Ferrari auf Suche nach der Lösung: Schon in Montreal wieder stark?
Warum Ferrari nach der Monaco-Enttäuschung schon in Montreal wieder um den Sieg fahren könnte und man den SF90 meist nicht ins richtige Arbeitsfenster bringt
(Motorsport-Total.com) - Bei den bisherigen sechs Grands Prix war Ferrari die große Enttäuschung: Der Testkönig war nur in Bahrain wirklich in Siegform und hat nach Monaco nur etwas mehr als die Hälfte der Mercedes-Punkte auf dem Konto. Doch schon in Montreal könnte die Scuderia zurückschlagen. "Ich rechne damit, dass sie dort viel schneller sind, denn sie haben einen großartigen Topspeed, während es für uns viel schwieriger wird", prophezeit Red-Bull-Pilot Max Verstappen.
Die Hoffnung in Maranello: Der Circuit Gilles Villeneuve könnte die großen Schwächen des SF90 kaschieren. Der Asphalt ist zwar glatt, aber immerhin gibt es auf der Ile Notre Dame lange Geraden, auf denen man den Topspeed-Vorteil ausspielen kann.
"Ich glaube nicht, dass unsere Probleme in Montreal weggezaubert sein werden", sagt Teamchef Mattia Binotto. "Wir haben das gleiche Auto wie in Monaco, aber es handelt sich definitiv um eine andere Strecke, um andere Reifenmischungen, um ein anderes Set-up." Derzeit arbeite man in Maranello mit Hochdruck an einer Lösung, "um die Probleme der letzten Rennen zu lösen", stellt Binotto klar.
Binotto rechnet mit Aufwärtstrend in Montreal
Werde man in Kanada stark genug sein, um Mercedes endlich das Leben schwer zu machen? "Das ist schwer zu sagen", meint der in der Schweiz geborene Italiener. "Wir werden im Vergleich zu Barcelona besser in Form sein, aber Mercedes hat derzeit immer noch das beste und stärkste Auto. Sie sollten also vorne sein, aber vielleicht ist der Abstand geringer. Wenn wir eine Chance haben, werden wir sie nutzen."
Dass der Scuderia der Titel endgültig entgleitet, wenn in Kanada kein Befreiungsschlag gelingt, will Binotto so nicht stehen lassen. "Kanada ist nicht das letzte Rennen der Saison", sagt er. "Wir müssen uns jetzt Rennen für Rennen verbessern."
Welche Strecken für den Ferrari Gift sind
Immerhin scheint man in Maranello inzwischen eine Idee zu haben, wo die Probleme beim SF90 liegen. Dass das Auto im Vergleich zum Vorjahresboliden nicht effizient genug ist und vor allem auf Strecken mit langsamen Kurven, glattem Belag und wenig Geraden nicht konkurrenzfähig ist, ist dem Ferrari-Technikbüro bekannt.
Insofern ist es auch kein Wunder, dass man in Monaco keine Chance gegen Mercedes hatte. "Das war ein schwieriges Wochenende für uns, und unter diesen Umständen nehmen wir den zweiten Platz gerne mit", atmet der WM-Dritte Sebastian Vettel auf.
"Bottas war schneller als ich, aber durch unsere wirklich gute Geschwindigkeit auf der Geraden hatte er keine Chance, mich zu überholen."
Vettel sucht den "Grip-Kerl"
Nun gilt es aber, herauszufinden, wo man den Hebel ansetzen muss, um den Boliden so rasch wie möglich in Titelform zu bringen. "Uns fehlt es insgesamt an Abtrieb", klagt Vettel. "Das ist eine Schwäche, über die wir Bescheid wissen. Das Auto ist nicht so schlecht wie es aussieht, aber es ist sehr schwierig, es ins richtige Arbeitsfenster zu bringen. Wenn es einmal drinnen ist, dann sind wir konkurrenzfähiger."
Das Auto so einzustellen, dass es mehr Abtrieb aufbaut und damit die Reifen besser zum Arbeiten bringt, sei "der Schlüssel", sagt Vettel. Man müsse bei den kommenden Rennen einfach für mehr Grip sorgen. Das sei aber leichter gesagt als getan. "Der Kerl, der das kann, scheint sich ziemlich gut zu verstecken", scherzt der Heppenheimer. "Ich weiß nicht, wo er gerade ist, also wenn ihr ihn findet oder ihr seine Nummer habt, dann gebt Bescheid. Wir suchen den Grip-Kerl schon eine ganze Weile."
2019er-Pirelli-Reifen machen Ferrari das Leben schwer
Dass es am Frontflügelkonzept liegt, dass der Ferrari nicht den erwünschten Grip aufbaut, will man in Maranello nicht als Antwort gelten lassen. Stattdessen verweist Binotto auf die Reifen mit der dünneren Lauffläche, die im Vorjahr nur vereinzelt zum Einsatz kamen, aber dieses Jahr Standard sind.
Sie neigen nicht dazu, zu überhitzen, was Ferrari im Vorjahr besser im Griff hatte als Mercedes - stattdessen ist es nun deutlich schwieriger, sie auf Temperatur zu bringen.
"Es ist kein Geheimnis, dass es dieses Jahr etwas schwieriger ist, die Reifen ins richtige Temperaturfenster zu bringen", bestätigt Vettel. "Wenn wir unsere Performance allgemein verbessern, dann würde uns das wahrscheinlich auch dabei helfen, die Reifen ins richtige Fenster zu bringen."
Welche Rolle spielt das hydraulische Fahrwerk?
Das liegt laut Teamchef Binotto nicht nur an der Aerodynamik des Autos, sondern hat auch mechanische Gründe. Das könnte laut den Kollegen von 'auto motor und sport' darauf hindeuten, dass man Probleme mit dem hydraulischen Fahrwerk hat, das inzwischen in der Formel 1 Standard ist, aber von der Scuderia erst in der zweiten Saisonhälfte 2018 erstmals eingesetzt wurde, als man in Probleme schlitterte.
Statt einer konventionellen Radaufhängung wird dabei das Auto je nach Kurventyp durch die auf das Auto einwirkende Last abgesenkt - allerdings auf mechanische Art und Weise, denn sonst würde man sich dem Vorwurf aussetzen, eine illegale aktive Radaufhängung an Bord zu haben. Die komplexe Abstimmung des Systems könnte Ferrari noch Probleme bereiten, während Mercedes damit schon seit drei Jahren fährt.
Vettel kommt mit dem SF90 noch nicht klar
Interessant ist, dass Vettels bislang letzter Grand-Prix-Sieg ausgerechnet vor 14 Rennen in Spa-Francorchamps stattfand - das Rennen bei dem das hydraulische Fahrwerk debütierte. Aber liegt es nur am Team, dass Vettel seitdem nicht mehr ganz oben steht? "Ich bin Teil des Teams, also stelle ich mich nicht darüber", antwortet Vettel.
"Ich hatte dieses Jahr einige schwierige Momente, in denen ich mit dem Auto gekämpft habe, und bin noch nicht soweit, dass ich mich wohler fühle und das Auto richtig ausquetschen kann."
Vettel ist zwar davon überzeugt, dass der SF90 das Potenzial hat, aber "obwohl es schön wäre, das Blatt zu wenden - was wahrscheinlich allen außer den zwei Mercedes-Jungs gefallen würde -, wird das nicht über Nacht passieren." Der Teufel liege "im Detail", meint der Ferrari-Pilot. "Noch sind wir zu weit hinter Mercedes und im Schnitt eher auf Augenhöhe mit Red Bull. Dort wollen wir nicht sein."