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Ex-Formel-1-Fahrerin Giovanna Amati: Schade um Susie Wolff
Giovanna Amati war 1992 als letzte Frau zu einem Grand Prix gemeldet - Vorurteile, ein Geiselnahme sowie unterlegenes Material prägten ihre kurze Formel-1-Karriere
(Motorsport-Total.com) - Die Liste an Formel-1-Einsatzfahrerinnen ist eine äußerst kurze. Insgesamt waren in der Geschichte der Königsklasse bisher fünf Fahrerinnen zu 29 Grand Prix gemeldet. Die beiden herausstechendsten waren Maria Theresa de Fillipis, die 1958 und 1959 zu fünf Rennen gemeldet war und sich für drei qualifizieren konnte sowie Lella Lombardi, der es bei insgesamt zwölf erfolgreichen Qualifikationen zwischen 1974 und 1975 als einziger Frau gelang zu punkten. Ihr halber Punkt beim tragischen Grand Prix von Spanien 1975 in Montjuic ist bis heute in der Geschichte der Formel-1-Starterinnen einzigartig.
Die letzte Teilnehmerin bei einer Qualifikation war Giovanna Amati, die 1992 an drei Grand-Prix-Wochenenden als Stammfahrerin für Brabham im Einsatz war. Man mag die Rundenzeiten der 1962 geborenen Italienerin, mit der sie regelmäßig vier Sekunden langsamer war als Teamkollege Eric van de Poele, belächeln und ihren Stammplatz auf die Beziehung zum damaligen Benetton-Teamchef Flavio Briatore reduzieren. So einfach ist es mit dem Urteil dann aber doch nicht.
Amati wuchs gut betucht als Tochter des italienischen Kinobesitzers und Filmproduzenten Giovanni Amati auf. Mit zirka acht Jahren begann sie sich für alles fahrbare zu interessieren, wie sie gegenüber der britischen 'BBC' berichtet: "Ich habe es genossen alles zu fahren, was ich finden konnte, sogar den Traktor auf unserem Landhaus."
Opfer bei Geiselnahme im Alter von 18 Jahren
Der Wohlstand ihrer Familie wurde der heutigen Journalistin und Formel-1-TV-Expertin für den italienischen Fernsehsender RAI im Alter von 18 Jahren zum Verhängnis. 1978 wurde sie von einer Terroristengruppe um Jean Daniel Nieto gekidnapt und im französischen Marseille für 70 Tage als Geisel gehalten. Mit einem Lösegeld von damals 800 Millionen Lira italienischen (damals umgerechnet etwa 900.000 US-Dollar) wurde die junge Frau freigekauft.
Fotostrecke: Frauen erobern die Formel 1
Mit ihr fing alles an: Maria Teresa de Filippis war 1958 in Monaco die erste Frau, die versuchte, sich für ein Formel-1-Rennen zu qualifizieren. Das gelang ihr aber erst später in jenem Jahr, als sie in Spa-Francorchamps Zehnte wurde. Als Teenager noch vom Reitsport begeistert, begann sie ihre Karriere als Rennfahrerin, nachdem ihre Brüder gewettet hatten, dass sie am Steuer eines Sportwagens keine Chance haben würde. De Filippis gewann aber gleich ihr erstes Autorennen in einem FIAT 500. Kleine Randnotiz: Bei ihrer Formel-1-Premiere in Monaco 1958 scheiterte auch ein gewisser Bernard Charles Ecclestone an der Qualifikation. Fotostrecke
Obendrein gab es schlechte Presse, die Amati Romanzen zu ihrer Entführergruppe unterstellte. "Alle Geschichten, die ihr in den Zeitungen gelesen habt, waren falsch, absolut falsch. Als ich rauskam, wollte ich einfach nur zurück zu meiner Familie, damit die Gruppe verhaftet wird. Das sind die Geschichten, die die Medien rausbringen", rügt sie die Gerüchte über ihr Verhalten während ihrer Geiselnahme.
Nieto wurde gefasst, konnte jedoch 1989 aus dem Gefängnis fliehen, bevor er 2010 erneut verhaftet wurde. Die schreckliche Erfahrung musste sie erst verarbeiten: "Drei Monate in Gefangenschaft machen dich stärker. Entweder wirst du verrückt oder stärker - und mich hat es stärker gemacht." Bilder über die Geiseln des IS erregen aus der Selbsterfahrung heraus heute ihr tiefstes Mitleid.
