Das Red-Bull-Wunder: So schwierig war die Reparatur in Ungarn
Red Bull hatte in Ungarn vor dem Start alle Hände voll zu tun und dabei mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen - Passtausch unter Mechanikern
(Motorsport-Total.com) - Da denkt man, man hat in der Formel 1 alles gesehen, und dann kommt plötzlich Red Bull daher und performt vor dem Großen Preis von Ungarn einen Zaubertrick, auf den viele Magier stolz gewesen wären. 20 Minuten Zeit hatte die Crew, um Verstappens Auto nach dessen Abflug auf dem Weg in die Startaufstellung zu reparieren - und das ließ selbst die Konkurrenten erstaunt zurück.
Denn dass man die Schäden noch im Grid würde reparieren können, das war für viele nicht zu glauben. Mercedes teilte seinem Piloten Lewis Hamilton sogar mit, dass Verstappen bereits ausgeschieden sei - und zu seiner Verwunderung musste der Brite später im Rennen feststellen, dass der Red Bull doch noch dabei ist - und zwar genau hinter ihm.
Wir analysieren, wie Red Bull es geschafft hat, Verstappens Auto nach seinem Crash in Kurve 12 wieder einsatzbereit zu machen. Es war klar, dass ein enormer Aufwand betrieben werden müsste. Zumindest wusste das Team, dass die Spurstange kaputt war, so wie das eine Rad unabhängig von dem anderen durch die Gegend flatterte.
Der Niederländer funkte sofort an seinen Ingenieur Gianpiero Lambiase und erklärte sein Missgeschick. Er schlug vor, das Auto zurück zur Box zu bringen, doch Verstappen wurde angewiesen, in den Grid zu fahren - eine wichtige Ansage.
Passtausch unter Mechanikern
Sofort als das Auto in seiner Startbox stand, legten die Mechaniker los. 19 Minuten und 32 Sekunden waren noch bis zur Einführungsrunde Zeit, und die Mechaniker verloren keine selbige und fingen an, die linke Vorderseite des Autos auseinanderzubauen.
Das Team musste die Spurstange und die Push-Rod austauschen, was beim RB16 durch die Anordnung eine besonders schwierige Herausforderung ist.
Teammanager Jonathan Wheatley war an der Boxenmauer im Gespräch mit Motorsportkonsulent Helmut Marko pessimistisch: "Wir müssen es schneller schaffen als wir es jemals gemacht haben", sagte er.
"Dann hat mir der zuständige Mann versichert, dass es sich ausgeht", meint Marko gegenüber 'auto motor und sport'. "Die Jungs haben mit einer unglaublichen Präzision und Geschwindigkeit gearbeitet. Jeder Handgriff hat gepasst."
Der Österreicher verrät auch, dass Red Bull Zugangspässe unter den Mechanikern tauschen musste, "weil nicht alle die Berechtigung für die Startaufstellung hatten", so Marko. "Zum Beispiel der Spezialist, der mit einem Scanner die Karbonteile auf Schäden untersucht. Was da geleistet wurde, war unglaublich. Es sind halt doch noch Stärken in unserem Team."
16 Minuten vor der Einführungsrunde und mit der Nationalhymne im Hintergrund hatte das Team bereits das innenliegende Ende der Schubstange entfernt und musste nun mit einem weiteren kniffligen Aspekt zurechtkommen: der innenliegenden Verbindung zur Spurstange.
Der RB16 und sein komplexer Aufbau
Das war besonders komplex, weil der Lenkzusammenbau am RB16 an einer ungewöhnlichen Stelle liegt: tiefer in der Nasentrennwand (Bulkhead) vergraben, anstatt vorne wie bei allen anderen auch.
Mit weniger als 15 Minuten auf der Uhr und dem Inboard-Ende vom Auto entfernt fingen die Mechaniker an, die radträgerseitige Befestigung auseinanderzunehmen. Das sollte sich wieder einmal als schwierig herausstellen, da die gesamte Verkleidung der Bremsbelüftung entfernt werden musste, um an die Verbindung von Push-Rod und Lenkung zu kommen.
Zudem besitzt Red Bull eine aggressive Push-Rod-Lösung, die die Stange am äußeren Ende vom Upright-Pfeiler versetzt. Das erschwerte die Vorgänge zusätzlich.
Keine zwölf Minuten vor dem Start begutachtete Chefingenieur Paul Monaghan die Teile, die am Auto geblieben sind. Er forderte Equipment an, um die Teile auf Beanspruchungen zu untersuchen, die durch den Einschlag in die Streckenbegrenzung entstanden sind.
Wettlauf gegen die Zeit
Als nur noch zehn Minuten Zeit waren, kletterte Verstappen zurück in den RB16 und fing an, sich selbst festzuschnallen. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten immer noch vier oder fünf Mechaniker fleißig an der linken Vorderradaufhängung. Da die Deadline näher rückte, stieg auch der Druck.
Acht Minuten vor dem Ende wurde die letzte Schraube am inneren Push-Rod-Zusammenbau befestigt und das Auto war nun wieder strukturell komplett. Doch der Wettlauf gegen die Zeit ging weiter: Die Bremsbelüftung musste wieder angebracht werden, die Eitelkeitsblende verschraubt werden, die Nase zusammengebaut werden und das Auto wieder auf alle vier Räder gebracht werden.
Fünf Minuten vor der Einführungsrunde müssen alle Arbeiten beendet sein und das Equipment muss die Startaufstellung langsam verlassen. Die letzten Schrauben wurden in die Eitelkeitsblende und die Bremsbelüftung gesteckt. 26 Sekunden vor dem Ende war die Arbeit geschafft.
Verstappen dankte seinen Mechanikern für die fantastische Leistung, die sie gezeigt hatten: "Ich möchte nur sagen, dass das super Arbeit war, das ist unglaublich. Vielen Dank", so der Niederländer.
Reise ins Ungewisse
Als die Reifenwärmer abgenommen und das Auto auf die Strecke gelassen wurde, lag natürlich Unsicherheit in der Luft. Zwar hatten die Mechaniker alles gegeben, dennoch waren sie in Eile, von daher hätten Fehler natürlich passieren können.
In der Aufwärmrunde schien jedoch alles in Ordnung zu sein. Verstappen zeigte sein Vertrauen in das Team durch einen brillanten Start, bei dem er nach der ersten Kurve Dritter war und am Ende sogar Rang zwei belegte.
Die Mechaniker mussten derweil nach ihrem Wunder vor dem Start weiter abliefern: Bereits zum dritten Mal in Folge legten sie den schnellsten Boxenstopp hin.
Was Red Bull vor dem Start in Ungarn geleistet hat, erinnert uns daran, dass die Formel 1 ein Teamsport ist. Jedes Mitglied ist wichtig für die Arbeit am Auto und den Erfolg des Fahrers.
Und obwohl am Ende Verstappen auf dem Podium stand, konnte man sehen, dass er gerne jeden einzelnen Mechaniker mit oben gesehen hätte, um mit ihnen einen Erfolg zu feiern, der vor dem Rennen noch unmöglich schien.