• 17. Juli 2018 · 15:25 Uhr

Erklärt: So läuft das Entwicklungsrennen während der Saison

Während die Formel 1 durch die komplette Welt reist, stehen auch die Fabriken zuhause nicht still: Hier erklärt Mercedes, wie sich das Entwicklungsrennen gestaltet

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist in der Saison 2018 so hart und eng umkämpft wie seit vielen Jahren nicht mehr. Doch während dieses epische Duell auf der Strecke ausgefochten wird, erfolgt einer der entscheidenden Aspekte der diesjährigen Weltmeisterschaft abseits der Rennstrecke: Das Entwicklungsrennen während der Saison. Dabei geht es um jene Verbesserungen, welche die Teams für ihre Autos entwickeln, während die Saison bereits in vollem Gange ist. Wie das aussieht, zeigt sich am Beispiel von Mercedes.

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Mercedes kann sich nicht auf das vor der Saison vorgestellte Auto verlassen Zoom Download

Was sind die Hauptbereiche eines Autos, die ein Team während der Saison weiterentwickelt?
Mercedes konzentriert sich hauptsächlich auf drei Bereiche: die Aerodynamik, die Power-Unit und die Reifen. Bei der Weiterentwicklung der Aerodynamik ist es das Ziel, neue und bessere Bodywork-Pakete zu entwickeln.

Bei der Power-Unit (PU) verfolgt das Team normalerweise zwei Ziele. Das erste ist, neue Designs für PU-Komponenten zu entwickeln, das zweite ist, zu verstehen, wie hart man die PU an ihre Grenzen treiben kann. Zu Saisonbeginn möchte das Team sicherstellen, dass die Power-Unit zuverlässig läuft. Da die Zuverlässigkeit auf dem Prüfstand ausgetestet werden muss, beginnt man normalerweise etwas konservativ. Dadurch stellt man sicher, dass das Produkt die benötigte Laufleistung erreicht.

Sobald eine zuverlässige Basis existiert, konzentrieren sich die folgenden Longruns des Motors darauf, mehr Leistung herauszuholen. Bei diesen Versuchen ist das Team dazu bereit, den Motor auf dem Prüfstand etwas stärker zu belasten. Dies ist ein gut geölter Prozess, bei dem die Silberpfeile versuchen, das genaue Limit der PU zu finden, ohne darüber hinauszuschießen. Gleichzeitig weiß man jedoch, dass es immer noch eine erprobte Konfiguration gibt, sollte man über diese Grenze hinausgehen.

Der dritte Hauptbereich für die Weiterentwicklung während der Saison sind die Reifen. Mit diesen sammelt das Team seine ersten Eindrücke erst bei den Wintertests. Die Reifen sind ein wichtiger Performance-Faktor und es dauert eine Weile, um sie vollständig zu verstehen und das Maximum aus ihnen herauszuholen. Das mag nicht unbedingt einen Einfluss auf die Weiterentwicklung und das Design des Autos haben, es verändert aber höchstwahrscheinlich die Art und Weise, wie das Team mit dem Auto umgeht, um das Optimum aus den Reifen herauszuholen.

Wie viel Zeit kann ein Team bei der Weiterentwicklung während der Saison finden?
Die genaue Rundenzeit, um die sich ein Team im Verlauf der Saison verbessern kann, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse im Sport. Es ist aber ganz klar, dass die Weiterentwicklung im Laufe der Saison einen erheblichen Einfluss auf den Ausgang der Saison hat.

Wenn ein Team die Entwicklung seines Autos nach dem ersten Rennen einstellen würde, während die anderen Teams für den Rest der Saison fleißig weiterentwickeln, würde dieses Team mehrere Positionen in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft verlieren. Ganz einfach, weil es sein Auto nicht ausreichend verbessert. In der Formel 1 gilt die Regel: Stillstand ist Rückschritt.


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Wie wird der Entwicklungsverlauf für die Upgrades festgelegt?
Das ist von den Komponenten abhängig. Bei der Power-Unit wird die Weiterentwicklung größtenteils vom Reglement vorgeschrieben. Es sind nur drei PUs für die gesamte Saison erlaubt, und das Team möchte deshalb sicherstellen, dass die Laufleistung der einzelnen PUs relativ gleichmäßig über diese drei Einheiten verteilt wird.

