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Vier Reifentricks: Diese Grauzonen schließt die FIA ab Frankreich
Mit einer neuen Technischen Richtlinie verhindert die FIA in vier Grauzonen, dass die Teams weiter mit den Reifendrücken tricksen können
(Motorsport-Total.com) - Pirellis vorsichtig formuliertes Statement zu den Reifenschäden beim Formel-1-Rennen in Baku mag zwar den Teams nicht explizit die Schuld zugewiesen haben, doch die Stärke der Maßnahmen der FIA sagt uns alles, was wir wissen müssen.
Pirelli sprach nur pauschal von "Betriebsbedingungen" als Ursache für die Reifenschäden bei Red Bull und Aston Martin, doch dass die FIA rasch neue Maßnahmen einführte, ist ein klares Anzeichen für die Bereiche, in denen man die Tricks der Teams vermutet.
Die FIA verschickte am Dienstag eine umfangreich überarbeitete Technische Richtlinie, bei der klar wurde, dass die Reifendrücke im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Sicher, es gibt keine Vorwürfe, dass Red Bull oder Aston Martin etwas Illegales getan haben. Aber die Änderungen zum Frankreich-Grand-Prix an diesem Wochenende geben einen deutlichen Hinweis, was gemacht wurde.
Dass Red Bull betont hat, dass man sich an die Regeln und Pirellis Vorgaben gehalten hat, mag korrekt sein, Teil des Problems ist jedoch, dass es in der aktuellen Situation einige Grauzonen gibt.
Die Drücke werden lediglich gemessen, wenn die Reifen ans Auto kommen, zudem gibt es lediglich eine Grenze für die Temperatur in den Heizdecken. Das gibt den Teams noch Raum für Möglichkeiten, nachdem die Überprüfungen absolviert wurden.
Wenn ein Team es schaffen sollte, die Drücke zum Zeitpunkt des Herausfahrens aus der Garage unterhalb der Pirelli-Vorgaben zu bekommen und sie dann beim Fahren nicht zu stark ansteigen zu lassen, dann wäre man absolut innerhalb der Regeln, aber nicht auf einem psi-Level, das Pirelli normalerweise erwarten würde.
Indem wir schauen, was die FIA für den Frankreich-Grand-Prix tut und welche neuen Grenzwerte es gibt, können wir vielleicht einige Hinweise bekommen, welche Tricks für Performance-Zugewinne angewendet wurden.
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Doch egal was die Teams tun oder nicht tun: Die neuen kalten Checks nachdem die Reifen vom Auto entfernt wurden, sollten jegliche Tricksereien unterbinden. Wir schauen auf vier Theorien, was die Teams getan haben könnten, was aber nicht länger erlaubt ist.
Die Heizdecken zu früh entfernen
Der offensichtlichste Weg mit Reifendrücken zu spielen, ist über die Temperatur. Wenn die Luft im Reifen erhitzt wird, dehnt sie sich aus und erhöht so den Druck, um die Tests zu bestehen. Wenn sie dann wieder abkühlt, zieht sie sich zusammen und der Reifendruck sinkt auf ein Niveau, das der Performance des Autos entgegenkommt.
Schon vor einigen Jahren unterband die FIA, dass Teams die Reifen zu stark erhitzen, indem man ein Limit einführte, wie stark die Reifen in der Heizdecke erwärmt werden können. Das hat einige Teams aber nicht davon abgehalten, die Reifen weiter so stark wie möglich zu erhitzen, um sie dann so stark wie möglich abzukühlen, bevor es auf die Strecke geht.
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Eine Möglichkeit dabei ist, die Heizdecken schon weit vor der Ausfahrt aus der Garage zu entfernen. Das hatte Lewis Hamilton in Monaco angesprochen, als er sagte, dass Red Bull das in Spanien gemacht hatte.
"Wenn man zum Beispiel auf das letzte Rennen schaut: Da sollten wir alle unsere Heizdecken im Qualifying aufbehalten", sagte er. "Red Bull durfte ihre aber abnehmen - aber kein anderer. Wir müssen sicherstellen, dass es für alle gleich ist."
Ab dem Rennen in Frankreich ist das nicht mehr erlaubt. Den Teams wurde mitgeteilt, dass ein Entfernen der Heizdecken weit vor der Ausfahrt aus der Garage als Versuch, die Reifen zu kühlen, interpretiert wird.
