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Williams legt Stallorder-Affäre (vorerst) zu den Akten
Felipe Massa betont, dass das Team den Fehler aus Sepang einsieht - Valtteri Bottas gespannt auf die Zukunft - Claire Williams entschuldigt sich bei den Fans
(Motorsport-Total.com) - Im einem ansonsten ereignisarmen Grand Prix von Malaysia war die Stallorder bei Williams - oder besser gesagt der Versuch einer solchen - einer der wenigen Aufreger. Neuzugang Felipe Massa wurde in der Schlussphase des Rennens von der Boxenmauer angewiesen, seinen ihm im Kampf um Platz sieben folgenden Teamkollegen Valtteri Bottas vorbeizulassen.
Massa, der den Spruch "He is faster than you" noch aus seiner Zeit als Ferrari-Teamkollege von Fernando Alonso kennt, widersetzte sich der Williams-Stallorder und fuhr als Siebter ins Ziel. Bottas musste mit Platz acht Vorlieb nehmen. McLaren-Pilot Jenson Button, der das Ziel einer potenziellen Bottas-Schlussattacke hätte werden sollen, lachte sich ins Fäustchen und kreuzte vor den beiden Williams als Sechster die Linie.
Mit vier Tagen Abstand auf sein Funk-Deja-vu angesprochen, entgegnet Massa in Anlehnung an seine Ferrari-Vergangenheit: "Das war lustig, es waren wirklich haargenau die gleichen Worte." Inzwischen habe man bei Williams erkannt, dass der Befehl in Sepang nie hätte kommen dürfen. "Was dort passiert ist, war ein Fehler. Das sieht das Team genauso wie ich", sagt Massa und beharrt auf seinem Standpunkt: "Aus meiner Sicht habe ich das Richtige getan. Ich war als Fahrer immer professionell und werde es bleiben."
Massa beharrt auf seinem Standpunkt
"Ich werde immer das Beste für das Team tun, aber ich muss auch für mich ganz allein korrekt handeln. Es ist doch klar: Wir alle wollen das Beste für das Team, aber ich fahre doch auch ein Rennen für mich und meine Karriere. Also ist auch das wichtig für mich", verteidigt sich Massa.
Von einem durch die Stallorder-Affäre aus Malaysia gestörten Verhältnis zu seinem neuen Arbeitgeber will der Williams-Neuzugang nichts wissen. "Ja, ich denke schon", antwortet Massa im Fahrerlager des Bahrain International Circuit auf die Frage, ob das Verhältnis zum Team okay sei. "Wir haben alles diskutiert, was am vergangenen Wochenende passiert ist. Es sollte alles okay sein. Wir haben offen alle Dinge und Ansichten auf den Tisch gebracht."
"Es wäre falsch, jetzt ins Detail zu gehen. Wichtig ist, dass wir so etwas intern lösen. Mein Verhältnis zum Team hat nicht gelitten. Wenn ich einen Fehler mache, dann bin ich der Erste, der dies zugibt. Genauso handelt das Team, das nun in diesem Fall 'sorry' gesagt hat", schildert Massa.
Stimmung im Team hat nicht gelitten
Auch das Verhältnis zu Teamkollege Bottas habe durch sein Verhalten nicht gelitten, wie Massa insistiert: "Ich habe kein Problem mit Valtteri." Der Finne bestätigt dies. "Wir haben uns gemeinsam mit dem Team hingesetzt und für die Zukunft gewisse Regeln aufgestellt. Es ist alles klar. Unter vier Augen habe ich nicht mit ihm darüber gesprochen, aber gemeinsam mit dem Team an einem Tisch", so Bottas.
"Wir alle machen doch nur unseren Job, wir fahren Rennen", verteidigt sich Massa und ist überzeugt: "So etwas wird nicht wieder vorkommen. Es sei denn, der richtige Zeitpunkt für so etwas ist gekommen. In Malaysia war es nicht der richtige Zeitpunkt. Es war doch bei weitem nicht das letzte Saisonrennen."
"Ich habe niemals nach einem Nummer-1-Status gefragt, war auch nie irgendwo explizit der zweite Mann", stellt der Brasilianer klar und führt an, dass dies auch bei Ferrari so gewesen sei: "So war es bisher immer in meiner Karriere. Ich gehe einfach davon aus, dass alle gleich behandelt werden. Ich weiß, was ich kann und das Team weiß das auch."
Kein generelles Nein zu einer Teamorder
Massa geht nicht soweit zu sagen, dass er eine Stallorder grundsätzlich ablehnt: "Ich stelle mich nicht hin und sage, dass ich komplett gegen Teamorder bin. Nein, denn es gehört in einigen Fällen dazu. Ich selbst hatte schon an einigen wichtigen solcher Manöver meinen Anteil. Ich bin da wirklich offen. Was aber am vergangenen Wochenende passiert ist, hatte ich nicht erwartet. Außerdem fand ich es nicht korrekt. Das Team weiß es."
