Gebrochener Kwjat in FIA-PK: "Entscheidung war ein Schock"
Daniil Kwjat, Max Verstappen und Carlos Sainz sprechen in der FIA-Pressekonferenz in Barcelona über den Fahrertausch im Red-Bull-Lager - Die Diskussion im Wortlaut
(Motorsport-Total.com) - Sichtlich geknickt sitzt Daniil Kwjat am Donnerstag vor dem Grand Prix von Spanien in der Pressekonferenz neben seinem neuen Teamkollegen Carlos Sainz und seinem Red-Bull-Nachfolger Max Verstappen und erklärt mit zarter Stimme, fast weinerlich, wie er von seiner Degradierung erfahren hat. Beim Schauen der TV-Serie "Game of Thrones", wo es um Machterhalt und Intrigen geht. Max Verstappen wirkt hingegen fröhlich, obwohl ihm die Situation unangenehm erscheint. Er schaut meist mit gesenktem Kopf auf den Boden. Nachfolgend die Aussagen der Red-Bull-Piloten zum Fahrertausch von Verstappen und Kwjat im Wortlaut.
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Blasses Gesicht, zitternde Stimme: Daniil Kwjat wirkt sichtlich gebrochen Zoom Download
Frage: "Carlos, es gab wesentliche Änderungen im Team-Personal bei Toro Rosso. Was ist deine Meinung dazu?"
Carlos Sainz: "Es gab viele Änderungen im Team. Ich habe nicht das Recht, das zu analysieren. Es ist nicht mein Job, Ingenieure oder Fahrer zu tauschen. Ich vertraue Toro Rosso und Red Bull in dieser Entscheidung. Das ist das Beste für das Team. Man kann auch schon erfrischte Gesichter sehen. Jetzt haben wir Dani, vielleicht können wir jetzt um den fünften Platz in der Konstrukteurs-WM kämpfen. Das war das Hauptziel am Beginn der Saison."
Frage: "Daniil, wie erklärst du dir selbst diesen Wechsel? Wie wirst du jetzt weitermachen?"
Daniil Kwjat: "Die Entscheidung war ein Schock, auch für mich selbst. Aber jetzt ist es nun einmal das, was es ist. Ich gebe meine Antworten immer auf der Strecke. Nichts verändert sich. Ich werde meine Antwort auf der Strecke so laut wie möglich geben. Es sind noch 17 Rennen zu fahren."
"Ich bin zurück bei Toro Rosso, mit denen ich 2014 gefahren bin. Ein Team, das ich sehr gemocht habe. Sie haben mir einen warmen Empfang bereitet, schon jetzt kann ich die positive Atmosphäre fühlen. Die Ziele sind klar. Ich werde alles geben auf der Strecke und dort meine Antworten geben."
Frage: "Bist du womöglich zu früh zu Red Bull gewechselt?"
Kwjat: "Nein, das glaube ich nicht. Wenn wir uns ansehen, was vor drei Wochen war, da sind wir auf dem Podium gestanden. Danach wurden einige Entscheidungen getroffen. Die Bosse treffen diese, und ich kann sie nur akzeptieren und den bestmöglichen Job machen mit dem Team, in dem ich jetzt bin. Das ist Toro Rosso. Ich denke, ich habe alles korrekt gemacht. Ich werde nichts ändern."
Frage: "Max, wie schätzt du die Chancen und Risiken dieses Wechsels so früh in deiner Karriere ein?"
Max Verstappen: "Ich bin sehr glücklich mit der Chance, die mir gegeben wurde. Ich fahre nun für ein Topteam, das war immer der Plan, das wollte ich machen. Es war ein größeres Risiko, so jung in die Formel 1 einzusteigen. Damit konnte ich gut umgehen. Jetzt muss ich mich auf ein neues Auto einstellen, das ist nicht einfach während der Saison. Und muss viele neue Prozesse lernen, aber das wird von Rennen zu Rennen kommen und ich werde es sicherlich genießen."
Frage: "Was sagst du zu Daniel Ricciardo, dein neuer Teamkollege?"
Verstappen: "Er ist ein toller Kerl. Er ist sehr schnell auf der Strecke und hat Erfahrung mit dem Team. Ich werde versuchen, viel von ihm zu lernen."
Frage: "Welche Gründe wurden euch intern für diesen Fahrertausch genannt?"
Verstappen: "Ich bin sehr glücklich mit dieser Chance, ich werde die Saison genießen. Dann werden wir sehen, was in der Zukunft passiert."
Kwjat: "Es gab keine klare Erklärung dafür. Wenn die Bosse etwas wollen, dann wird das auch passieren. Ganz einfach."
Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere des Max Verstappen
Von null auf Weltmeister in wenigen Jahren: Max Verstappens Motorsport-Laufbahn ist eine Karriere auf der Überholspur. Fotostrecke
Frage: "Daniil, wenn du jetzt eine gute Arbeit ablieferst, glaubst du, dass du wieder zu Red Bull zurückkehren kannst?"
