• 25. Mai 2015 · 08:52 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Warum Monaco ein Wendepunkt in der Formel-1-WM 2015 gewesen sein könnte und Lewis Hamilton Gefahr läuft, sein Erfolgs-Selbstverständnis zu verlieren

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Lewis Hamilton ist der moralische Sieger des Grand Prix von Monaco 2015 Zoom Download

Lewis Hamilton, da sind sich alle einig, hat die Formel-1-Saison 2015 bisher dominiert. Mit Ausnahme von Barcelona, wo er einmal in der Position von Nico Rosberg und nach der ersten Runde nicht in Führung war, hatte er an sechs Rennwochenenden fast ununterbrochen den besten Speed. Und trotzdem steht er nach sechs von 19 Grands Prix "nur" mit 126 WM-Punkten da. Das sind zehn mehr als Rosberg - und spiegelt das eigentliche Kräfteverhältnis im Titelkampf nicht realitätsnah wider.

Gerade Monaco hätte er nur zu gern gewonnen. Erst einmal, nämlich 2008, ist ihm ein Sieg im Fürstentum gelungen. Gerade in Monaco wachsen Ausnahmekönner oftmals über sich hinaus. Michael Schumacher hat fünfmal gesiegt, Alain Prost und Graham Hill auch. Und Ayrton Senna sogar sechsmal. Ausgerechnet Senna, sein großes Vorbild. Aber dessen Monaco-Rekord wird für Hamilton wahrscheinlich unerreicht bleiben. Obwohl er gestern drauf und dran war, zumindest Sieg Nummer 2 einzufahren.

Zu dem, was während der Safety-Car-Phase passiert ist, hat Toto Wolff schon alles gesagt. Aber eine Situation blieb bisher ungeklärt. Nämlich als Hamilton nach der Zieldurchfahrt eingangs Tunnel kurz stehen blieb, dann aber doch weiterfuhr. Der erste Verdacht war: Nach der bitteren Enttäuschung, dass ihm ein verdienter Sieg gestohlen wurde, wollte er gar nicht mehr zur Siegerehrung. Sondern, genau wie Senna 1988, direkt in sein Appartement.

Hamilton, ansonsten kein guter Verlierer (wie das große Champions eben so an sich haben), fuhr dann aber doch zurück zu Start und Ziel, gratulierte Rosberg artig, ließ die Siegerehrung in der Fürstenloge im Zeitlupentempo über sich ergehen. Er kann letzte Nacht gar nicht gut geschlafen haben. Denn nach Rosbergs Sieg in Barcelona war für ihn klar: In Monaco werde ich das korrigieren und die Hackordnung in der Weltmeisterschaft wiederherstellen. Weil ich der Beste bin.


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Monaco


Ein Selbstverständnis, das durch Ereignisse wie gestern ins Wanken geraten könnte. Rosberg hat sich Barcelona selbst erkämpft, aber das konnte Hamilton als Ausrutscher abhaken. Monaco hätte zeigen sollen, wer wirklich der Beste ist. Hat es auch. Aber eben nur auf der Strecke und nicht auf der Ergebnisliste. Und selbst wenn alle wissen, wer gestern der moralische Sieger des wichtigsten Autorennens der Welt war: Das tut weh. Besonders einem von Ehrgeiz durchtriebenen Fahrer wie Hamilton.

Eigentlich schwebte er in den vergangenen Wochen auf einer Wolke des Erfolgs. Auf der Strecke konnte ihm niemand das Wasser reichen, der neue Mercedes-Vertrag war endlich fertig verhandelt und unterschrieben. 100 Millionen Euro für drei Jahre, heißt es - was einem "Kilometergeld" von jenseits 5.000 Euro entspricht, wie irgendein schlauer Kopf ausgerechnet hat. Aber was nützen Hamilton seine Million, wenn er Rennen nicht gewinnt, die er eigentlich schon längst gewonnen hatte?

Martin Brundle stellte nach dem Grand Prix von Monaco eine wichtige Frage: Wie soll Hamilton je wieder den Entscheidungen seines Teams vertrauen? Muss er jetzt nicht jedes Mal befürchten, dass sich der Computer verrechnet hat, wenn man ihm sagt, er soll an die Box kommen? Vertrauen ist das höchste Gut für einen Rennfahrer. Nur Vertrauen macht Leistungen möglich, wie sie Hamilton bisher gezeigt hat. Und dieses Vertrauen hat gestern einen Riss erlitten. Mindestens.

Kleine Störfaktoren, die bisher keine Rolle gespielt haben, könnten nun ins Bewusstsein rücken. Wenn man Rennen verliert, denkt man über Dinge nach, die man ansonsten nicht einmal wahrgenommen hätte. Etwa die Kritik, dass ein Jetset-Leben inmitten von Hollywood-Promis und Supermodels für das Wesentliche, nämlich das schnelle Rennfahren, kontraproduktiv ist. Das findet sogar Damon Hill, und der muss es wissen. Er war 1996 selbst Weltmeister.

Hamilton düste am Donnerstagabend nach dem Freien Training mit dem Auto nach Cannes, um sich bei einer Charity-Party mit Model Gigi Hadid zu treffen. Rosberg blieb indes zu Hause, bei seiner schwangeren Frau Vivian, ging früh ins Bett und schlief lieber im für seine Tochter gedachten Kinderzimmer, weil ihm die Bar unter seinem Schlafzimmer zu laut war. Gegensätzlicher könnte die Vorbereitung auf einen Klassiker wie Monaco kaum sein.

Hamilton muss nun in Montreal, auf einer seiner Lieblingsstrecken, beweisen, dass er 2015 der beste Fahrer ist. Dass ihm Rosberg, zwei Siege hin oder her, nicht das Wasser reichen kann. Dass zehn Punkte Vorsprung gemessen an den gezeigten Leistungen zu wenig sind. Und dieser Druck kann an einem nagen. Selbst ein Hamilton ist kein Übermensch. Und fängt jetzt vielleicht über Dinge nachzudenken an, die ihm bisher völlig automatisch von der Hand gegangen sind. Das kann einen Erfolgsrun ganz schnell beenden und eine Weltmeisterschaft kippen lassen.

Ihr
Christian Nimmervoll

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