"Teamorder ist ein Teil unseres Sports. Doch so etwas darf nur dann angewendet werden, wenn es wirklich notwendig ist", so Massa weiter. "Jeder von uns ist schlau genug, um feststellen zu können, wann so etwas angebracht ist und wann nicht." Dass das zweite von 19 Saisonrennen einen viel zu frühen Zeitpunkt für Stallorder darstellt, sieht nicht nur der Williams-Neuzugang aus Brasilien so.
Die viel zitierte "Multi21"-Affäre von Red Bull trug sich im Vorjahr ebenfalls beim zweiten Saisonlauf in Sepang zu. Sebastian Vettel musste sich für das Widersetzen gegen die Teamorder anschließend viel Kritik anhören. Um bei Williams Vorkommnisse wie am vergangenen Sonntag künftig zu vermeiden, habe man sich laut Massa ab sofort "auf gewisse Vorgehensweisen verständigt".
Sepang und die Folgen: Neue Regeln bei Williams
Bottas will bezüglich der von Massa angesprochenen "gewissen Vorgehensweisen" im Team nicht zu sehr ins Detail gehen: "Wird man sehen, es hängt schließlich immer von der jeweiligen Situation ab. Hoffentlich können wir einfach ein Rennen fahren. Wir müssen aber den Ansagen des Teams folgen. Das Team sieht anhand der Daten viel mehr als das, was wir als Fahrer so mitbekommen."
Massa indes will sich an diesbezügliche Absprachen vor Saisonbeginn nicht erinnern können. "Nein, solche Szenarien haben wir nicht vorab durchgespielt", so der Brasilianer. Bottas' Erinnerung ist freilich eine anderes: "Es war aber so. Wir haben vorher darüber gesprochen."
Interessen des Teams müssen obenan stehen
Claire Williams jedenfalls legt den Vorfall aus Sepang zu den Akten: "Ich freue mich sagen zu können, dass alles aussortiert wurde. Was in Malaysia passierte, war eine Situation, die nicht sonderlich geschickt gehandhabt wurde. Wir im Team haben aus unseren Fehlern alle sehr schnell gelernt."
"Wir haben die zurückliegenden Tage damit verbracht, die Vorkommnisse aus Malaysia und die Fehler, die wir dort gemacht haben, zu analysieren", setzt die Tochter von Frank Williams fort und kommt zum Schluss: "Wir haben uns alle an einen Tisch gesetzt und schauen jetzt gemeinsam nach vorn. Das Wichtigste in einer solchen Situation ist es, daraus zu lernen und neue Abläufe einzuführen, die es uns erlauben, nach vorn zu blicken und eine Wiederholung der Fehler ab sofort zu vermeiden. Wir haben uns zusammengesetzt. Alle sind glücklich und entschlossen, das bevorstehende Rennwochenende in Angriff zu nehmen."
Welche Fehler wurden in Sepang von Seiten des Teams konkret gemacht? "Ich glaube, es war eine Kombination", sagt die stellvertretende Teamchefin. "Wir sind nicht als ein Team bekannt, das seinen Fahrern einen Nummer-1- oder Nummer-2-Status auferlegt. Unterm Strich sind wir aber ein Team, dessen Ziel es sein muss, für die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft so viele Punkte wie möglich einzufahren."
Dieser Aspekt ist in diesem Jahr wichtiger denn je. Schließlich gibt es beim Saisonfinale in Abu Dhabi doppelte Punkte. Im Kampf um die Platzierungen in der Konstrukteurswertung - und somit um Dollar-Millionen für die folgende Saison - bietet sich den Teams am 23. November die Chance, eine vermeintlich schon aussichtslose Platzierung in der Gesamtwertung doch noch einzunehmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, eine vermeintlich schon sicher geglaubte Position noch zu verlieren.
Claire Williams entschuldigt sich bei den Fans
Bezüglich der im Team aufgestellten Regeln wird Claire Williams etwas präziser als die Fahrer, ohne jedoch zu viel preiszugeben: "Unterm Strich sind wir ein Rennteam, das so viele Punkte wie möglich für die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft einfahren muss. Beide Fahrer wissen und verstehen das. Als Team ist es unsere Aufgabe, die nötigen Anweisungen zu geben, um sicherzustellen, dass wir so viele Punkte wie möglich einfahren."
In ihrer Analyse der Sepang-Vorkommnisse redet die Tochter von Firmengründer Frank Williams nicht lange um den heißen Brei herum. "Wir wollten sicherlich nicht, dass das, was wir über Funk gesagt haben, für alle hörbar ist. Schließlich erwarten unsere Fans von uns, dass wir unsere Fahrer frei fahren lassen. Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen", sagt sie.