Kwjat: "Jetzt ist es wichtig, eine gute Arbeit zu leisten. Die kommenden 17 Rennen werden sehr wichtig sein. Zuerst gute Arbeit, dann werden wir weitersehen."
Frage: "Wie schwierig ist es, nun in die Augen von Helmut Marko und Christian Horner zu blicken, die so deine Karriere blockieren?"
Kwjat: "Die ersten Stunden danach, denkt man viel darüber nach. Dann hat die Arbeit begonnen. Ich war in der Fabrik. Dort habe ich Toro-Rosso-Mitarbeiter getroffen, die sehr motiviert sind. Und ehrlich gesagt, sehe ich keine Blockade. Es gibt viele positive Momente. Ich nehme das als goldene Chance wahr. Ich mag das Team wirklich, die meisten sind noch hier. Wir können einen wirklich guten Job machen. Man hat immer Möglichkeiten und immer etwas, für das man kämpfen kann."
Frage: "Carlos, warum glaubst du, dass sie nicht dich sondern Max in den Red Bull gesetzt haben?"
Sainz: "Ich schätze, was Red Bull macht, indem sie junge Talente in ein Formel-1-Team holen. Wenn du einen guten Job machst, geben sie dir Rückhalt. Jetzt ist meine Zeit, um dafür zu kämpfen. Jetzt kann ich für meine Chance kämpfen. Wenn ich den gleichen Speed mit besseren Ergebnissen zeige, dann kann meine Chance kommen."
Frage: "Daniil, welche genaue Erklärung hast du erhalten, warum du fallen gelassen wurdest?"
Kwjat: "Das Wort 'fallen gelassen' ist ein bisschen hart, weil ich immer noch eine gute Chance von Red Bull bei Toro Rosso bekomme. Das ist positiv. Ich denke, ich habe alles für das Team getan. Ich habe Punkte eingefahren, wir haben gut zusammengearbeitet. Das ist eine Frage für andere Leute, ich sehe keinen Grund."
Frage: "Max, glaubst du, dass Daniil es verdient hat, seinen Platz zu verlieren? Und Daniil, glaubst du, dass Max deinen alten Sitz verdient hat?"
Verstappen: "Ich denke, das liegt nicht an mir, zu sagen, ob er es verdient oder nicht. Ich bin mit meiner Chance glücklich und werde das Beste daraus machen. Mal sehen, wo ich landen werde."
Kwjat: "Es gibt keinen Grund, das zu diskutieren. Speziell von meiner Seite. Es wird interessant sein, zu sehen, wer besser arbeitet und bessere Ergebnisse einfährt für die Teams, in denen wir jetzt sind."
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Frage: "Helmut Marko hat die Fahrerentscheidung auch damit begründet, da es zwischen Max und Carlos angeblich Probleme bei Toro Rosso gab. Was meinst du dazu, Carlos?"
Sainz: "Die persönliche Beziehung zwischen Max und mir ist kein Problem. Wir haben genügend Respekt, das haben wir in jedem Moment gezeigt. Es ging mehr darum, wie das Team gearbeitet hat. Daher haben Franz Tost und Helmut Marko diese Entscheidung getroffen. Zwischen Max und mir herrschte immer Sympathie. Auf der Strecke haben wir immer sehr gekämpft, wir waren immer eng beieinander. Es ging eher um das Organisatorische, weil man kein gut funktionierendes Team war. Daher hat man diese internen Entscheidungen getroffen."
Frage: "Max, möchtest du dazu etwas ergänzen?"
Verstappen: "Wir müssen noch klären, wann wir Kartfahren gehen."
Sainz: "Wir haben zuvor ausgemacht, dass wir Kartfahren gehen. Das zeigt, dass der Kampf auf der Strecke bleibt."
Frage: "Max, stimmt es, dass du auch nächstes Jahr noch in der Red-Bull-Familie bleibst und andere Teams aufhören müssen, mit dir zu sprechen?"
Verstappen: "Ich war immer sehr glücklich mit Red Bull. Jetzt haben sie mir die Möglichkeit gegeben, im Topteam zu fahren. Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern. Ich bin sehr glücklich mit ihnen, und sie mit mir. Wir wollen so weitermachen."
Frage: "Einen Grund, den Helmut Marko angegeben hat, war auch, dass du, Daniil, den Druck von Ricciardo im Team nicht ausgehalten hast. Stimmt das?"
Kwjat: "Ich bin nun sieben Jahre in der Red-Bull-Familie, der Druck ist kein großes Problem. Auch andere Leute rund um mich herum verspüren Druck."
Frage: "Habt ihr, Max und Daniil, nach der Entscheidung darüber gesprochen?"
