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Boxenfunk im Wortlaut: So hat Hamilton auf seine Sotschi-Strafe reagiert
Die Kommunikation zwischen Lewis Hamilton und Peter Bonnington beim Grand Prix von Russland im Wortlaut: "Diese Unterhaltung müssen wir später führen, Lewis"
(Motorsport-Total.com) - Die Aufschlüsselung des Boxenfunks von Lewis Hamilton beim Grand Prix von Russland in Sotschi hat ergeben, dass der Mercedes-Fahrer erst rund 25 Minuten nach den finnischen TV-Zuschauern von seinen zwei Fünf-Sekunden-Strafen erfuhr - und dass er von seinem Team nicht gewarnt wurde, was die Position für die Übungsstarts betrifft.
© Motorsport Images
Uns liegt Lewis Hamiltons Boxenfunk aus der Vorstartphase exklusiv vor Zoom Download
Hamilton fährt zunächst aus der Box und meldet, dass sich der Wind verändert habe. Sein Renningenieur Peter Bonnington bestätigt das und sagt, dass der Wind am Rennsonntag "anders als am Freitag" sei. Außerdem merkt Bonnington an: "Wir starten in der Boxengasse in der gleichen Position wie in FT3." Eigentlich eine klare Anweisung, die Hamilton aber in Frage stellt.
Hamilton: "Da liegt altes Gummi. Kann ich weiter rausfahren oder nicht?"
Bonnington: "Bestätige."
Hamilton: "Bis zum Ende der Boxenmauer?"
Bonnington: "Copy. Lass genug Raum, damit Autos vorbeifahren können."
Hamilton fährt an der Boxenmauer, wo die ganzen Ingenieure sitzen, vorbei, aus der Boxengasse raus ans Ende der Spur, die parallel zur Rennstrecke verläuft und die Boxenstraße mit der Rennstrecke verbindet. Er bleibt erst kurz vor dem Ende dieser Spur stehen, um dort einen Start zu üben.
Mercedes-Kommandostand sieht Übungsstarts nicht
Bonnington und seine Kollegen am Kommandostand können das auf ihren Monitoren nicht sehen und ahnen daher auch nicht, dass es Probleme geben könnte. Während der ersten sogenannten "Reconnaissance-Lap" weist man Hamilton daher in aller Ruhe und ohne jedes Schuldbewusstsein darauf hin, dass sich Esteban Ocon von hinten nähert, und gibt Anweisungen zur Kupplungsjustierung.
Dann meldet sich Bonnington wieder.
Bonnington: "Fahr durch die Boxengasse, für einen weiteren Start."
Hamilton: "Wie war der Grip dort?"
Bonnington: "Das war bei niedriger Temperatur, also wenig Grip und nicht repräsentativ. Zur Runde selbst: Reifen sind im Fenster. Geh davon aus, dass sie ein bisschen heißer sein werden."
Hamilton: "Wieder gleiche Position für den Start?"
Hamilton: "Bestätige. Gleiche Position."
Hamilton absolviert jetzt den zweiten Übungsstart und fängt sich damit, was er in dem Moment natürlich noch nicht ahnt, eine zweite Fünf-Sekunden-Strafe ein. Bonnington bleibt am Funk weiterhin gelassen: Er habe jetzt Romain Grosjean hinter und Antonio Giovinazzi vor sich. Dass möglicherweise Unheil droht, ist kein Thema.
Erst ein paar Minuten später sieht das Mercedes-Team im TV-Replay den zweiten Übungsstart Hamiltons. "Den ersten haben wir nicht gesehen", erklärt der leitende Renningenieur Andrew Shovlin später. "Als wir den zweiten gesehen haben, dachten wir schon, dass ihnen das nicht gefallen würde."
"Event-Notes" nicht so klar formuliert wie behauptet
Doch zunächst gibt es noch keine Hinweise darauf, dass die Übungsstarts bestraft werden könnten. Weder ist in den "Event-Notes" genau angegeben, wo solche Starts stattfinden dürfen, noch gibt es an der entsprechenden Position eine Bodenmarkierung. Und Hamilton wähnt sich in Sicherheit, weil er zum Beispiel in Interlagos auch schon oft ans Ende der Boxenausfahrt gefahren ist.
Dass Hamilton möglichst weit draußen starten wollte, hatte den Sinn, repräsentativere Daten für die Starteinstellungen zu bekommen. Dementsprechend ist natürlich wichtig, die Startübung mit dem Kommandostand nachzubesprechen, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Hamilton: "Wie war das Ziel für diesen Start?"
Bonnington: "Ziel getroffen."
Hamilton: "Der Grip dort war sehr schlecht."
