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Trotz "arglistiger" Aussage: Red Bull zieht Option auf Sainz
Exklusiv: Carlos Sainz "soll Ruhe" geben, sagt Franz Tost, und Christian Horner findet die jüngsten Aussagen des Toro-Rosso-Fahrers sogar "arglistig"
(Motorsport-Total.com) - Carlos Sainz sorgte diese Woche mit einem einzigen Satz für einen medialen Aufruhr: "Eine vierte Saison bei Toro Rosso halte ich für unwahrscheinlich", sagte er - und das ausgerechnet vor dem Heimspiel von Red Bull beim Grand Prix von Österreich in Spielberg (Formel 1 2017 live im Ticker). Das kam bei seinen Chefs Helmut Marko (Motorsportkonsulent Red Bull) und Franz Tost (Teamchef Toro Rosso) nicht besonders gut an.
"Es ist ein bisschen arglistig, solche Kommentare zu machen", ärgert sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner über den jungen Spanier. Und über die Vorgeschichte: Seit im Frühjahr 2016 nicht Sainz, sondern Max Verstappen anstelle von Daniil Kwjat zu Red Bull befördert wurde, versucht Managervater Carlos Sainz sen. (der ehemalige Rallye-Weltmeister und Dakar-Sieger), seinen Sohn bei einem seiner Meinung nach besseren Team zu platzieren. Zumindest bisher erfolglos.
Besonders der Kontakt zu Red Bulls Motorenpartner Renault wurde seitens der spanischen Rallye-Legende intensiv angezapft. Schon im Sommer 2016 hätte Sainz sen. Toro Rosso am liebsten verlassen, und auch jetzt sollen wieder Gespräche mit Renault stattgefunden haben. Außerdem wurde dem Vernehmen nach McLaren kontaktiert. Und insgeheim träumen die Spanier davon, 2018 bei Ferrari zu landen, wenn Kimi Räikkönen seine Karriere beendet.
Option für 2018 verbindlich gezogen
Aber nach Sainz' kontroversem Kommentar vor Spielberg reagiert Red Bull mit Taten: "Wir haben ihm hier die schriftliche Mitteilung übergeben, dass wir die Option für 2018 einlösen", erklärt Marko im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Tost ergänzt: "Sainz kann nur dann irgendwo hingehen, wenn Red Bull einverstanden ist. Er selbst kann gar nichts entscheiden. Der Vertrag ist wasserdicht."
Augenzwinkernd ergänzt der Österreicher: "Was sollen denn die Väter tun? Sie sitzen in der Energy-Station und langweilen sich. Die müssen fast irgendeinen Unsinn erzählen." Marko nickt zustimmend: "Wir haben Sainz in die Formel 1 gebracht. Niemand sonst wollte ihn. Er hatte keine Sponsoren, nichts. Und jetzt ist er unser Reservemann. Wir denken nicht daran, das aufzugeben, wenn für uns keine Vorteile dabei rausspringen."
Interne Aussprache in Spielberg
Vor Trainingsbeginn in Spielberg wurden die Sainz' intern offenbar gerüffelt. Zumindest scheint nun Einsicht einzukehren, dass es nicht klug war, öffentlich von einem "wahrscheinlichen" Abschied von Toro Rosso zu sprechen: "Er ist zu mir gekommen und hat mir erklärt, dass alles nur ein Missverständnis ist. Es ist aber kein Missverständnis", betont Marko. Sainz habe die Zitate, die in den Medien auftauchten, "genau so" gesagt.
360 Grad: Eine Spielberg-Runde mit Carlos Sainz
Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz stellt im 360-Grad-Video die Runde um den Red-Bull-Ring im Simulator vor Weitere Formel-1-Videos
Der 22-Jährige wirkt seit der scharfen Kritik seiner beiden Chefs eingeschüchtert. Am Rande des Grand Prix von Österreich relativiert er seine vorherigen Aussagen: "Das wurde alles ein bisschen aufgebläht. Was ich gesagt habe, ist doch nichts Ungewöhnliches. Man kann das Wort 'unwahrscheinlich' verschieden interpretieren."
