Kaltenborn: "Mehr Rennen, mehr Geld - so einfach ist es nicht"
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn freut sich über die Rückkehr nach Mexiko, sieht andere Entwicklungen aber kritisch: Hockenheim war symptomatisch
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 kehrt 2015 nach 23 Jahren wieder nach Mexiko zurück. Diese Nachricht sorgte bei vielen Mitgliedern der Königsklasse für Freude, den größten Jubel dürfte man allerdings bei Sauber vernommen haben. Das Schweizer Team ist seit Jahren eng mit Sponsoren und Partnern aus Mexiko verbunden, daher hat der Schritt in Richtung Mexiko City für die Mannschaft aus Hinwil eine große Bedeutung. 20 Rennen sind derzeit für das kommende Jahr geplant.
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Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn kritisiert aktuelle Entwicklungen Zoom Download
Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone hatte ursprünglich 19 Läufe im Jahr 2015 in Aussicht gestellt, mit 20 Grands Prix können jedoch alle Teams leben. Es ist das Maximum, was vielen noch machbar erscheint. Dabei könnte die Königsklasse ihre Einnahmen womöglich durch weitere Rennen steigern. "Das stimmt nur dann, wenn mit allen Rennen viel Geld zu machen ist", schränkt Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn ein.
"Es sind in den vergangenen Jahren einige Rennen aus dem Kalender geflogen, weil Zahlungen nicht geleistet werden konnten, oder nur reduziert. Man darf nicht erwarten, dass der Promoter dieses Niveau halten kann. Wir sind da schon an einem Scheideweg", sagt die Österreicherin. "Wir müssen nach anderen Wegen suchen, um den Level der Einnahmen auf gleichem Niveau zu halten - nicht nur möglichst viele Rennen, oder Grands Prix an Orten, wo man die gewünschten Summen zahlt. Mehr Rennen gleich mehr Geld für die Teams - das ist zu einfach gerechnet."
Hockenheim symptomatisch für aktuelle Situation
Die Formel 1 soll an Orten gastieren, wo sie willkommen ist und langfristig funktioniert. Leider zählt der Schauplatz Deutschland derzeit nicht ganz zu dieser Kategorie. In Hockenheim kamen am vergangenen Wochenende nur 52.000 Zuschauer zum Rennen. "Es war doch symptomatisch für die derzeitige Situation. Wir sitzen dort und schauen uns an, was passiert. Wir wissen, was kommt - aber wir tun einfach nichts. Die lahme Ente wartet auf den Gnadenschuss", kritisiert Kaltenborn sehr deutlich.
"Im Nachhinein haben es alle immer kommen sehen. Das Problem ist: Niemand tut etwas, um es zu ändern", sagt die Teamchefin ganz offen. "Deswegen sage ich, dass es nicht der richtige Weg ist, mehr Rennen zu machen, um die Einnahmen auf gleichem Niveau zu halten. Dann fahren wir nämlich Rennen in Ländern wie beispielsweise Indien, wo es für ein oder zwei Jahre interessant ist. Dort aber langfristig zu bleiben und den Grand Prix zu etablieren, das ist dermaßen schwierig. Ich meine damit nicht Mexiko, wo es anders ist."
"Das Rennen in Mexiko ist eine gute Sache", meint Kaltenborn, nachdem Ecclestone die Aufnahme des Rennens in den Kalender 2015 bestätigt hat. "Wir können dort bestimmt ein tolles Potenzial ausschöpfen. Ein Beispiel: Als wir vor einigen Jahren einen Showrun in Guadalajara hatten, da waren 200.000 Menschen vor Ort. Wo kommen heutzutage noch so viele Leute? Damals saß Sergio Perez in unserem Auto, der die Massen begeistert hat. Es hat gezeigt, wie groß die Fanbasis dort ist."
Sport darf auch mal Schwächen haben
"Wir arbeiten seit vielen Jahren eng mit Telmex zusammen. Wir wussten, dass Carlos Slim immer diese Vision hatte, den Motorsport in Mexiko weiter zu etablieren. Er wollte dieses Rennen, hat seit langer Zeit an diesem Projekt gearbeitet", sagt die Sauber-Rennleiterin, die sich oft mit dem laut Forbes-Liste reichsten Mann der Welt austauscht. "Dieser Grand Prix ist gut für unsere Partnerschaft und für unsere anderen mexikanischen Sponsoren."
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"Wie wollen wir Menschen begeistern an Orten, wo es keine motorsportliche Geschichte oder Kultur gibt, wenn wir es nicht einmal schaffen, die Fans in den etablierten Märkten zu halten? Man muss wieder eine feste Beziehung aufbauen - was extrem schwierig ist. Das muss durch den Sport passieren", sagt Kaltenborn. "Das Rennen in Hockenheim war klasse. Das ist ja das Enttäuschende: Der Sport bietet tolle Action, aber es passiert trotzdem nichts."
"Natürlich gibt es auch mal langweilige Rennen. Es ist wie im Tennis. Dort gibt es teilweise packende Matches in den Vorrunden, aber ein langweiliges Finale, das in 45 Minuten erledigt ist. Das gehört dazu, das passiert. Das ist aber auch nicht schlimm", meint die Sauber-Teamchefin in ihrer Analyse der aktuellen Situation der Formel 1. "Das grundsätzliche Interesse muss stimmen - und genau dort verlieren wir derzeit viel."