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In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken... Fotostrecke
Die Richtlinie besagt: "Das Entfernen von Heizdecken, wenn die Reifen noch nicht am Auto montiert sind, ihr vorzeitiges Entfernen mit montierten Reifen am Auto oder das Verzögern der Freigabe eines Autos aus der Garage ohne triftigen Grund mit entfernten Reifendecken wird als Kühlung der Reifen gewertet."
"Die Teams müssen für jede verzögerte Freigabe von mehr als 30 Sekunden oder für häufige verzögerte Freigaben einen triftigen Grund nachweisen."
Einen Spielraum nutzen
Teams mussten zwar immer von Pirelli kalibrierte und von der FIA versiegelte Messinstrumente nutzen, das hat sie in der Theorie aber nicht davon abgehalten, Spielräume in den Vorschriften auszunutzen, um die Reifendrücke weiter zu senken.
Bei den Kontrollen können sich kleine Abweichungen einschleichen, und bisher wussten die Teams, dass sie bei einer "kleinen Unstimmigkeit" mit einem Reifensatz diesen aufpumpen durften - es gab also nichts zu verlieren, wenn man die Grenzen ausreizte.
Jetzt wird die FIA jedoch strenger und wird keine zusätzlichen Toleranzen erlauben, die dafür sorgen, dass die Reifen außerhalb der Vorgaben liegen. "Es liegt in der Verantwortung der Teams, zusätzlichen Spielraum zu schaffen, um die Reifen innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen zu betreiben", heißt es.
Nun wird jedes Team, das außerhalb der Limits liegt, aufgefordert, die Reifen stärker aufzupumpen, Fälle von großen und/oder systematischen Abweichungen werden jedoch den Rennkommissaren gemeldet.
Die Heizdecken überhitzen
Weil man mit der Temperatur die Drücke kontrollieren kann, sind die Heizdecken natürlich ein offensichtlicher Weg, um die Situation zu managen. Die Richtlinie der FIA geht nun auch härter gegen Teams vor, die Heizdecken zu lang benutzen - oder einen auf unschuldig bei einer Kontrollanzeige in den Decken machen, die eine niedrigere Temperatur anzeigt, als der Reifen hat.
Ab Frankreich dürfen die Teams die Reifen nicht mehr über längere Zeit aufheizen. Sie dürfen nur erwärmt werden, wenn sie in der nächsten Session genutzt werden sollen. Außerdem dürfen die Teams die Reifenwärmer nicht mehr über Nacht und zu heiß benutzen, sodass sie am Morgen nicht schon heißer sind als bei Teams, die ihre gerade erst angemacht haben.
Die FIA sagt, dass die Reifenwärmer nun körperlich getrennt sein müssen - abgesehen eines von Pirelli erlaubten Zeitraums. Außerdem müssen die Teams "sicherstellen, dass die Temperaturanzeigen von allen benutzten Kontrollboxen eingeschaltet und einfach ablesbar sind".
Spezielle Gase nutzen
Eine weitere Möglichkeit, den Reifendruck zu verändern, ist die Verwendung von speziellen Gasen oder deren Feuchtigkeitsgehalt beim Aufpumpen. Das könnte nämlich potenziell verändern, wie die Temperatur die Ausdehnung der Luft im Reifen beeinflusst. Das ist nicht mehr erlaubt.
Die FIA stellt klar: "Jegliche Veränderung der Füllgaszusammensetzung oder des Feuchtigkeitsgehalts mit dem Ziel, die Betriebsdrücke zu reduzieren, ist nicht zulässig."
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"Dies schließt sowohl die Erhöhung als auch die Verringerung des Feuchtigkeitsgehalts des Füllgases sowie die Zugabe von Feststoffen, Flüssigkeiten oder Gasen ein, die im Technischen Reglement für diese Verwendung nicht zugelassen sind."
Die FIA erinnert die Teams auch daran, dass sie sich zu jeder Zeit an Artikel 12.5.1 des Technischen Reglements halten müssen. Darin heißt es: "Jegliche Änderung oder Behandlung wie Schnitzen, Rillen oder die Anwendung von Lösungsmitteln oder Weichmachern ist verboten."