Reifenärger: Wäre eine Rückkehr zu den 2018er-Pneus wirklich besser?
Sollte die Formel 1 nach der Sommerpause wieder zu den Reifen der Saison 2018 zurückkehren? Viele sind von der Idee überzeugt, es gibt aber auch Gegenstimmen
(Motorsport-Total.com) - Am Freitagmorgen werden sich in Spielberg alle Teams mit der FIA zusammensetzen. Bei dem Treffen soll geklärt werden, ob es eine Mehrheit für die Idee gibt, ab dem Großen Preis von Belgien wieder mit den Reifen von 2018 zu fahren. Unter den Teams hat sich eine Front gebildet, die diesen Schritt fordert. Allerdings müssten mindestens sieben der zehn Rennställe zustimmen.
Und es gilt als sicher, dass zumindest Mercedes dem Vorschlag nicht zustimmen wird. Die Silberpfeile haben als eines der wenigen Teams keine Schwierigkeiten mit den neuen 2019er-Reifen, und Teamchef Toto Wolff erklärte bereits: "Aus meiner Sportsmann-Sicht sollte die Formel 1 die Regeln nicht ändern, weil es einige einfach besser hinbekommen als andere - und das meine ich nicht arrogant."
Auch McLaren kommt mit den aktuellen Reifen gut zurecht. Und sollten Mercedes und McLaren am Freitag gegen den Vorschlag stimmen, würde es bereits eng werden. Es müssten sich dann aus dem gesamten Feld lediglich noch zwei weitere "Verbündete" finden, um die Änderung zu blockieren. Doch warum haben Teams wie Ferrari, Red Bull und Co. überhaupt solche Probleme mit den 2019er-Reifen?
Als "Schuldiger" wurde die in diesem Jahr dünnere Lauffläche ausgemacht. Diese wurde 2018 bereits bei drei Rennen eingesetzt und ist 2019 Standard - sehr zum Ärger vieler Teams. Die sind der Meinung, dass es aus Sicherheitsgründen keinen Anlass gab, die Reifen zu verändern. Kritiker der 2018er-Pneus erklären dagegen, dass es mit dieser Konstruktion zu häufig zu Blasenbildung kam.
Teams bemerkten Probleme zu spät
Lewis Hamilton berichtet zum Beispiel: "Im vergangenen Jahr musste man die Reifen auf einer Temperatur halten, was bedeutet, dass man viel Lift and Coast machen musste. Es gab mehr Blasen, es war viel schlechter. Man konnte nicht das machen, was ich im letzten Rennen gemacht habe - oder selbst in Montreal, wo ich viele Runden hinter Seb pushen konnte. Auf den Reifen vom vergangenen Jahr ging das nicht."
Der Weltmeister ist der Ansicht, dass die alten Reifen "schlechter" als die 2019er-Pneus waren. Das mag bei Mercedes durchaus zutreffen. Viele andere Teams klagen hingegen darüber, die Reifen nicht ins richtige Arbeitsfenster zu bekommen. Denn dieses hat sich 2019 nach oben verschoben. Das Problem: Die betroffenen Teams bemerkten diese Problematik erst zu spät.
Schließlich hätte man durchaus die Möglichkeit gehabt, Pirelli auf dieses Problem hinzuweisen. Warum also erst jetzt der Aufstand? Offenbar ist das ganze Ausmaß erst nach und nach deutlich geworden, weil die Probleme nicht bei jedem Rennen auftreten - und auch nicht immer in gleicher Intensität. Ein gutes (und extremes) Beispiel ist Haas. Das Ferrari-Kundenteam galt im Winter noch als bestes Team im Mittelfeld.
Tatsächlich wurde man dieser Rolle aber lediglich in Australien und Spanien gerecht. Dort funktionierten die Reifen. Bei fast allen anderen Rennen war das nicht der Fall - und Haas im Niemandsland. Das Problem liegt nicht einfach nur darin, die Reifen für eine schnelle Runde aufzuwärmen. Es geht darum, sie über einen längeren Zeitraum von vielen Runden im richtigen Fenster zu halten.
Was ist besser für den Sport?
Schafft man es nicht, genug Energie in die Reifen zu bringen, fällt die Performance gnadenlos ab. Die Teams werden damit gleich doppelt bestraft. Zum einen, weil man dann sowieso schon nicht genug Grip hat, und zum anderen, weil man dadurch öfter ins Rutschen kommt und die Reifen damit zusätzlich noch beschädigt. Doch würden die 2018er-Reifen wirklich Abhilfe schaffen?
Bei Pirelli gibt man sich skeptisch. "Wenn wir zurück auf eine dickere Lauffläche gehen, bekommen wir mit Sicherheit Blasen", ist sich Mario Isola sicher. Zudem weiß niemand, wie die 2018er-Reifen überhaupt mit den 2019er-Autos harmonieren würden. Denn bislang hat niemand die Vorjahresreifen auf einem aktuellen Boliden getestet. Lewis Hamilton hält die "Rolle rückwärts" ohnehin für falsch.
Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1
In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken... Fotostrecke
"Ich bin mir nicht ganz sicher, aber das ist wieder ein Beispiel, bei dem verschiedene Teams aus persönlichen Gründen verschiedene Dinge fordern", ärgert sich der Weltmeister und erklärt: "Wir müssen Lösungen finden, die für alle funktionieren und nicht nur dem Einzelnen helfen. Es geht darum, den Sport und das Racing insgesamt besser zu machen."
Viele glauben aber, dass genau das mit den 2018er-Reifen der Fall wäre. Zumindest erhofft man sich, den Mercedes-Alleingang an der Spitze zu stoppen. "Das Beste wäre, einfach zu den letztjährigen Reifen zurückzukehren. Das würde neun Teams sehr freuen, eins ganz und gar nicht. Im Interesse des Entertainments in der Formel 1 wäre das ein nobler Zug von Pirelli", erklärte zum Beispiel Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber 'Sky'.