Bonnington: "Copy. Ich gebe dir gleich ein bisschen Feedback."
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Dann ist es am Funk erstmal eine Weile ruhig, bis Hamilton die Startaufstellung erreicht. Bevor er aus dem Cockpit aussteigt, kommuniziert er aber noch einmal mit dem Team. "Fühlt sich so an, als könnte der Grip niedriger sein", sagt er.
Jetzt antwortet nicht Bonnington, sondern Hamiltons Kontrollingenieur Marcelo Martinelli: "Wir sollten ein bisschen Spielraum haben, sobald wir auf Temperatur kommen. Aber es würde nicht wehtun, beim Loslassen ein bisschen behutsam zu sein."
Langsam nimmt das Unheil seinen Lauf. Während die Rennkommissare George Andreev, Gerd Ennser, Andrew Mallalieu und Mika Salo offiziell noch beraten, vermeldet das finnische Fernsehen die zweimal fünf Sekunden Strafe schon als fix - mögliche Rennsperre am Nürburgring inklusive. Weil Mercedes aber kein finnisches Fernsehen schaut, bekommt davon zunächst keiner was mit.
Hamilton denkt nach Crash zuerst an seine Kollegen
Hamilton gewinnt den Start, dann kommt es wegen zweier Crashes (Carlos Sainz und Lance Stroll) zu einer Safety-Car-Phase. Der Führende erkundigt sich: "Sind alle okay?" Und ist im Cockpit erleichtert, dass es allen gut geht.
Bonnington weist ihn darauf hin, dass auf der Strecke viele Wrackteile liegen, insbesondere "am Ausgang von Kurve 2". Hamilton fährt dort besonders vorsichtig und langsam, um zu vermeiden, über herumliegende Teile vom Sainz-McLaren zu fahren und sich dabei einen Reifenschaden einzuhandeln. Der Abstand zu Bernd Mayländer im Safety-Car wird kurzzeitig recht groß.
Bonnington: "Nicht vergessen: maximal zehn Fahrzeuglängen."
Hamilton: "Wenn es um Debris geht, fahre ich so langsam wie möglich."
Fun-Fact am Rande: Als Hamilton Auskunft darüber gibt, wie weit die Bergungsarbeiten des Racing Point von Stroll fortgeschritten sind, nennt er das Team immer noch "Force India". Ungeachtet dessen konzentriert er sich darauf, die Betriebstemperaturen im richtigen Fenster zu halten. Zwischendurch knurrt er: "Fährt das Safety-Car so schnell es kann?"
Nach dem Re-Start in Runde 6 nimmt das Rennen erstmal seinen Lauf. Um 14:52 beziehungsweise 14:53 Uhr Ortszeit flattern Dokument 46 und 47 von der Rennleitung aus dem FIA-Verteiler in die Inbox. Jetzt stehen die beiden Zeitstrafen endgültig fest.
Im Rennen läuft gerade die neunte Runde, als Mercedes Hamilton informiert.
Bonnington: "Lewis, wir haben eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe für Regelverstöße beim Start."
Genau wie bei seiner Strafe in Monza (Boxeneinfahrt, als diese eigentlich geschlossen war) hat Hamilton zunächst keinen Schimmer, worum es geht. Er ist sich keines Fehlverhaltens bewusst und fragt daher erstmal nach, worum es eigentlich geht.
Hamilton: "Was ist passiert?"
Bonnington: "Diese Starts auf dem Weg in die Startaufstellung fanden außerhalb der vorgesehenen Position statt. Fünf Sekunden Strafe für jeden davon."
Nach erster Information: Hamilton kann's nicht fassen
Die zehnte Runde beginnt.
Hamilton: "Das ist Bullshit."
Bonnington: "Copy, Lewis. [...]"
Hamilton: "Wo steht das in den Regeln?"
Bonnington: "Diese Unterhaltung müssen wir später führen, Lewis."
Hamilton: "Alles, um mich einzubremsen. Aber ist okay."
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Bonningtons Aufgabe ist es nun, das Beste aus der Situation zu machen und darauf zu achten, dass auch Hamilton trotz seines offensichtlichen Ärgers konzentriert bleibt. Er geht daher nicht weiter auf das Gemecker des sechsmaligen Weltmeisters ein und gibt stattdessen rennrelevante Informationen durch. Ganz sachlich und mit unaufgeregter Stimme.
In der 13. Runde fordert er Hamilton, der inzwischen knapp zwei Sekunden Vorsprung auf Valtteri Bottas und gut drei Sekunden Vorsprung auf Max Verstappen hat, dazu auf, das Tempo für den bevorstehenden Boxenstopp anzuziehen.
