Todt ärgert sich über Fahrer: "Ihr habt Halo doch gefordert!"
Jean Todt musste sich viel Kritik infolge seines Halo-Alleingangs in der Formel 1 anhören - Nun schlägt der FIA-Chef zurück und kritisiert die Kritik der Fahrer
(Motorsport-Total.com) - Die Debatten über den Formel-1-Cockpitschutz Halo wollen nicht abreißen. Nach den Testfahrten in Barcelona blieb die Reaktion bei den Fahrern reserviert, unter den Fans sowieso. Halo war eigentlich im vergangenen Jahr schon auf dem Abstellgleis gelandet. Nach den gescheiterten Shield-Testfahrten beim Großen Preis von Großbritannien 2017 holte Jean Todt den Heiligenschein plötzlich wieder hervor und boxte ihn im Alleingang für die Formel-1-Saison 2018 durch. Das brachte ihm viel Kritik ein. Nun holt er zum Gegenschlag aus.
"Die Fahrer haben das selbst gefordert und das ist noch nicht allzu lange her", sagt Todt. "Am 16. Dezember 2015 habe ich einen Brief erhalten, der von Jenson Button, Sebastian Vettel und Alex Wurz unterzeichnet war. In diesem wurden wir mit Dringlichkeit aufgefordert, etwas für den Kopfschutz zu tun." Die drei Fahrer hatten zu jenem Zeitpunkt den Vorsitz in der Fahrergewerkschaft "Grand Prix Drivers Association" (GPDA), Button wurde in der Zwischenzeit von Romain Grosjean abgelöst. Als der Brief verfasst wurde, stand die Motorsportwelt noch unter Schock aufgrund des tödlichen IndyCar-Unfalls von Justin Wilson.
So ging es hinter den Kulissen her
Todt sicherte der GPDA daraufhin zu, sich unverzüglich mit Thema auseinanderzusetzen: "Wir haben die Techniker auf der Stelle damit beauftragt, sich des Themas mit hoher Priorität anzunehmen und zu sehen, was dabei herauskommen würde." Halo war der erste Entwurf, der auf dem Tisch lag. Schon damals schlugen zahlreiche Beteiligte die Hände über dem Kopf zusammen.
Doch die Fahrer hätten weiter auf eine Einführung gedrängt, erinnert sich Jean Todt weiter: "Am 27. Juli 2016 haben sie im Meeting gesagt: 'Sei kein Schwächling. Bitte beachte, worum wir dich in Sachen Sicherheit gebeten haben.' Auch das haben wir (bei unseren späteren Entscheidungen; Anm. d. Red.) beachtet."
Fotostrecke: Die Halo-Lösungen der Formel-1-Teams 2018
Halo ist in der Formel 1 angekommen - und wird von den Teams natürlich gleich als aerodynamisches Hilfsmittel missbraucht. Schon am ersten Testtag lassen sich unterschiedliche Design-Lösungen zeigen, die beweisen, dass Halo mehr als nur ein Kopfschutz ist. Auf die einfachste Variante setzt bislang Mercedes ... Fotostrecke
Dass nun teilweise dieselben Fahrer über Nebeneffekte des Halo-Systems klagen, lässt Todt den Kragen platzen: "Das hat mich völlig überrascht. Wisst ihr, ich liebe die Formel 1, aber diesen Teil der Formel 1 hasse ich. Manche Leute halten einfach nicht ihr Wort. Die wichtigsten Dinge im Leben sind für mich: Loyalität, das Einhalten von Versprechen und Respekt für das, was man in Angriff nimmt. Wir haben uns immer daran gehalten. Einige scheinen das zu vergessen."
Wolffs Kritik? "Kindergarten"
Die Kritik an Halo war auch nach den Testfahrten in Barcelona groß: Kevin Magnussen meldete mögliche Probleme bei größeren topografischen Unterschieden wie etwa in der Eau Rouge an, andere klagten über Sichtprobleme, wenn sie den Blick nicht mehr geradeaus richten. Die Startampel ist schon seit längerem Diskussionspunkt. Und über allem schwebt natürlich das Ästhetik-Argument. Toto Wolff wiederholte in Barcelona seine Forderung nach einer Kettensäge, um sich Halos auf ganz eigene Art zu entledigen.
"Das ist doch Kindergarten", schießt der Franzose zurück. "Ich halte es generell für unpassend, so über etwas herzuziehen, was eingeführt wird. Ich befürworte konstruktive Kritik, weil diese einen voranbringt. Aber öffentlich solche Kritik zu äußern ist nicht gut für den Sport. Ich sehe darin keinen Wert."
Gegenargumente kamen auch auf ganz anderer Ebene. Unter anderem Bernie Ecclestone plädierte mehrfach für mehr Risiko in der Formel 1, um den Heldenstatus der Fahrer aufrecht zu erhalten. (Manche Piloten aus früherer Zeit schließen sich dem an) "Ich finde es unglaublich, wenn Leute sagen, dass Motorsport gefährlich sein muss und dass es halt passiert, wenn es passiert", schüttelt Todt den Kopf. "Wenn wir das verhindern können, warum sollten wir nicht das Leben von wem auch immer schützen?"
Und die Ästhetik-Kritik? Man wird sich dran gewöhnen, findet Jean Todt: "Halo ist ein Sicherheitsfeature. Es ist eine grundsätzliche menschliche Eigenschaft, Änderungen reserviert gegenüber zu stehen. Aber wenn sich anhand von Erfahrungen und Tests zeigt, dass eine Änderung gut ist, sollte man sie einführen. Könnt ihr euch vorstellen, wie wir uns fühlen würden, wenn etwas passieren würde, was Halo hätte verhindern können?"