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Technik Formel 1 vs. LMP1: Zwei Extreme auf der Bremse
Brembo lässt Fakten sprechen: So unterscheiden sich Formel 1 und Le-Mans-Prototypen in ihrer Bremsleistung - Beide sind auf ihre Art beeindruckend
(Motorsport-Total.com) - Der Vergleich drängt sich immer wieder auf: Formel 1 oder LMP1, welcher Rennwagen ist das größere technische Wunderwerk? Brembo zieht einen Vergleich der beiden Fahrzeugkonzepte in Sachen Bremsleistung. Wie so oft gilt: Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Die Formel 1 verzögert härter und würde jeden Vergleich gewinnen - aber nur für 100 Minuten. Die Le-Mans-Prototypen verzögern in einem Rennen in Le Mans über 4.000 Mal, was keine Formel-1-Bremsanlage der Welt verkraften würde.
Die Anforderungen an die Bremsen sind in beiden Meisterschaften extrem: Die kleinste Verbesserung des Reibwerts kann in der Formel 1 entscheidende Sekundenbruchteile ausmachen, die über Sieg und Niederlage entscheiden. In Le Mans wird die Bremsanlage dem ultimativen Dauerstress unterzogen und muss neben bestmöglicher Performance auch noch 24 Stunden halten. Fortschritte in der einen Motorsportsparte helfen nicht unbedingt in der anderen weiter. Dass die Bremsscheibe aus Carbon besteht, ist fast die einzige Gemeinsamkeit.
Der Vergleich: F1/LMP1
Bremsscheibendicke: 32 mm/30-32 mm
Durchmesser vordere Bremsscheibe: 278 mm/bis zu 380 mm
Durchmesser hintere Bremsscheibe: 260-272 mm/bis zu 355 mm
Entlüftungslöcher: Zwischen 900 und über 1.400/zwischen 36 und 430
Arbeitsfenster: 350-1.000°C/350-800°C
Verschleiß pro Rennen: weniger als 1 mm/3-4 mm (Scheibe) und 8-10 mm (Belag)
Formel 1 extrem: 22 Prozent kürzere Bremswege binnen zehn Jahren
Die Formel-1-Bremsen sind in jeder Hinsicht auf einen Aspekt getrimmt: Performance. Für weggeschliffene Zentimeter Bremsweg wird gerne ein erhöhter Verschleiß in Kauf genommen. Während des Großen Preises von Belgien stehen beispielsweise 350 Bremsmanöver auf dem Programm, die diesen Namen wirklich verdienen. Generell gilt: Bei höheren Temperaturen verzögert es sich besser. So erreichen Formel-1-Bremsscheiben Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Celsius.
Da ist natürlich eine Menge Kühlung gefragt. Bremsscheiben sind innenbelüftet: Über einen Belüftungskanal gelangt Kühlluft ins Innere der Scheibe, über Löcher an der schmalen Seite der Scheibe wird diese dank der Zentrifugalkraft regelrecht ins Freie katapultiert. Je nach Kurs werden in der Formel 1 Bremsscheiben mit 900, 1.200 oder 1.400 Löchern angeboten. Die Anzahl der Löcher ist aufgrund der immer höheren Reibkräfte in den vergangenen Jahren immer größer geworden.
Trotz der enormen Temperaturen und des brutalen Trimmens auf maximale Performance fällt der Verschleiß der Bremse bei einem Formel-1-Rennen vergleichsweise gering aus: Die Bremsscheibe verliert weniger als einen Millimeter an Dicke. In Le Mans hingegen werden drei bis vier Millimeter weggeschliffen, was ganz einfach auf die viel größere Renndistanz mit rund 4.000 harten Bremsvorgängen zurückzuführen ist. Zu diesem Zweck haben die Bremsscheiben bei den 24 Stunden von Le Mans analog zu den Reifen Messlöcher. Sind diese nicht mehr sichtbar, ist die Scheibe am Ende und muss getauscht werden.
Das Le-Mans-Problem: Temperatur halten
Während es in der Formel 1 vor allem darauf ankommt, die Hitze aus der Bremsanlage effizient abzuführen, ist die Herausforderung auf dem einzigartigen Circuit de la Sarthe eine ganz andere: Hier geht es darum, die Temperatur auf der langen Hunaudieres-Geraden in den Bremsen zu halten. Fällt die Temperatur unter 350 Grad, droht eine Verglasung der Bremsscheibe. Anders als man denken mag, ist es für die Bremse schädlich, wenn sie zu weit abkühlt und dann gleich wieder belastet wird.
Auch haben die Bremsscheiben aus diesem Grund deutlich weniger Entlüftungslöcher, maximal 430 an der Zahl. Aufgrund der verwendeten 18-Zoll-Räder in der Sportwagenszene (die Formel 1 fährt weiterhin auf 13 Zoll) ist die Bremsscheibe deutlich größer. In Le Mans stehen die LMP1-Boliden 15 Prozent der Runde auf der Bremse und verzögern mit bis zu 3,5g bei Tag und Nacht. An den härtesten Bremspunkten entsteht eine Bremskraft von 105 Kilogramm.
Der Performance-Vergleich
Ein Le-Mans-Prototyp 1 verzögert binnen 3,21 Sekunden auf einer Distanz von 195 Metern von 335 auf 110 km/h für die erste Bremsschikane. Das bedeutet eine Verzögerung von 69 km/h pro Sekunde. Die Formel 1 schafft Verzögerungen von über 80 km/h pro Sekunde, beispielsweise in der Parabolica in Monza: Hier wird von 314 km/h binnen 1,22 Sekunden auf 72 Metern auf 204 km/h abgebremst. Das bedeutet eine Verzögerung von 88 km/h pro Sekunde!
Allerdings sind die Werte streckenabhängig: Monza ist eine typische "Stop-and-Go"-Strecke mit mehreren harten Bremspunkten, wodurch die Teams die Gewichtsverteilung auf eine optimale Verzögerung trimmen. Auf flüssigeren Strecken kommen die Werte da nicht heran, sind aber noch immer beeindruckend. Den höchsten Verzögerungswert gibt es auf der Hochabtriebsstrecke von Monaco: Vor der Hafenschikane verzögern die Formel-1-Boliden mit bis zu 95 km/h pro Sekunde.
In anderen Maßstäben: Auf einem Meter bei voller Pedalkraft kann ein Formel-1-Bolide 1,69 km/h abbauen. Ein LMP1 kommt lediglich auf 1,12 km/h pro Meter Bremsweg.
Klarer Punktsieg also für die Formel 1, zumal die Verzögerungsleistung auch auf den Luftwiderstand zurückzuführen ist. Und der ist beim großflächigen LMP größer als beim Monoposto. Aber der Sieg gilt natürlich nur auf eine Grand-Prix-Distanz. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans wäre ein Formel-1-Auto nach nicht einmal einem Achtel der Renndistanz mit Bremsdefekt ausgeschieden.