Coulthard setzt auf Hamilton: "Kennt 2014 keine Nervosität"
David Coulthard erklärt, warum es oft schwieriger ist, Zweiter als Erster zu werden, und er dennoch keine Sorge hat, dass Lewis Hamilton wieder zum Nervenbündel wird
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton kennt das Szenario bereits: Wenn sein Titelrivale beim Saisonfinale gewinnt, dann würde ihm eine gewisse Platzierung reichen, um Weltmeister zu werden. 2008 war es Rang fünf, den der Brite in Sao Paulo erreichen musste - und bis zur letzten Kurve war es eine Zitterpartie. Nun muss der 29-Jährige in seinem überlegenen Mercedes-Boliden einen zweiten Platz einfahren. Das klingt nach der Papierform nach einer ebenso einfachen Aufgabe wie damals, wenn man bedenkt, dass sich Hamilton zuletzt in den Rennen als schnellster Mann erwiesen hat.
Doch Titelentscheidungen sind oft eine Nervensache. Das weiß auch Sebastian Vettel, der 2013 ebenfalls in Sao Paulo als Favorit gestartet war und dann bei einer Kollision in der Startphase beinahe ausgeschieden wäre. Das Problem ist, dass sich Piloten in einer unnatürlichen Situation befinden, wenn sie nicht ohne Hintergedanken attackieren können.
Warum es so schwierig ist, Zweiter zu werden
Das weiß auch David Coulthard: "Es kann sich auf Fahrer seltsam auswirken, wenn sie mit dem Wissen in ein Rennen gehen, ein gewisses Ergebnis einfahren zu müssen. Wenn man während des Fahrens bewusste Entscheidungen treffen muss, dann eröffnet das Spielraum für Fehler. Die Konzentration kann darunter leiden."
Der ehemalige Formel-1-Pilot verweist gegenüber dem 'Telegraph' auf seinen letzten Grand Prix - interessanterweise ebenfalls in Interlagos 2008: "Ich war entschlossen, ins Ziel zu kommen. Ich war daher vorsichtiger als ich es sonst gewesen wäre, um mich in der ersten Kurve aus Kollisionen herauszuhalten. Aber dann hat mich Nico (Rosberg, Anm. d. Red.), der für Williams fuhr, umgedreht, ehe mich sein Teamkollege abschoss. Das Rennen war in der zweiten Kurve vorbei."
Ist es daher für Rosberg einfacher, der wie in jedem Rennen das Maximum herausholen muss? Coulthard ist nicht dieser Meinung: "Lewis hat keinen Druck. Er muss nur fahren. Selbst, wenn er es konservativer angeht, sollte er immer noch in der ersten Startreihe stehen, Zweiter und damit Weltmeister werden, weil sein Auto so dominant ist."
Hamiltons Wandel
Doch genau in diesen Situationen hat Hamilton früher öfter Nerven gezeigt: Wir erinnern uns eben an Sao Paulo 2008, aber auch an China 2007, als er bei Regen mit völlig abgefahrenen Reifen bei der Boxeneinfahrt ins Kiesbett rutschte und ausschied - ein Fehler, der ihn schließlich den Titel kostete.
Fehler sind aber bei Hamilton "diese Saison sehr selten", fällt Coulthard auf, dass das einstige Wunderkind gereift und heute ein "instinktiver, kompletter Rennfahrer" ist. "Er macht im Rad-an-Rad-Duell keine Fehler. Er hat vielleicht die Angewohnheit, sich im Freitagtraining zu drehen, aber in Abu Dhabi muss er nicht so stark attackieren."
Auch die Nerven spielten ihm diese Saison kaum Streiche. "Das Wort Nervosität scheint dieses Jahr in seinem Wortschatz gar nicht vorzukommen", drückt es der Schotte noch drastischer aus. "Nicht einmal, wenn er zurücklag und aufholen musste. Das Wissen, dass er der schnellere Mann ist, entspannt ihn. Selbst in Brasilien, wo er diesen halben Dreher hatte, hat er gezeigt, dass er Nico im Griff hat."
Hamilton eindeutiger Favorit
Das zeigt auch die Analyse der aktuellen Saison.: Rosberg konnte seine Rennen aus der Pole-Position nur unter außergewöhnlichen Umständen gewinnen: am Sonntag in Brasilien, als sich Hamilton drehte, in Deutschland, als Hamilton vom Ende des Feldes losfuhr, und in Monaco, wo das Überholen so gut wie unmöglich ist. In den Rad-an-Rad-Duellen zog Rosberg meist den Kürzeren.
Dieser Ansicht ist auch Coulthards Red-Bull-Kollege Mattias Ekström. Der DTM-Pilot stellt gegenüber 'ServusTV' klar, dass er Hamilton den Titel mehr gönnen würde: "Ich würde mein Geld auf ihn setzen, und wenn Gott im Himmel ein fairer Junge ist, dann wird er glaube ich auch Meister. Qualifying schön und gut, aber für mich zählt immer, wer im Rennen am besten mit den Reifen umgehen kann und am schnellsten ist. Dass Lewis alles gibt, das sieht jeder. Das gefällt mir an ihm."