"Ich finde nicht, dass ich etwas Überzogenes gesagt habe. Die Reaktion darauf war überzogen. Ich verdanke Red Bull alles, was ich in der Formel 1 bisher erreicht habe. Aber ich habe Ziele. Es wäre eine merkwürdige Situation, ein viertes Jahr bei Toro Rosso zu sein. Ich bin ein Rennfahrer mit Zielen, ein Mensch", sagt er und kündigt, vom Schlagzeilen-Wirbel peinlich berührt, an: "Von jetzt an werden wir das alles intern halten."
Versöhnliche Kommentare gegenüber Red Bull
Sainz erklärt sich: "Ich habe gesagt, dass noch niemand vier Jahre bei Toro Rosso war. Da wäre ich der Erste, und das wäre merkwürdig. Ich bin bereit für den nächsten Schritt. Ich schätze die Menschen bei Toro Rosso sehr, auch weil sie sehr professionell arbeiten. Und ich bin froh, dass die Tür bei Toro Rosso für mich offen steht. Mein oberstes Ziel ist, so schnell wie möglich für Red Bull zu fahren. Davon träume ich, seit ich 15 bin und von Red Bull aufgenommen wurde."
Tatsache ist: Mit Ziehen der Option steht Sainz für 2018 bei Red Bull unter Vertrag. Er soll weiter bei Toro Rosso eingesetzt werden. Für 2019 gibt es eine weitere Option, die bis Sommer 2018 eingelöst werden kann. Somit sollte man meinen, dass es keine Szenarien gibt, in denen der Spanier 2018 woanders als bei Toro Rosso fahren könnte. Aber Marko stellt klar: "Doch, die gibt es."
Welche Szenarien das sind, verrät er nicht. Man kann nur mutmaßen, dass etwa stark verbilligte Renault-Motoren einen Wechsel zu Renault begünstigen würden. Und sollte Verstappen Red Bull Ende 2018 verlassen, könnte man Sainz, dann ins A-Team, zurückholen. Aber: "Ich kann mir dieses Szenario nicht vorstellen", wirft Horner ein. "Toro Rosso liegt momentan vor Renault und leistet gute Arbeit. Es würde keinen Sinn ergeben, ihn zu verleihen."
Erste Wahl als Ersatzmann bei Red Bull
Zumal Sainz auch erste Wahl für einen Wechsel ins A-Team ist, falls sich einer der beiden Stammfahrer verletzen sollte. In so einem Fall jederzeit einen talentierten und erfahrenen Mann aus den eigenen Reihen nachbesetzen zu können, ist ein Luxus, den selbst Mercedes und Ferrari nicht haben.
Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Spielberg
Der Große Preis von Österreich wird zum 30. Mal ausgetragen. Der erste GP fand 1964 in Zeltweg statt, und es dauerte sechs Jahre bis zum zweiten Rennen auf dem Österreichring. Das Event auf der fast 6 Kilometer langen Strecke blieb bis einschließlich 1987 im Formel-1-Kalender. Fotostrecke
"Im Motorsport muss man immer damit rechnen, dass einmal etwas passieren kann", erklärt Tost. "Es gibt kein einziges Team in der Formel 1, das so starke Fahrer zum Auswechseln hat. Wenn zum Beispiel Ricciardo etwas passiert, sind Sainz oder Kwjat sofort bei Red Bull Racing. Diesen Luxus hat kein anderes Team, und das ist ein ganz entscheidender Wettbewerbsvorteil."
Und: "Toro Rosso fährt momentan um den fünften, sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM. Es ist nicht so, dass wir irgendwo am Ende herumkrebsen. Wir haben ein sehr gutes Team, ein sehr gutes Auto. Unsere Fahrer haben ein Top-Werkzeug in der Hand. Sollen sie das einmal ausnutzen und nicht von irgendwelchen anderen Teams träumen, die eh hinter uns sind. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn."