfahrung in der Formel 1", schildert Capito.
Russell machte sich für Albon stark
Die Wahl fiel schließlich auf Albon und damit auf die Mischung aus Erfahrung und Jugend. Auch Formel-E-Weltmeister Nyck de Vries stand zur Wahl, zog aber den Kürzeren. "Es ist eine schwierige Entscheidung, denn es gibt eine ganze Reihe von wirklich guten Fahrern, die alle einen Platz in der Formel 1 verdient hätten", gibt Capito zu.
Zumindest einen kleinen Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers hatte auch Russell. Er und Albon sind seit mehreren Jahren eng befreundet, entsprechend rührte Russell die Werbetrommel für seinen Kumpel.
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"Ich habe in dieser Saison eine sehr enge Beziehung zu George aufgebaut, und wir arbeiten sehr gut zusammen, und natürlich hat er mir gesagt, was er von Alex hält und dass sie auch persönlich befreundet sind", erklärt Capito. Doch der 62-Jährige musste sich auch über den Tellerrand der persönlichen Befindlichkeiten hinaus Gedanken machen.
Capito fordert mehr Freiheit für die Fahrer
"Ich musste also einerseits anerkennen, was George über Alex denkt, andererseits musste ich aber auch sehr rational vorgehen, um zu beurteilen, welcher Fahrer der richtige für uns ist", sagt er.
Schlussendlich überzeugte das Gesamtpaket Albon - zum Missfallen von Mercedes und deren Teamchef Toto Wolff. Dass keiner der eigenen Fahrer gewählt wurde, ist eine Sache. Aber das ausgerechnet ein Red-Bull-Zögling nun mit Mercedes-Motoren unterwegs ist und möglicherweise Wissen abfließt, sorgte nicht für beste Laune.
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Mit Blick auf die Cockpitbesetzungen erhofft sich Capito, dass sich dieses Lagerdenken auflöst. "Wir müssen offen dafür sein, dass die Fahrer die sich bietenden Gelegenheiten wahrnehmen können, und dass die Teams sich für die Fahrer entscheiden können, von denen sie glauben, dass sie das Beste für das Team sind. Und ich denke, es muss ein bisschen mehr Offenheit und Freiheit geben", fordert er.
Capito: Albon wird bei Williams aufblühen
Offiziell wird Albon ohnehin mit Jahresende aus dem Red-Bull-Kader entlassen, gleichzeitig besteht aber auch weiterhin eine Beziehung. Zumindest 2022 hat Red Bull aber keinen Zugriff auf Albon mehr, im kommenden Jahr ist der Thailänder voll und ganz Williams-Pilot.
Anpassungsprobleme erwartet Capito nicht, schließlich setze er bei Williams auf eine ganz besondere Atmosphäre. "Ich weiß nicht genau, wie es bei Red Bull ist. Aber ich weiß, dass wir hier eine Atmosphäre haben, in der wir die Fahrer glücklich machen wollen. Und ich glaube, dass man das Beste aus den Fahrern herausholen kann, wenn sie sich sicher fühlen, wenn sie sich im Team wohlfühlen, wenn sie das Herz im Team spüren", sagt er.
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Capito betont, er habe "viele Fahrer gesehen, die in dem Team, zu dem ich gehörte, aufblühten, also bin ich sicher, dass Alex das auch kann", stellt er klar. Albon erhielt von Red Bull in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Lob, wie er dem Team bei der Entwicklung für 2022 geholfen habe. Auch seine Leistungen in der DTM kamen gut an.
Albon schlechter als Russell? Capito realtiviert
Doch wie groß ist der Leistungsunterschied zwischen Russell und Albon? Macht Williams bei der Fahrerbesetzung einen Schritt zurück? "Das ist schwierig zu sagen", sagt Capito. Der oftmals als gravierend dargestellte Unterschied zwischen Russell und Nicholas Latifi sei zumindest schon einmal deutlich kleiner als beschrieben.
"Ich glaube nicht, dass der Abstand so groß ist, wie alle glauben oder wie es aussieht. Nicky hatte in dieser Saison ein paar Probleme im Qualifying, die nicht von ihm verursacht wurden", erklärt Capito.
Zuletzt in Monza waren Russell und Latifi nahezu identisch unterwegs. "Und ich bin mir absolut sicher, dass Alex sich ebenfalls sehr schnell im Team etablieren und sein Bestes geben kann. Ich bin also absolut überzeugt, dass wir nächstes Jahr zwei sehr starke Fahrer haben werden", blickt er voraus.