Ferrari: So deutlich ist der Aufschwung in diesem Jahr wirklich
Ferrari erlebt in der laufenden Formel-1-Saison einen deutlichen Aufschwung - Teamchef Mattia Binotto erklärt die Zahlen, die den Fortschritt belegen
(Motorsport-Total.com) - Nach dem historischen Absturz in der vergangenen Saison befindet sich Ferrari in der laufenden Formel-1-Saison wieder im Aufwind. Die Scuderia kämpft mit McLaren um Rang drei in der Konstrukteurs-WM, davon waren die Italiener im Vorjahr noch weit entfernt. Wie deutlich der Schritt ist, den Ferrari in verschiedenen Bereichen gemacht hat, lässt sich dabei an einigen Zahlen ablesen.
Zu allererst lohnt natürlich der Blick auf den WM-Stand. Nicht nur die Platzierung ist im Vergleich zu Rang sechs im Vorjahr klar besser. Auch die Punkteausbeute spricht eine deutliche Sprache. Nach elf Rennen steht Ferrari dank der beiden Fahrer Charles Leclerc und Carlos Sainz bereits bei 163 Punkten.
Zum Vergleich: Im Vorjahr sammelte Ferrari in den 17 Rennen der verkürzten Corona-Saison insgesamt 131 Punkte. Nach elf Rennen standen die Roten sogar erst bei 80 Punkten. "Es ist mehr als das Doppelte bei derselben Anzahl an Rennen. Wenn wir uns das gesamte Feld ansehen, sind wir diejenigen, die sich am meisten verbessert haben", stellt Teamchef Mattia Binotto zufrieden fest.
Ferrari: Rückstand zur Spitze halbiert
Nun kommen solche Fortschritte in der Punktetabelle nicht von ungefähr, sondern sind auch ein Indikator dafür, dass sich die Leistung des Autos deutlich verbessert haben muss. Hier liefert Binotto einige Kennzahlen.
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"Wenn wir auf die pure Performance der Autos blicken - nehmen wir also das Qualifying, denn dort sind wir alle am Maximum -, und uns den Durchschnitt ansehen, dann waren wir 1,4 Sekunden weg", so Binotto mit Blick auf 2020: "Heute sind wir 0,7 Sekunden weg."
Zwar sei sich Ferrari bewusst, dass auch 0,7 Sekunden noch immer eine Menge sind. "Aber wir haben die Lücke zu den Besten halbiert. Das macht uns Mut, denn es zeigt, dass die Richtung stimmt", stellt er klar.
Deutliche Verbesserung bei den Boxenstopps
Ein weiterer Faktor, bei dem Ferrari laut Binotto deutliche Fortschritte erzielt habe, seien die Boxenstopps. Hier gehe es nicht nur darum, schnell zu sein, sondern konstant. "Ich sage immer, ein Boxenstopp unter drei Sekunden ist im grünen Bereich", so der 51-Jährige.
"Drei Sekunden klingt viel, aber ich sage immer, für die Strategie ist es wichtig, konstant zu sein. Nicht nur schnell, sondern konstant. Oftmals ist es so, wenn man ein Problem hat und der Stopp fünf oder sechs Sekunden dauert, dann wird es schwierig", erklärt er.
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Also sei wichtig, bei so vielen Stopps wie möglich unterhalb der Drei-Sekunden-Marke zu liegen. Und auch da sei die Verbesserung signifikant. "Bislang sind es 84 Prozent, im vergangenen Jahr waren es 48 Prozent", rechnet Binotto vor.
Binotto: Rückstand noch in verschiedenen Bereichen
Dies sei ein Beleg für eine verbesserte Qualität der Boxenstopps, auch im Vergleich zu den anderen Teams. "Wenn wir auf diesen Prozentsatz der Boxenstopps unter drei Sekunden blicken, dann waren wir im vergangen Jahr auf Platz acht, sieben Teams haben es also besser gemacht. Heute sind wir auf Platz zwei. Also nur ein Team war beim Prozentsatz der Stopps unter drei Sekunden besser", stellt er klar.
