• 22. Mai 2020 · 20:18 Uhr

Nach Gespräch mit Sebastian Vettel: Helmut Marko glaubt an Rücktritt

Helmut Marko hat mit Sebastian Vettel über eine Rückkehr zu Red Bull und einen möglichen Rücktritt gesprochen - Alex Wurz: Wer sagt, dass Lewis Hamilton bleibt?

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel ist im Formel-1-Paddock, der überfüllt ist mit Selbstdarstellern und Plaudertaschen, eine der letzten Persönlichkeiten, die ein Geheimnis verlässlich hüten kann. Die Grand-Prix-Nation Deutschland hofft aktuell, dass er seine Karriere trotz des Abschieds von Ferrari fortsetzen wird. Aber darüber, was er jetzt vorhat, spricht er wirklich nur mit seinem allerengsten Kreis.

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"Sebastian", erzählt GPDA-Direktor Alexander Wurz im aktuellen Vodcast von 'Sky', "ist ein Freund von mir." Wurz habe den Abschied von Ferrari "nicht kommen sehen, denn er hält seine Karten immer nah an der Brust. Als er von Red Bull zu Ferrari gewechselt ist, gab es keinerlei Gerüchte, sondern es ist einfach passiert. Das ist typisch für Sebastian. Ich mag das an ihm."

Zu den wenigen Auserwählten, denen sich Vettel in entscheidenden Phasen seiner Karriere üblicherweise anvertraut, gehört sein langjähriger Förderer Helmut Marko. Anders als Wurz räumt der Red-Bull-Motorsportkonsulent im Interview mit 'Sky' ein: "Ich habe mit Sebastian gesprochen."

Marko macht gar keinen Hehl daraus, dass man dabei "natürlich" auch "die Varianten und die Möglichkeiten bei Red Bull durchgegangen" ist - stellt aber klar: "Die es leider nicht gibt! Wir haben bestehende Verträge mit Max und mit Alex Albon. Dadurch hat sich das überhaupt nicht ergeben." Er glaubt: "Sebastian würde weitermachen, wenn er in ein siegfähiges Team kommt."

Marko empfiehlt Superstar-Duo ausgerechnet seinem Intimfeind ...

Zum Beispiel bei Mercedes - eine Variante, die Marko aus Sicht der Silberpfeile und aus Sicht der Formel 1 insgesamt, gerade in Zeiten der Coronakrise, als "sensationelles Projekt" empfinden würde. Auch wenn es ihn innerlich schmerzen muss, eine solche Konstellation ausgerechnet seinem Intimfeind Toto Wolff ans Herz zu legen ...

Dass Hamilton und Vettel in einem überlegenen Mercedes "fast immer" Doppelsiege einfahren würden, wäre aus Markos Sicht zwar "nicht so gut für den Sport. Aber der Kampf Hamilton gegen Seb, ich glaube, das wäre etwas, was sehr, sehr viele Zuschauer mobilisieren würde."

"Wenn ich die Worte von Toto richtig interpretiere, ist es eine Entscheidung von Mercedes. Mercedes macht das ja, um Marketing zu betreiben. So gesehen wäre das der beste und stärkste Gag, den man machen könnte." Würde sein Freund Niki Lauda noch leben, "würde ich ihm natürlich raten, Vettel zu nehmen". Denn damit würde Mercedes die "bestmögliche Werbewirksamkeit" erzielen.


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Doch von den Formel-1-Experten glaubt kaum jemand an eine Konstellation Hamilton-Vettel in einem etwaigen Mercedes-Werksteam 2021. Wurz, im 'Sky'-Vodcast auf das Thema Fahrermarkt angesprochen, ist verwundert über die Selbstverständlichkeit, mit der die Experten davon ausgehen, dass Hamilton weiterhin Mercedes fahren wird.

"Da habe ich zuerst eine Frage. Vielleicht habe ich was verpasst. Aber seid ihr euch wirklich hundertprozentig sicher, dass Lewis bei Mercedes bleibt?", kontert der ehemalige Benetton-, McLaren- und Williams-Pilot. "Ihr fragt alle nach dem zweiten Cockpit bei Mercedes, dabei ist das erste noch gar nicht fixiert!"

