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McLaren-Honda: Warum Ron Dennis gehen muss
Chefredakteur Christian Nimmervoll analysiert rein subjektiv, warum Hondas goldene Ära seit 23 Jahren vorbei ist und der große Ron Dennis zurücktreten sollte
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
© xpbimages.com
Für Ron Dennis war 2015 ein schwierig zu ertragendes Jahr in der Formel 1 Zoom Download
27 Jahre ist es her, dass McLaren-Honda die Formel 1 dominiert hat, wie das noch keinem anderen Team in der Geschichte der Königsklasse gelungen ist. Mercedes hat zwar 2015 einen neuen Rekord aufgestellt, was die prozentuale Punkteausbeute angeht, aber dass Ayrton Senna und Alain Prost 1988 15 von 16 Rennen (also 94 Prozent) gewonnen haben, ist bis heute unerreicht. Und wäre in Monza nicht Jean-Louis Schlesser im Williams dem Senna-McLaren beim Überrunden im Weg gestanden, der stolze Ron Dennis hätte mit seinem Dream-Team alle Rennen gewonnen.
Der unglaubliche Erfolg der Saison 1988 stand auf drei Säulen. Erstens hatte Dennis mit Senna/Prost die beiden besten Fahrer jener Epoche engagiert. Zweitens war das Chassis von Steve Nichols und Gordon Murray gegenüber dem mäßig erfolgreichen McLaren MP4/3 von 1987 ein riesiger Fortschritt. Murray hatte eine Idee zu McLaren mitgebracht, die bei Brabham nie funktioniert hatte, nämlich ein extrem niedriges Chassis zu bauen. Bei seinem früheren Team scheiterte das am BMW-Motor.
Hondas guter Ruf ist eine Verklärung der Geschichte
Und damit sind wir bei drittens: Dennis war es gelungen, seinem Rivalen Frank Williams die heiß begehrten (weil dominanten) Honda-Motoren abspenstig zu machen. Überliefert ist, dass er den Honda-Managern erklärt haben soll, ein Mann im Rollstuhl könne kein Formel-1-Team führen - und Williams war seit einem Autounfall im März 1986 querschnittgelähmt. Die Kombination aus neuem McLaren-Chassis, Honda-Power und den besten Fahrern im Feld war dann unschlagbar.
Aber das McLaren von 2015 ist nicht mehr das McLaren von 1988, und die damals gültige Fahrerlager-Weisheit, das alles, was Honda in der Formel 1 anfasst, zu Gold wird, ist längst Geschichte. Honda zog sich Ende 1992 aus der Königsklasse zurück - und konnte seither nie wieder an frühere Erfolge anknüpfen. Der (trotz der Saison 2015) grundsätzlich gute Ruf von Honda in der Formel 1 ist eine historische Verklärung.
Mit einem Dallara-Testchassis wollte sich der japanische Automobilhersteller 1999 auf ein werksseitiges Comeback mit einem eigenen Team vorbereiten, doch das Projekt wurde nach dem Tod von Chefdesigner Harvey Postlethwaite bei Testfahrten in Barcelona eingestellt. Stattdessen kehrte man im Jahr 2000 als Motorenlieferant mit British American Racing (BAR) zurück, feierte aber in sechs Jahren keinen einzigen Sieg.
Honda-Blamage mit dem "Earth-Car"
2006 übernahm Honda BAR, gewann mit Jenson Button am Steuer etwas glücklich den verregneten Grand Prix von Ungarn, ging aber 2007 und 2008 mit dem "Earth-Car" sang- und klanglos unter. Ende 2008 zog der Vorstand in Japan angesichts der Weltwirtschaftskrise den Stecker. Beim letzten Rennen in Sao Paulo brannte nach der Zieldurchfahrt in der Boxengasse Buttons Honda-Motor ab - ein symbolträchtiger Abschluss einer völlig missglückten Ära.
Tatsache ist also: Seit Gerhard Bergers Sieg auf McLaren in Adelaide 1992 hat Honda, überspitzt formuliert, nichts mehr gerissen. Der Sieg von Olivier Panis auf Ligier-Mugen-Honda in Monaco 1996 war ein Glückstreffer, bei den drei Jordan-Siegen 1998/99 war nicht der Motor das primäre Erfolgsgeheimnis. Das eigene Werksprojekt scheiterte kläglich, und in der BAR-Ära mag man nicht den besten Partner gehabt haben, man hatte aber auch nicht die meisten PS.
