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Red Bull rät Gene Haas: "Besorge dir einen guten Anwalt!"
Die Formel-1-Teamchefs sind überzeugt von dem Potenzial des US-Neueinsteigers - Bescheidenheit, Erfahrung und Ferrari-Kooperation als Pluspunkte
(Motorsport-Total.com) - Ein wenig Pech, viele Pleiten und massig Pannen: Das schien in der jüngeren Vergangenheit das Programm der meisten Formel-1-Neueinsteiger. In der Szene sind sich zum Saisonstart 2016 viele sicher, dass Gene Haas mit dem Bild scheiternder Rookiemannschaften aufräumt. Die Teamchefs der Etablierten warnen ihn aber vor dem viel zitierten Haifsichbecken Königsklasse. "Ein wertvoller Ratschlag", überlegt Red-Bull-Mann Christian Horner, "besorge dir lieber einen guten Anwalt!"
Der schräge Tenor der Bemerkung dürfte ungewollt gewesen sein: Denn Haas brauchte tatsächlich einen guten Anwalt, als er sich vor sieben Jahren wegen einer Steueraffäre schuldig bekannte und zu zwei Jahren Haft sowie 75 Millionen US-Dollar Geldstrafe verurteilt wurde. Der Automotive-Unternehmer blickt nach vorne und freut sich auf die Saison mit dem Zirkus "Obwohl ich mir mein Leben lang Rennen angeschaut habe, gibt es nichts, was damit vergleichbar wäre, dabei zu sein."
Mercedes-Sportchef Toto Wolff unterstellt Haas, "den richtigen Ansatz" für sein Formel-1-Projekt gewählt zu haben. Er meint offenbar die Ferrari-Kooperation und das Outsourcing-Prinzip, denn kürzlich hatte er noch erklärt, dass aufgrund hoher Budgetanforderungen die Zeiten der Privatiers gezählt seien. Dass das Vorhaben scheitert, kann er sich nicht vorstellen, rät dem neuen Kollegen aber zu Bescheidenheit und warnt ihn vor dem gewaltigen Erwartungsdruck in der Königsklasse.
Ferrari-Kooperation als wegweisendes Modell?
Haas hat den Tipp längst beherzigt und spuckt keine großen Töne, wenn es um die Aussichten der Mannschaft geht: "Die ersten zwei Jahre nur zu den Rennen zu fahren, konkurrenzfähig zu sein und Kardinalsfehler zu vermeiden, wäre ein großer Erfolg." Trotzdem wehrt er sich nicht dagegen, dass seine Piloten Romain Grosjean und Esteban Gutierrez schon darüber sprechen, ob im ersten Jahr nicht WM-Punkte möglich wären: "Im Leben muss man die Dinge beim Schopfe packen."
Eric Boullier erkennt in dem Einstieg der Truppe aus North Carolina eine Business-Chance für die Formel 1, die trotz der Expansion der jüngeren Vergangenheit weiter von ihrem europäischen Kernmarkt lebt: "Toll, dass wir ein echtes amerikanisches Team und einen Ur-Amerikaner wie Gene unter uns haben, der auch noch Erfahrung aus der NASCAR-Serie mitbringt", findet der McLaren-Rennleiter. "Er versteht genug von Motorsport. Da muss ich ihm keinen Ratschlag geben."
Fotostrecke: Das Haas-Team der 1980er-Jahre
Vor 30 Jahren wagt sich das US-Team von Carl Haas mit Ford-Unterstützung und Ex-Weltmeister Alan Jones in die Formel 1. Es wird zu einem Desaster, nach einer vollen Saison ist Schluss. Fotostrecke
Mit der Technik- und Antriebspartnerschaft mit Ferrari, die weit über die Teilelieferung hinausgeht, könnte Haas zudem eine Möglichkeit aufgezeigt haben, kostengünstig, aber nicht chancenlos in die Königsklasse einzusteigen. "Es ist interessant, ein neues Modell zu beobachten - wie die Ferrari-Kooperation", bemerkt Renault-Primus Cyril Abiteboul. "Dieses Feld ist noch gar nicht erschlossen, weil viele Teams sich mit Kooperationen untereinander noch gar nicht befasst haben."
Der Franzose ist nicht der Meinung, dass Neulinge die Welt auf den Kopf stellen müssten: "Ich habe von vielen Leuten gehört, dass sie mit großen Plänen kommen würden und alles ganz anders machen wollten", spielt er auf gescheiterte Traumtänzer an, von denen er offenbar wenig hält: "Also: Mache nichts ganz anders, weil die guten, alten Rezepte auch funktionieren."
Maurizio Arrivabene zieht schon vor den ersten nennenswerten Erfolgen den Hut vor Gene Haas: "Wir reden zu viel über Teams, die die Formel 1 verlassen wollen und zu wenig über Leute wie Gene. Er ist ernstzunehmen, hat Geld, ist leidenschaftlich und besitzt viel Erfahrung. Ihm muss ich keinen Ratschlag geben, ihm muss ich gratulieren", huldigt der Ferrari-Teamchef und spielt auf die Zusammenarbeit mit Maranello an: "Er hat einen guten Anwalt... Und er weiß ihn zu nutzen."