Andere Komponenten werden durch die Streckeneigenheiten bestimmt. In Monza wird zum Beispiel normalerweise ein flacherer Heckflügel als auf anderen Strecken benötigt. Entsprechend entwickelt das Team den Heckflügel- und das "Low-Downforce"-Paket mit ausreichend Vorlauf zu Monza, damit die Teile rechtzeitig vor dem Rennwochenende konstruiert werden können.

Beim Aero-Programm wird ein Rahmenplan festgelegt, der grob vorgibt, wann man neue Pakete einführen möchte. Die Abstände sind normalerweise so gewählt, dass das Team zuversichtlich ist, genügend Fortschritte in der Zwischenzeit erzielt zu haben, die dann als ein Paket zusammengefasst werden können. Diese Zeitpläne sind jedoch ständig in Bewegung - hauptsächlich, weil sich das Team nie ganz sicher sein kann, wo die Fortschritte erzielt werden, wie groß sie ausfallen und wie einfach sie zu integrieren sein werden.

Schlussendlich gibt es auch noch opportunistische Weiterentwicklungen, bei denen jemand eine gute Idee hat und das Team sich dazu entschließt, diese umzusetzen. Während sich also manche Update-Pakete monatelang in der Planung befinden, werden andere vielleicht sobald sie das Team entdeckt hat direkt ans Auto gebracht.

Wie wichtig ist das Feedback der Fahrer für die Weiterentwicklung während der Saison?
Die Rückmeldungen der Fahrer spielen eine wichtige Rolle. Sie verändern nur selten die grundlegende Performance-Ausrichtung eines Autos, aber sie ermöglichen es dem Team, seinen Ansatz anzupassen, zum Beispiel bei der Position des Sitzes oder der Spiegel, dem Lenkeinschlag oder des Pedalwegs.

Das mag wie kleine Details klingen, aber sie sind wichtig, da ein Fahrer, der sich nicht wohl fühlt, nicht das Beste aus dem Auto herausholen kann. Während die Schlüsselelemente eines schnelleren Autos normalerweise für alle Fahrer gleich sind, kann das Feedback der Piloten die Performance-Entwicklung des Autos dennoch beeinflussen. Denn es hilft dem Team dabei, die Bereiche des Autos zu identifizieren, auf die sie sich beim Weiterentwicklungsprozess konzentrieren sollten.

Eine hart umkämpfte Saison führt unweigerlich dazu, dass die Teams viel Einsatz in die Weiterentwicklung des Autos stecken. Wie finden die Teams die richtige Balance zwischen der Weiterentwicklung während der laufenden Saison und der Arbeit am nächstjährigen Auto?
Ein Team möchte sicherstellen, dass es die Performance des nächsten Jahres nicht für Punkte in diesem Jahr opfert. Trotzdem ist es keine einfache Entscheidung, ab wann man mehr und mehr Personal von der Entwicklung des diesjährigen Autos auf das nächstjährige verschiebt - ganz besonders in einer hart umkämpften Saison.

Wenn ein Team in der Weltmeisterschaft meilenweit enteilt ist, ist es eine relativ einfache Entscheidung, da das Team schon recht früh umschalten kann, weil es weiß, dass die anderen Teams es nicht einholen werden. Das gleiche gilt für ein Team, das meilenweit hinter den anderen liegt. Egal wie hart sie arbeiten, sie werden das nächste Team nicht einholen. Schwieriger wird es, wenn es im WM-Kampf richtig eng zugeht. Dann tendieren Teams dazu, sich etwas mehr auf die aktuelle Saison zu konzentrieren, als sie das möglicherweise sonst tun würden.

Dabei spielt auch das kommende Reglement eine Rolle. Für die aktuelle Saison blieb das Regelwerk relativ stabil. Somit konnten die Teams erst recht spät umschalten und wussten trotzdem, dass es sie nicht besonders schmerzen würde. In der nächsten Saison gibt es jedoch relativ große Veränderungen am Aerodynamik-Reglement, weshalb es ein Risiko wäre, das zu ignorieren.

Wie sehr lässt sich ein Team von anderen Teams und Autos bei seiner Weiterentwicklung inspirieren?
Wenn ein Team etwas entdeckt, das es vorher noch nicht ausprobiert hat und das an seinem Auto umsetzbar scheint, dann wird es das in einer Simulation oder im Windkanal testen. Wenn es gut funktioniert, werden sie es auch an ihrem Auto einsetzen. Da die Fahrzeugkonzepte aber sehr unterschiedlich sind, beeinflussen diese Inspirationen nur kleine Dinge auf eine geringfügige Art und Weise - und sie sind auch nicht einfach umzusetzen.

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