Wie 'Motorsport-Total.com' berichtet hat, steht noch nicht einmal fest, ob der Daimler-Konzern sich in Zeiten der Coronakrise überhaupt weiterhin ein eigenes Formel-1-Team leisten wird. Und auch Wolff "debattiert gerade darüber, ob er bleibt, in welcher Funktion. Da ist vieles im Fluss", sagt Wurz - und der muss es als langjähriger Wolff-Vertrauter eigentlich aus erster Hand wissen.

Wurz' "Bauchgefühl" sagt, "dass sie an ihrer aktuellen Paarung festhalten werden. Die scheint sehr produktiv zu sein. Hätte man Lewis die letzten paar Jahre aus der Rechnung genommen, wäre Valtteri Weltmeister geworden. Die beiden arbeiten sehr gut zusammen. Alles andere ist Spekulation in den Medien, genau wie wir es gerade tun. Warten wir ab, wie es ausgeht."

Vettel: Macht er es genau wie Alain Prost 1992?

Sollte der Traum vom Superstar-Duell Hamilton gegen Vettel im Silberpfeil ein Traum bleiben, dann wird Vettel seine Karriere vermutlich beenden - oder zumindest, wie zum Beispiel Alain Prost 1992, ein Jahr aussetzen, um dann zu versuchen, noch einmal Weltmeister zu werden. Teams wie Renault, die ihm theoretisch ein Cockpit anbieten könnten, gelten nicht als ernstzunehmende Möglichkeit.

Das sieht auch Marko so: "Ein viermaliger Weltmeister, der sehr, sehr viel im Sport erreicht hat, der finanziell auch gut dasteht", der müsse sich "irgendein Mittelklasseteam" nicht mehr antun. Ein Rücktritt würde viel eher zu Vettels "Charakter, zu seinem Stil passen. Wäre schade für den Sport, aber für die Person Vettel sicher die beste Lösung, sofern kein siegfähiges Team zur Verfügung steht."

Bei Ferrari, das scheint Vettel Marko anvertraut zu haben, "hat sich Sebastian nicht mehr wohlgefühlt. Er hat das sicher auch gespürt, und ich finde den Schritt von ihm sehr mutig und auch richtig, dass er jetzt die Konsequenzen gezogen und den Ferrari-Vertrag nicht verlängert hat."

Wurz vermutet indes, dass aus der ursprünglichen Liebe zwischen Vettel und Ferrari über die Jahre eine zerrüttete Beziehung wurde. Er glaubt, dass Formel-1-Fahrer bei Ferrari Gefahr laufen, "vom System ins Burn-out getrieben" zu werden. Vettel sei nicht der Erste, dem das passiert, sagt Wurz - und nennt in diesem Zusammenhang auch Fernando Alonso.

"Sebastian hat mit mir nicht darüber gesprochen", stellt Wurz klar, spekuliert aber: "Mir scheint, dass das passiert ist. Ferrari ist mehr als nur die übliche Rennfahrer-Leidenschaft. Bei Ferrari lastet der Druck einer ganzen Nation auf dir. Das müssen die Fahrer aushalten. Und Ferrari verlangt viel von seinen Fahrern."

"Sie lieben dich, wenn du gewinnst und das Team voranbringst. Aber wenn der Erfolg nicht kommt, wendet sich das Blatt [...]. Ich beobachte immer wieder, dass es dort Spannungen gibt. Nicht nur mit den Fahrern, sondern sie haben ja auch Teamchefs gewechselt. Das kommt ein bisschen von außen, aber auch vom südländischen Temperament. Diese Mischung scheint schwierig zu sein."

"In der Ära mit Michael Schumacher, Ross Brawn, Rory Byrne, Jean Todt war diese Gruppe gemeinsam so stark, dass sie all diesen italienischen Druck beiseiteschieben und erfolgreich sein konnten. Aber seither fehlt die Einheit bei Ferrari und sie fahren ihren eigenen Erwartungen hinterher", analysiert Wurz.

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