Erfolg gesät, aber nicht geerntet
Die Idee, Ross Brawn als Teamchef an Bord zu holen, um das eigene Werksteam endlich an die Spitze zu führen, ging auf - aber als Brawn die von Honda gesäte Ernte einfuhr, waren die Japaner schon ausgestiegen. Das Erbe des Erfolgsteams von 2009 übernahm dann ausgerechnet Mercedes. Und während die Silberpfeile auf jenem Fundament, dessen Bau damals begonnen wurde, von Triumph zu Triumph eilen, ist McLaren-Honda nur noch ein Schatten seiner selbst.
Auch wenn ich mich damit bei der McLaren-PR nicht beliebt mache: Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an. Ron Dennis ist rücktrittsreif. Er war es, der Martin Whitmarsh vor die Tür gesetzt hat, er war der Grund für die Trennung von Mercedes, er war es, der die Honda-Motoren an Land gezogen hat. Er war es auch, der Alonso zurückgeholt hat, obwohl das schon 2007 kläglich gescheitert ist - wobei das noch das geringste aller Probleme ist, die McLaren derzeit hat.
Ron Dennis war es auch, der ein Titelsponsoring-Angebot von Johnny Walker Ende 2014 abgelehnt hat (so berichtet es zumindest der 'Telegraph'), weil ihm 60 Millionen zu wenig waren. Unter seiner Regie konnte Vodafone nicht zum Weitermachen überredet werden, und mit TAG Heuer und Hugo Boss gingen zwei jener Sponsoren an unmittelbare Konkurrenten verloren, von denen man dachte, dass sie auf immer und ewig bei McLaren bleiben würden.
Der Kreislauf muss durchbrochen werden
Man kann von außen den Eindruck gewinnen: McLaren hält sich immer noch für eine der besten Adressen in der Formel 1. Das ist Realitätsverweigerung. Es gibt in Woking keinen Adrian Newey und keinen Paddy Lowe mehr, und selbst Champions wie Alonso und Button können nicht mehr tun als am Funk verzweifelt "GP2-Motor" zu stöhnen, um ihre Chefs wachzurütteln. Der Motor ist schlecht, die Sponsoren laufen davon. In der WM fällt man zurück, von der FOM kommt weniger Geld.
Fotostrecke: Glorreiche Sieben: Alle McLaren-Champions
Feiern gehört bei McLaren zum Programm: Insgesamt zwölfmal konnte sich das Team aus Woking in seiner ruhmreichen Formel-1-Geschichte bisher die Fahrer-Weltmeisterschaft sichern. Lediglich Ferrari ist mit 15 Titeln in dieser Hinsicht noch erfolgreicher. Doch wer sind die sieben Männer, die sich bisher in einem McLaren zum Formel-1-Weltmeister krönen konnten? Fotostrecke
Die Katze beißt sich selbst in den Schwanz, die Abwärtsspirale ist kaum noch aufzuhalten. Weniger Geld bedeutet, dass man die kreativsten und besten Ingenieure nicht mehr locken kann, aber ohne die werden die Autos nicht besser. Irgendwann werden auch die beiden Starpiloten genug haben, und wenn keine Perspektive mehr da ist, wird auch Honda einsehen, dass das aktuelle Antriebskonzept zu ambitioniert und von Anfang an eine Fehlgeburt war.
Neuanfang bei McLaren unausweichlich
Es braucht einen Neuanfang bei McLaren, wie er vor jeder großen Ära eines Formel-1-Teams notwendig war. Ferrari wurde mit Michael Schumacher die italienische Schlampigkeit los, McLaren wechselte die technische Leitung und den Motor aus, ehe Mika Häkkinen zweimal Weltmeister wurde, und Renault installierte in Enstone eine völlig neue Führungsgeneration, um 2005 und 2006 Weltmeister werden zu können. Selbst Ferrari musste sich neu erfinden und Personal austauschen, ehe es 2015 wieder aufwärts ging.
Fest steht: McLaren muss sich neu aufstellen. Ansonsten war 2015 kein Seuchenjahr, sondern der Anfang vom Ende.
Ihr
Christian Nimmervoll
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