Kwjat: "Nein, wir haben uns gesehen, das reicht. Wir müssen beide hart arbeiten. Es bringt nichts, sich Glück zu wünschen. Das hat mich nie weitergebracht, nur harte Arbeit."
Verstappen: "Ich habe ihn beim Mittagessen gesehen."
Kwjat: "Ich sah ihn jetzt."
Verstappen: "Ja, wir sitzen nebeneinander."
Frage: "Daniil, wie hast du die Entscheidung erfahren?"
Kwjat: "Ich war in Moskau, lag auf dem Sofa und habe gerade eine TV-Serie angesehen. Dann hat das Telefon geklingelt. Es hieß, man hätte Neuigkeiten für mich. Wir haben rund 20 Minuten geredet. Ich wollte eine lange Erklärung, die habe ich verdient. Ich habe viele interessante Details erfahren, die ich für mich behalte. Dr. Marko hat mich angerufen. Danach bin ich zurück auf die Couch und habe die TV-Serie zu Ende angesehen."
Frage: "Welche Serie?"
Kwjat: "Die TV-Serie? Game of Thrones."
Frage: "Würdet ihr drei um die Weltmeisterschaft kämpfen, wer würde gewinnen?"
Sainz: "Die Frage hat wenig Sinn. Egal welchen Fahrer du fragst, jeder wird sagen, dass er der Beste ist. Ich denke auch, dass ich der Beste bin. Ich bin sicher, dass auch die beiden Gentlemen neben mir oder die drei hinter mir das Gleiche sagen werden."
Kwjat: "Morgen ist ein guter Tag, um zu starten. Es wird nicht in diesem Jahr passieren, denke ich. Die Fahrer entwickeln sich immer weiter. Es gibt so viele Details und so viele Umstände, alleine schon dass man überhaupt in die Formel 1 kommt - und dann noch den Titel zu gewinnen, das ist noch einmal etwas ganz anderes. Jeder Fahrer ist eine sehr starke Persönlichkeit und hat viel Selbstvertrauen. Ich weiß, wenn ich alles richtig mache, bin ich der Beste da draußen."
Verstappen: "Jetzt kämpfen wir nicht um die Weltmeisterschaft. Das Positive ist, dass ich noch sehr jung bin, daher habe ich noch einige Jahre Zeit."
Frage: "Hast du genügend Zeit, um dich weiterzuentwickeln, Max? Oder wird es dir wie Daniil ergehen, der diese Zeit nicht hatte?"
Verstappen: "Bisher hat mich Red Bull in einer sehr guten Art und Weise geführt. Ich habe mich dabei sehr wohlgefühlt. Und wenn man sich wohlfühlt, kann man Leistung abliefern. Ist man glücklich, dann wird die Leistung besser. Eine glückliche und selbstbewusste Person performt immer besser. Im Moment fühle ich mich so. Am Ende geht es um Erfahrung, das wird von Rennen zu Rennen immer besser, Schritt für Schritt."
Frage: "Was denkst du, Daniil, welche Gründe gibt es für den Tausch?"
Kwjat: "Das ist sehr schwierig. Das ist keine Frage für mich, es war nicht meine Entscheidung. Ich habe hart gearbeitet, habe mein Bestes gegeben bei jedem Rennen. Der Start in die Saison war schwierig. Ich konnte das Australien-Rennen nicht fahren, das zweite Mal in Folge. Auch in Bahrain waren seltsame Dinge im Gange."
"Seit China haben wir eine gute Pace gefunden. Es wurde besser und besser. Qualifying in Sotschi war gut. Auch die Renn-Pace wurde besser. Manchmal ist auch harte Arbeit nicht genug. Ich habe in den vergangenen Tagen und Wochen viel gelernt, das hat mich stark gemacht. Ich fühle mich sehr stark. Jetzt bin ich bei Toro Rosso, einem Team, das mich unterstützt. Wir haben viele unerledigte Aufgaben."
Frage: "Was sagst du zu Sebastian Vettels Beschwerde während des Russland-Rennens bei Christian Horner? Hättest du das Gleiche gemacht?"
Kwjat: "Was in Sotschi passiert ist, ist passiert. Es war eine chaotische erste Runde. Ich habe mit allen Beteiligten gesprochen. Wir haben alle unsere Meinungen. Zwischen Sebastian und mir gibt es überhaupt kein Problem. Ich bin nicht daran interessiert, was er gesagt hat. Jeder hat das Recht, zu sagen, was man denkt. Ich habe keine starke Meinung zu dieser Episode."
Frage: "Ihr habt die Reifen des jeweilig anderen übernommen..."
Verstappen: "Ja."
Kwjat: "Ich denke, das ist eine Entscheidung des Teams. Sie wählen die Reifen aus. Er bekommt meine, und umgekehrt. Aber meine Punkte behalte ich. Ich will meine Punkte behalten. Und das Podium."