Erfolg in der Formel 3, Formel-1-Chance über Nacht
Danach tüftelte Amati an ihrer Rennfahrerkarriere und konnte sowohl in der italienischen Formel Abarth als auch in der Formel 3 zwischen 1981 und 1986 sogar einige Rennen gewinnen. In der europäischen wie in der japanischen Formel 3000 geriet ihre Karriere jedoch ins Stocken. Die Ergebnisse blieben aus, für die Rennen konnte sie sich nicht immer qualifizieren. Geld für Kategorien abseits von Nachwuchsserien fehlte zudem.
Die Chance Formel 1 zu fahren, ergab sich für die damals 29-Jährige im Januar 1992 quasi über Nacht. "Mein Vater lebte schon nicht mehr, aber zu dieser Zeit wurde einer seiner Freunde Premierminister von Italien", meint sie damit Giulio Andreotti: "Er gab mir einen Termin um 5:45 Uhr morgens. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, da ich darüber nachgedacht habe, was ich sagen würde. Ich war verzweifelt."
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"Mit diesem Auto konnte ich mich nicht qualifizieren und das Problem war, dass sie mir danach nicht noch einmal eine Chance gaben", schildert sie ihre Sicht der Dinge. Dem steht jedoch gegenüber, dass sie sich in den Trainingssessions beim Saisonauftakt sechsmal drehte. In der Konsequenz wurde sie ab dem Rennen in Barcelona durch den späteren Weltmeister Damon Hill ersetzt.
Fahrerkollegen: Was macht die hier?
Neben dem Kampf mit maroder Ausrüstung musste sie zusätzlich mit Vorurteilen von Fahrerkollegen und Teambesitzern zu kämpfen: "Sie dachten sich 'Was macht sie hier? Das ist nicht ihr Platz, das ist mein Platz (auf dem ich sein sollte; Anm. d. Red.).' Es ist schwierig, diese Einstellung zu ändern, doch das kümmerte mich damals nicht und kümmert mich heute immer noch nicht."
Amati wandte sich anschließend der Sportwagen-Szene zu. Unter anderem 1993, als sie die Frauenwertung des Porsche Super Cups gewann. Zwischen 1994 und 1996 brachte sie konstante Ergebnisse in der Ferrari Challenge. Ihr größter Erfolg war der dritte Gesamtrang in der SR2-Kategorie der FIA Sportscar Championship.
Befürworterin einer Frauen-Formel
Dass Frauen in der Männerwelt Formel 1 lang- bis mittelfristig Erfolg haben, hält die heute 56-Jährige für nicht realistisch: "Sei abseits der Strecke eine Frau, nicht auf der Strecke. Auf der Strecke musst du wie ein Mann sein. Warum einen pinkfarbenen Helm tragen? Das ist verrückt. Wenn du sie schlagen willst, musst du wie sie sein. Vielleicht hat mich die Kidnapping-Erfahrung stärker als einen Mann gemacht."
Trotz dieser Aussage findet sie Gefallen an Bernie Ecclestones Vorstoß, eine reine Frauen-Formel einzuführen, um Rennfahrerinnen die Chance einzuräumen, einen Formel-1-Wagen im Rennbetrieb zu bewegen. Damit positioniert sie sich ähnlich wie Lotus-Testfahrerin Carmen Jorda. Letztere erhielt dafür vor allem Gegenwind durch Ex-Rallye-Vizeweltmeisterin Michele Mouton, die Frauenbeauftragte der FIA.
"Ich denke, dass Bernies Idee sehr schön ist", führt Amati aus: "Aber wer zahlt dann dafür? Jetzt gibt es 20 Autos in der Formel 1 und ich kann nicht sehen, dass sich irgendeine Frau unter den Top-20-Piloten der Welt befindet. Als ich fuhr, waren es 32 Autos".
Über Susie Wolff: "Eine talentierte Frau"
"Vielleicht sollte man eine Formel 1 mit alten Autos veranstalten oder vielleicht sollte die, die das Rennen gewinnt dann bei den Männern fahren oder so etwas", macht sie sich darüber Gedanken, ob das Unterfangen realistisch wäre.
Dennoch betrachtet sie das Karriereende Susie Wolffs als problematisch: "Sie ist eine talentierte Frau. Wenn du nicht erreichst was du willst, hörst du auf. Das ist die einfachste Entscheidung. Aber es ist eine persönliche Entscheidung. Ich hoffe, sie wird ihre Meinung in ein oder zwei Jahren ändern, da sie noch jung genug ist wo anders zu fahren, zum Beispiel in der GT, in Indianapolis oder Le Mans."