Die "neuen" Technikchefs: Erst Schrauber, jetzt Spiritus rector
Pat Symonds und James Allison haben Traditionsteams zurück auf den Erfolgspfad gebracht, weil sie mit der klassischen Interpretation ihrer Rolle brachen
(Motorsport-Total.com) - Trotz sporadischer Erfolge: Der einstige Ruhm von Williams und Ferrari schien in der Ära Red Bull und unter der beginnenden Mercedes-Dominanz zu verblassen. Doch die Formel-1-Traditionsteams bewerkstelligten das Comeback. Sie fanden nicht zurück zu der Übermacht, die sie zu Beginn der Neunzigerjahre respektive kurz nach der Jahrtausendwende prägte, aber mit ihnen ist im Kampf um Grand-Prix-Erfolge wieder zu rechnen. Zünglein an der Waage waren zwei Männer aus zweiter Reihe.
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Pat Symonds und James Allison sind nicht nur begabte Techniker, auch Psychologen Zoom Download
Die Rede ist von den Technikchefs: Williams verpflichtete im Sommer 2013 Formel-1-Dinosaurier Pat Symonds als Technikchef und installierte ihn als Spiritus rector neben dem aufstrebenden Chefingenieur Rob Smedley. Ferrari angelte sich den Mann, der zuvor trotz knappem Budget aus dem Lotus ein Topauto gemacht hatte: James Allison. Beide kennen sich aus ihrer Zeit bei Benetton und dem damaligen Renault-Werksteam. "Da scheine ich ihn etwas zu gut motiviert zu haben", so Symonds lachend.
Stichwort: Motivation. Der 61-Jährige betont, dass die psychologische Komponente seines Jobs eine viel ausgeprägtere sei als zu Beginn der Achtzigerjahre, als er mit einem Aerodynamik-Diplom in der Tasche frisch aus Oxford zu Toleman kam und die ersten Formel-1-Schrauben drehte. "Als ich angefangen habe, haben wir viel mehr direkt am Design gearbeitet. Erst als die Teams ihre jetzige Größe erreichten, musste man Manager werden, Leute motivieren und das Budget klug einsetzen."
"Technischer Manager": Ross Brawn als Vorbild
Nach Stationen bei Benetton, Renault und Virgin mit den verschiedensten Zuständigkeiten ist Symonds in seiner Rolle als Williams-Ideengeber aufgegangen: "Ich verbringe mehr Zeit in dieser Funktion als als klassischer Ingenieur." Das Gleiche behauptet auch Allison von sich. Sein Vorbild war allerdings nicht Weggefährte Symonds, sondern eine andere Kommandostand-Größe, unter der der Cambridge-Absolvent seinen Formel-1-Schliff erhielt: "Ich hatte das Glück, mit Ross Brawn zu arbeiten", betont Allison.
Genauer gesagt zweimal: während seiner von einem Larousse-Abstecher unterbrochenen Zeit bei Benetton und seinem ersten Ferrari-Engagement. "Er war einer dieser technischen Manager, der sich nicht viel eingemischt hat. Er war unglaublich begabt, Leute für Führungsrollen auszuwählen und die Ressourcen gewinnbringend einzusetzen", so Allison, der sich den Ex-Chef zum Vorbild nimmt: "Er ließ den Leuten Raum zum Atmen, schritt aber ein, wenn Dinge schiefgingen. Das war mir eine Lektion."
Jeder Technikchef ist anders: Besonders Adrian Newey
Symonds betont, dass der Regiestuhl in der Technikabteilung mit viel Verantwortung verbunden ist - selbst wenn die Koryphäen nicht mehr selbst den Bleistift schwingen, sondern ihren Mitarbeitern als Leuchtturm dienen. "Man kann nicht in jede Richtung entwickeln, nichts per Rundumschlag lösen", so Symonds, der seine Passion für die Ingenieurkunst nicht verloren hat: "Trotzdem gilt ihr meine Leidenschaft. Ich schaue mir noch immer jedes Designdossier an. Es dauert, ehe man mich auf das Altenteil schiebt."
Als allgemeines Modell will Allison den Technikchef als Spiritus rector nicht verstanden wissen und erinnert an Red-Bull-Guru Newey: "Auch wenn sich der Sport gewandelt hat, kommt es auf den Menschen an. Würde Adrian hier sitzen, würde er sagen, dass er viel Zeit am Zeichenbrett verbringt würde und sehr direkten Einfluss darauf hätte, was mit den Autos passiert."