Wende in der Öl-Debatte: Hat Ferrari mit Zusatztank getrickst?
Neue Gerüchte in der Diskussion rund um die Zugabe von Öl im Benzin - Hat Ferrari die Performance gesteigert? - Kam der Hinweis ausgerechnet von Mercedes?
(Motorsport-Total.com) - Beim Großen Preis von Aserbaidschan hat die Diskussion um die Zugabe von Öl im Benzin am vergangenen Wochenende eine überraschende Wendung genommen. Stand bisher noch Weltmeister Mercedes im Mittelpunkt des Interesses, wenn es um dieses Thema ging, steht nun plötzlich der größte Konkurrent der Silberpfeile im Verdacht, sich in dieser Saison dieses Tricks bedient zu haben: Ferrari. Eine Direktive des Weltverbands (FIA) sorgte vor dem Rennen in Baku für neue Spekulationen.
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In Baku waren Sebastian Vettel und Ferrari im Qualifying plötzlich chancenlos Zoom Download
Rückblick: Aufgekommen war das Thema Öl im Benzin erstmals zu Beginn des Jahres, weil Red Bull Mercedes im Verdacht hatte, über diesen Trick die Performance des Motors im Qualifying zu steigern. Bewahrheitet hat sich dieser Verdacht nie, doch die FIA verschickte noch vor Saisonbeginn eine Direktive an alle Teams, in der sie davor warnte, dem Benzin Öl beizumischen.
Eigentlich hatte man erwartet, dass das Thema mit der Klarstellung der FIA im Frühling erledigt sei. Doch vor dem Baku-Wochenende gab es die bereits angesprochene zweite Direktive, was natürlich die Frage aufwirft, warum der Weltverband das Thema ausgerechnet jetzt noch einmal aufgegriffen hat. Die naheliegende Schlussfolgerung: Die FIA wurde von einem Team erneut um Klarstellung gebeten.
Horner glaubt: Mercedes gab einen Hinweis ...
Doch während es im Winter noch das Red-Bull-Team war, das den Verband auf das Thema aufmerksam machte, waschen die Bullen ihre Hände dieses Mal in Unschuld. "Ursprünglich haben wir das Thema aufgebraucht, aber andere haben es dann aufgegriffen", erklärt Teamchef Christian Horner. Stattdessen verweist er - wenn auch etwas kryptisch - ausgerechnet auf Mercedes selbst.
"Es gibt jemanden, der jetzt beim silbernen Team ist, der vom roten Team gekommen ist, der wusste, worauf man schauen muss. Dann hat die FIA einen Hinweis in diese Richtung bekommen", so Horner. Seine Anspielung ist klar: Ein ehemaliger Ferrari-Mitarbeiter, der jetzt für Mercedes arbeitet, soll die FIA auf die Sache angesetzt haben. Sind die Silberpfeile in der Sache vom "Angeklagten" jetzt also selbst zum "Ankläger" geworden?
"Ich weiß nicht, wer etwas macht ...", gibt sich Toto Wolff ahnungslos. Er denke ohnehin nicht, dass der entsprechende Trick einen sonderlich großen Effekt hätte. In der Formel 1 gebe es "keine Wunder". Der Mercedes-Teamchef erklärt, dass man "großen Respekt" vor Ferrari habe, und spielt die Sache mit einem Augenzwinkern herunter: "Normalerweise bekomme ich bei Ferrari am Sonntagmorgen immer Frühstück - heute hatte ich nur einen Tee."
Gab es einen zusätzlichen Öltank am Ferrari?
"Für mich gibt es eine Analogie zum Rugby. Während des Rennens sind sie unsere Gegner, und da nehmen sie keine Gefangenen. Aber nach dem Rennen müssen wir in der Lage sein, wie Rugbyspieler zusammen ein Bier zu trinken und die Performance des anderen anzuerkennen", so Wolff. Horner erinnert übrigens daran, dass es nicht unüblich sei, die FIA auf gewisse Sache aufmerksam zu machen. "Das gehört zum Sport dazu", erklärt er.
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Doch unabhängig von der Frage, wer in dieser Sache bei der FIA angeklopft hat, bleibt weiterhin offen, weshalb Ferrari überhaupt in Verdacht geriet - und hier wird es spannend. So soll die Scuderia bis zum Großen Preis von Kanada in Montreal einen zusätzlichen Öltank verwendet haben. Laut 'auto motor und sport' erfuhr Mercedes von dem Teil und fragte daher beim Weltverband nach.
"Meines Wissens nach musste Ferrari etwas vom Auto nehmen - und das könnte ein zusätzlicher Öltank gewesen sein", so Martin Brundle, Experte bei 'Sky Sports F1', im Rahmen des Baku-Wochenendes. Der ehemalige Formel-1-Pilot unterstellt Ferrari zwar nicht direkt Betrug, hält allerdings fest: "Ein Formel-1-Auto trägt kein überflüssiges Gramm an Gewicht, wenn es nicht zur Performance beiträgt ..."
Mercedes im Qualifying plötzlich wieder dominant
Mit anderen Worten: Wenn es diesen zusätzlichen Tank am Ferrari gab, was bisher nicht offiziell bestätigt ist, muss er einen ganz klaren Zweck gehabt haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf das Qualifyingergebnis in Baku. Kimi Räikkönen fehlten auf Platz drei bereits satte 1,100 Sekunden auf die Pole-Zeit von Lewis Hamilton, Sebastian Vettel war als Vierter sogar 1,248 Sekunden langsamer.
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Bei der Scuderia reiste man in Montreal freudiger an als man wieder abreist Weitere Formel-1-Videos
Das ist deshalb interessant, weil der Rückstand von Ferrari in der ganzen Saison noch nie auch nur ansatzweise so groß war. In Bahrain fehlten Vettel 0,478 Sekunden auf die Pole-Zeit von Valtteri Bottas - größer war der Ferrari-Rückstand in der Qualifikation im ganzen Jahr nie. In Baku war der Abstand zu Mercedes nun plötzlich mehr als doppelt so groß. Eine direkte Auswirkung der FIA-Direktive? Nicht zwangsläufig.
Brundle erinnert daran, dass Baku als Strecke "sehr spezifisch" sei, weshalb es noch "zu früh" sei, Ferrari etwas zu unterstellen. So werden wohl erst die kommenden Rennen Aufschluss darüber geben, ob Mercedes seine alte Dominanz im Qualifying zurückerlangt hat. Das wäre dann allerdings auch lediglich ein Indiz und kein Beweis für diese Theorie. Offiziell wurde der Öl-Trick nämlich weder bei Mercedes noch bei Ferrari jemals nachgewiesen ...