Vom eigenen Anspruch, um den Titel mitzufahren, ist Ferrari aber noch immer ein Stück entfernt - laut Binotto ebenjene 0,7 Sekunden. "Ich denke, diese 0,7 Sekunden kommen nicht nur aus einem Bereich, es ist die Summe aus verschiedenen Bereichen. Es ist die Summe aus Aerodynamik, Powerunit und anderen Systemen des Autos", sagt er. Für die Powerunit soll noch im Saisonverlauf ein großes Update folgen.
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Doch auch in dieser deutlich stärkeren Saison als noch im Vorjahr blieb Ferrari nicht von Rückschlägen verschont. In Frankreich erlebte die Scuderia ein Horrorrennen und fiel aufgrund eines viel zu hohen Reifenverschleißes mit beiden Fahrern aus den Punkten. Danach folgte eine gründliche Analyse.
Gründliche Analyse nach Frankreich-Desaster
"Wir haben in Maranello versucht, uns der Frage zu nähern: Haben wir ein Problem an unserem Auto, das zu diesem Reifenverschleiß führt?", sagt Binotto. Die Analyse auch der Rennen zuvor habe gezeigt, dass Ferrari grundsätzlich einen höheren Verschleiß an der Vorderachse habe als viele andere Teams. Nur der Grund war nicht klar.
"Wir haben damals versucht, die Parameter des Fahrzeugkonzepts, wie Aufhängungsgeometrie, Gewichtsverteilung oder was auch immer, zu verändern", schildert Binotto. Zahlreiche Simulationen folgten.
"Dann haben wir an der Abstimmung gearbeitet. Man hat also ein Auto, das so ist, wie es ist, was die Abstimmung in Bezug auf das Design und dergleichen angeht, aber man kann auch verändern, was man kann: Spur, Sturz, Steifigkeit, Gewichtsverteilung, Gewichtsbalance, Aerobalance, um zu sehen, ob man irgendwie versuchen kann, die Situation in Bezug auf den Reifenverschleiß zu kopieren", so Binotto.
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Schlussendlich fand Ferrari heraus, dass das Set-up, das das Team wählte, um die Hinterreifen zu schonen, zu Untersteuern führte. "In den folgenden Rennen haben wir versucht, eine bessere Balance zwischen Über- und Untersteuern zu finden. Wir haben versucht, vorne weniger zu rutschen und die Reifen in dieser Hinsicht zu schonen", erklärt er. Der Erfolg war sichtbar: die Probleme aus Frankreich traten nicht mehr auf.
Leclerc und Sainz als perfekte Paarung
Doch welche Rolle spielt die Fahrerbesetzung für den Erfolg? Während Leclerc geblieben ist, musste Sebastian Vettel das Team verlassen und wurde durch Sainz ersetzt. Für Binotto ein ganz wichtiger Schachzug. Für ihn habe Ferrari nun die beste Fahrerpaarung im Feld.
"Sie sind beide sehr jung, was großartig ist, weil wir versuchen, eine solide Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Aber sie haben auch bereits eine gewisse Erfahrung", hebt Binotto die Mischung hervor, die beide mitbringen würden.
Leclerc habe "großes Potenzial", das er jedoch noch gar nicht vollends abgerufen habe. "Carlos hat sich sehr gut in die Mannschaft integriert. Und ich denke, dass die Integration der Fahrer untereinander, sowohl was die Stimmung angeht, als auch die Integration auf der Rennstrecke und der Ingenieure in Maranello, sehr gut funktioniert", meint Binotto.
Dass beide in der WM nahezu gleichauf liegen, sei für die kommenden Jahre ein gutes Zeichen, betont Binotto. "Ich habe immer gesagt, dass man für den Gewinn des Konstrukteurstitels eine gute Leistung beider Fahrer braucht. Und ich denke, dass wir genau das jetzt zeigen", sagt er.