Der RB9 im Detail: Mit kleinen Schritten vorwärts
Der heute vorgestellte Red Bull RB9 verzichtet auf revolutionäre Änderungen - Eitelkeitsblende und Frontflügelaufhängung prägnanteste Unterschiede
(Motorsport-Total.com) - Da sich die technischen Regeln der Formel 1 im Vergleich zum Vorjahr kaum geändert haben, war im Vorfeld der Präsentationen der neuen Autos nicht mit spektakulären Neuentwicklungen gerechnet worden. Nachdem nun sechs der elf Teams ihr Modell des Jahrgangs 2013 enthüllt haben, kann man festhalten, dass diese Erwartung erfüllt wurde. So auch heute bei der Präsentation des Red Bull RB9. Das Auto, mit dem Sebastian Vettel um seinen vierten WM-Titel in Folge einfahren will, kann seine Verwandtschaft zum Vorgängermodell nicht verleugnen.
Wie schon in den vergangenen Jahren hat Star-Designer Adrian Newey das erfolgreiche Grundkonzept des Red Bull konsequent weiterentwicklet. Der Brite spricht daher auch folgerichtig von einer Evolution - ein dieser Tage häufig gehörter Begriff. In der Tat sind bei den bisher veröffentlichten Fotos der Presseabteilung von Red Bull - den bei der Präsentation anwesenden Journalisten wurde es untersagt, eigene Fotos zu machen - kaum Unterschiede zum RB8 des Jahres 2012 zu erkennen.
Die offensichtlichste Änderung betrifft die Stufennase, die nun unter einer Abdeckung verschwunden ist. Die Eitelkeitsblende genannte Abdeckung glättet die Linienführung an der Fahrzeugnase ein wenig, der auffällige Lüftungsschlitz aus dem Vorjahr ist verschwunden. "Dieser Briefkastenschlitz sollte zum einen die Stufe verringern und andererseits Elektronik-Boxen sowie die Seitenkästen und den Fahrer kühlen", erklärt Newey. "Da in diesem Jahr die Eitelkeitsblende erlaubt ist, haben wir den Schlitz geschlossen."
Der Schlitz ist verschwunden
Woher nun die Kühlluft für Fahrer und Elektronik kommen soll, verriet Newey nicht. Da man davon ausgehen darf, dass Vettel, Mark Webber und den Platinen in diesem Jahr nicht den Hitzetod sterben werden, kann die Wirkung des Schlitzes nicht so groß gewesen sein. Im Vergleich zu McLaren, Force India und Ferrari ist die Eitelkeitsblende bei Red Bull jedoch wesentlich kürzer, sodass die Nase nicht wie aus einem Guss erscheint, sondern leicht Kanten aufweist. "Sie reicht nicht weit nach vorne, weil sonst das Gewicht nicht zu rechtfertigen wäre", erklärt Newey hierzu.
Beim Blick auf die Fahrzeugnase fällt auf, dass die Pylonen, an denen der Frontflügel befestigt ist, wesentlich weiter nach hinten reichen. Damit soll der Luftfluss unter dem Vorderwagen weiter kanalisiert werden. Damit folgt Red Bull dem Ansatz von Ferrari, die in diesem Bereich schon 2012 eine extreme Lösung präsentiert hatten. Bei der Vorderradaufhängung macht Red Bull keine Experimente und setzt weiter auf Druckstreben, wohingegen McLaren dem Vorbild von Ferrari folgend auf Zugstreben wechselte.
Hinter der Vorderachse gleicht der RB9 seinem Vorgänger wie ein Ei dem anderen. Bei den ohnehin schon stark eingezogenen Seitenkästen verzichtete Newey auf eine radikale Lösung a la Sauber. Allerdings sind andere Teams für den Branchenprimus ohnehin keine Orientierung: "Unsere Philosophie war immer, unser eigenes Auto zu bauen. Ich denke lieber über das nächste Jahr nach, anstatt mich darum zu kümmern, was die Konkurrenz macht", so Newey.
Wie sieht der RB9 beim Test aus?
Auch an der Airbox, der Hinterradaufhängung und dem Heckflügel sind auf den ersten Blick keine Veränderungen zu erkennen, der Auspuff befindet sich an der selben Stelle wie zuletzt beim RB8. Selbst der als "Affensessel" bezeichnete kleine Zusatzflügel in der Mitte des Heckflügels ist wieder zu sehen. Auf ein passives Doppel-DRS verzichtet Red Bull zunächst noch, allerdings schloss Newey nicht aus, dass ein solches System im Laufe der Saison getestet werde.
Ohnehin wird der RB9, der heute in Milton Keynes präsentiert wurde, nicht das Auto sein, mit dem Vettel und Webber beim Saisonauftakt fahren werden. Die Präsentationen sind für die Teams reine PR-Termine, die wirklichen Neuentwicklungen werden in der Regel erst im Laufe der Wintertests enthüllt. Vor allem der vordere Teil des Autos wird dann auch während der Saison ständig umgebaut. "Die Nase und der Frontflügel können im Rahmen der Weiterentwicklung relativ einfach verändert werden", sagt Newey. "Den mittleren Teil des Autos, das Getriebe oder die Hinterradaufhängung zu ändern, wäre ein großer Aufwand. Deshalb sollten diese Teile so gut wie möglich sein."
Grundsätzlich habe das Entwicklungstempo in der Formel 1 in der vergangenen Dekade stark angezogen: "Was sich in den vergangenen zehn Jahren in der Formel 1 verändert hat, ist das Tempo der Weiterentwicklung während des Jahres. Wenn du früher mit einem dominanten Auto in die Saison gestartet bist, wurdest du, so lange es zuverlässig war, Weltmeister", so Newey. "Das ist heute nicht mehr so. Die Entwicklung schreitet stetig fort, fast bei jedem Rennen erblickt man 'neue' Autos."