"Der Knackpunkt ist der: Wir waren auf das Szenario, mit dem wir konfrontiert wurden, einfach nicht vorbereitet. Es ist schließlich lange her, dass wir mit unseren beiden Autos in den Top 10 lagen und um WM-Punkte fuhren", führt Williams an und hält abschließend fest: "Mittlerweile haben wir uns auf Abläufe verständigt, sodass wir - sollte eine solche Situation noch einmal auftreten - vorbereitet sind. Wir sind alle nur Menschen, die von Zeit zu Zeit Fehler machen. Solange wir diese einsehen und daraus lernen, ist alles gut."
"Ich möchte nicht zu sehr in die Details eines möglichen Szenarios gehen. Unterm Strich muss es unser Ziel sein, so viele Punkte wie möglich einzufahren und unsere Fahrer auf der Rennstrecke ein Rennen austragen zu lassen", sagt Williams und stellt klar: "Ich kann natürlich keine Einzelheiten über unsere Abläufe ausplaudern. Schließlich würde das unseren Gegnern einen unfairen Vorteil verschaffen."
Was, wenn es ein zweites Sepang gibt?
Bottas muss auf die Frage hin, ob er sich sicher sei, dass Neuzugang Massa künftig im richtigen Moment auf die Anweisungen des Teams hört, lange überlegen, um dann festzuhalten: "Ja. Wir werden sehen, aber ich gehe mal davon aus." Mit Blick auf die Situation in der Schlussphase des Malaysia-Grand-Prix regt der Finne an: "Man hätte das Ganze vielleicht anders erklären müssen. Ich hätte vielleicht versuchen dürfen, Button noch zu schnappen. Wenn das nicht gelingt, dann bekommt er seine Position zurück - irgendwie so."
"Wenn man heutzutage, da man seine Reifen fast immer schonen muss, eine Chance auf ein Überholmanöver hat, dann muss man es schnell machen. Schon nach zwei Runden direkt hinter einem Konkurrenten fangen die Pneus an zu überhitzen. Wenn man auf jemanden aufläuft, dann muss man vorbei. Wenn man erst einmal dahinter festhängt, dann geht nichts mehr", schildert Bottas die Sepang-Situation aus seiner Sicht.
Der Finne ist überzeugt: "Wenn wir einen direkten Kampf ausgefochten hätten, dann wären an beiden Autos die Reifen hinüber gewesen. Ich habe natürlich Zeit hinter ihm verloren, aber nicht nur dort. Unser erster Stint war auch eine Runde zu lang. Das hat auch etwas gekostet. Das waren eben alles Dinge, die wir hätten besser machen müssen."
"Wenn es nicht mein Teamkollege gewesen wäre, dann hätte ich mit höherem Risiko angegriffen. Das ist doch klar. Wenn es aber der Teamkollege ist, dann geht man keine unnötigen Risiken ein. Wenn man nicht angreifen soll, dann ist es eben so", meint Bottas, der seine zweite Saison als Williams-Stammfahrer absolviert.
Rob Smedley soll es richten
Claire Williams lobt in ihrer Rückschau auf die zurückliegenden Tage vor allem das Verhalten von Massa. "Er verhielt sich wirklich gut. Wir führten offene Gespräche. Es gab keine Spannungen im Team. Allen war klar, dass die Situation passiert ist, wie sie passiert ist. Wir als Team haben es am vergangenen Wochenende nicht geschafft, für unsere Fahrer das Bestmögliche herauszuholen. Damit müssen wir leben und wir müssen daraus lernen."
Im Zusammenhang mit dem Lernprozess setzt Williams auch auf die Expertise von Rob Smedley. Der langjährige Ferrari-Renningenieur von Massa ist seinem Vertrauten über den Winter von Maranello nach Grove gefolgt und trat am Montag dieser Woche den Job des Williams-Chefingenieurs an. Smedley ist damit Nachfolger von Rod Nelson, der sich ab sofort hauptsächlich in der Fabrik aufhalten und nur noch bei Testfahrten vor Ort sein wird.
"Zusammen mit den Ingenieuren und den Fahrern haben wir uns auf bindende Regeln verständigt. Rob wird in seiner Rolle als Chefingenieur derjenige sein, der von der Boxenmauer aus die Entscheidungen trifft und entsprechende Anweisungen gibt", erklärt Claire Williams.
So blickt Massa, der die von Ferrari in Hockenheim 2010 zu Gunsten von Alonso ausgesprochene Stallorder als "vielleicht auch nicht der richtige Moment" bezeichnet, nach vorn. Sepang 2014 jedenfalls ist für ihn abgehakt: "Das alles liegt nun hinter uns. Wir müssen nach vorn schauen und uns auf das anstehende Rennen konzentrieren. Wir müssen darauf achten, dass wir nun alles richtig machen."