TV-Experte Karun Chandhok dämmert da schon: "Das sind schlechte Neuigkeiten für ihn. Denn wenn er jetzt an die Box kommt und auch noch die zehn Sekunden Strafe absitzen muss, kommt er zwischen Latifi und Albon [auf P15] wieder raus."
Die 14. Runde bricht an.
Bonnington: "Lass uns alles geben!"
Hamilton: "Holt mich nicht so früh rein! Tut das nicht."
Bonnington: "Copy, Lewis. Du musst dieses Tempo beibehalten."
Boxenstopp in Runde 16: Hamilton will noch nicht
Runde 16. Die Mercedes-Ingenieure wissen schon, dass der Boxenstopp unmittelbar bevorsteht. Hamilton hat seinen Vorsprung auf Bottas auf 2,5 und auf Verstappen auf 5,6 Sekunden ausgebaut.
Bonnington: "Balance-Check, Balance-Check."
Hamilton: "Ein bisschen Übersteuern. Sonst ist die Balance okay."
Bonnington: "Box, Box. Box, Box."
Hamilton argumentiert zunächst gegen die Anweisung des Teams, lenkt dann aber doch ein und fährt zum Reifenwechsel. Interessant, dass Bonnington seinen Einwand zwar zur Kenntnis nimmt ("Copy"), auf diesen aber überhaupt nicht eingeht.
Hamilton: "Die Reifen sind noch okay."
Bonnington: "Copy, copy. Also Box, Box."
Hamilton biegt an die Box ab.
Bonnington: "Box, Box. Wir sitzen jetzt die Zehn-Sekunden-Strafe ab. Also halte die Drehzahl niedrig und achte auf das Schild."
Hamilton: "Sind es zehn Sekunden Stop & Go?"
Bonnington: "Wir müssen die Strafe beim Stopp absitzen, wir müssen sie beim Stopp absitzen. Achte auf die Ampel, wegen des Timings."
Hamilton realisiert erst während seines Boxenstopps, dass die Zeitstrafe nicht einfach am Ende auf seine Rennzeit addiert wird. Als er im ersten Moment befürchtet, es handle sich um eine Stop & Go, klingt seine Stimme sehr überrascht. Beim Rausfahren aus der Box murmelt er: "Das ist einfach lächerlich."
Hamilton versteht Strafe nicht, lässt nicht locker
Noch hat er sich mit seinem Schicksal nicht arrangiert. In Runde 17, er liegt jetzt an elfter Stelle im Rennen, beginnt er wieder zu diskutieren.
Hamilton: "Warum mussten wir sie absitzen, warum wurde die Zeit nicht am Ende des Rennens aufgerechnet?"
Bonnington: "Lewis, wir mussten sie beim Reifenwechsel absitzen. Lass uns konzentriert bleiben."
Hamilton: "Wie weit bin ich jetzt zurückgefallen?"
Bonnington: "Wahrscheinlich auf P11."
Fotostrecke: Sotschi: Fahrernoten der Redaktion
Carlos Sainz (6): Die 6 ziehen wir wirklich nur in einem Extremfall. Was der Spanier gestern in Kurve 2 veranstaltet hat, das war aber genau so etwas. Ja, die Kurve ist generell Mist und hat nichts im Formel-1-Kalender zu suchen. Das ist aber kein Grund, dort mit Vollgas in die Mauer zu brettern ... Fotostrecke
Hamilton sieht jetzt den Ferrari von Sebastian Vettel vor sich. "Haben alle anderen schon gestoppt?", fragt er. Bonnington erklärt ihm, dass die meisten vor ihm liegenden Gegner noch zum Reifenwechsel kommen müssen. "Wir sind immer noch auf Kurs Podium", versichert er. Und etwas später: "Virtuell bist du Dritter auf der Strecke."
In Runde 19 beginnt Hamilton wieder zu diskutieren.
Hamilton: "Warum habt ihr mich so früh reingeholt?"
Bonnington: "Um Undercuts von anderen Autos vorzubeugen. Ocon ist jetzt hinter dir."
Ein paar Funksprüche zum Renngeschehen werden ausgetauscht. Als das Thema auf den richtigen Umgang mit den Reifen kommt, reagiert Hamilton gereizt.
Hamilton: "Ihr habt mich ja so früh reingeholt, jetzt muss ich die Reifen schonen. Sonst komme ich damit nicht bis zum Ende."
Noch einmal drei Runden später gibt ihm Bonnington ganz sachlich durch: "Verstappen 39.9." Doch Hamilton ist jetzt sauer. Er sagt nur noch: "Ich will das gar nicht mehr hören. Macht eh keinen Unterschied."
Bonnington: "Copy, Lewis."