• 23. November 2012 · 08:10 Uhr

Finale in Interlagos: Lotto, Toto, Rennduell

Viele Faktoren werden die entscheidende Schlacht um dem WM-Titel zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso beeinflussen: Wetter, Technik und Taktik

(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Sonntag ab 14:00 Uhr Ortszeit (17:00 MEZ) werden Sebastian Vettel (Red Bull) und Fernando Alonso (Ferrari) ganz allein sein - allein mit ihren Hoffnungen, ihren Wünschen und Zielen. Niemand wird mehr da sein, der sich schützend vor die Piloten stellt, niemand wird mehr Rechenspiele anstellen, niemand wird weitere Unterstützung liefern können. Da sitzen die beiden Protagonisten des WM-Fights in ihren tieffliegenden Kisten und senken beim Erlöschen der roten Ampeln tollkühn ihren Gasfuß.

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Sebastian Vettel und Fernando Alonso: Wer steht am Sonntag im Vordergrund? Zoom Download

"Wenn ich absolut ehrlich bin, dann glaube ich nicht, dass sich die anderen 22 Fahrer im Feld besonders um Seb und Fernando kümmern werden, wenn die Lichter ausgehen", warnt Toro-Rosso-Pilot Daniel Ricciardo vor Gefahren. "Wir haben alle unsere eigenen Rennen vor uns und werden unsere Herangehensweise nicht ändern, weil es sich um den WM-Showdown handelt. Klar, wenn wir überrundet werden, dann werden wir ausweichen, aber wenn wir gegeneinander fahren, dann gibt es keine Sonderbehandlung."

Spätestens beim Start des letzten Grand Prix des Jahres wird also alle Spekulation aufhören, es sprechen dann nur noch die Fakten der Zeitnahme. Bis dorthin darf jedoch weiterhin analysiert, gerätselt und gewettet werden - fein! "Ich habe keine Ahnung", sagt Lewis Hamilton vor dem Showdown in Brasilien zwar, aber der Brite lässt dennoch sofort eine Einschätzung folgen: "Wenn man sich die Fakten anschaut, dann hat Sebastian das bessere Auto. Es sind aber beides fantastische Fahrer."

Gibt es in der Formel 1 ein Unentschieden? Nein - eine Entscheidung wird am Sonntag fallen. "Ich denke, Fernando war über die gesamte Saison betrachtet am konstantesten. Er war immer schnell und hat immer einen guten Job abgeliefert in dem Auto, das ihm zur Verfügung stand. Sebastian war in diesem Jahr weniger konstant", hat Jenson Button seinen persönlichen Favoriten ausgemacht. "Die vergangenen Rennen von Sebastian waren fantastisch, aber da hatte er ein großartiges Auto."

Ob der Heppenheimer auch beim letzten Rennen des Jahres ein fantastisches Auto haben wird, weiß bislang niemand. Natürlich ist es naheliegend, dass der Red Bull RB8 auch auf der kurzen Strecke von Interlagos gut funktionieren dürfte, aber die Gewissheit gibt es nicht. "Fernando hatte beim letzten Rennen Probleme mit seinem Auto, aber vielleicht sind sie hier schnell. Sie waren hier immer schnell", orakelt Hamilton vor dem 20. Rennen des Jahres.

McLaren-Piloten haben Alonso auf der Rechnung

"Ich sage nicht, auf wen ich mein Geld setzen würde. Ich behalte es lieber schweigend in meiner Tasche. Sonst befinde ich mich in Problemen", lacht Mercedes-Neuzugang Hamilton, der offenbar Alonso den Husarenritt zum Titel zutraut. "Man kann sagen, dass Sebastians Auto schneller ist. Dafür hat Fernando die Zuverlässigkeit auf seiner Seite", legt Caterham-Pilot Heikki Kovalainen den Finger in die seit Austin wieder klaffende Red-Bull-Wunde.

Beim Grand Prix in den USA war am Red Bull RB8 mal wieder eine Lichtmaschine abgeraucht. Dies passierte zwar am Auto von Mark Webber, hätte aber jederzeit auch bei Vettel passieren können - so wie es der Deutsche bereits in Monza und Valencia leidvoll hatte erfahren müssen. Zulieferer Magneti Marelli hat das Problem gemeinsam mit Motorenlieferant Renault nicht in den Griff bekommen. Das steht nun fest. Daher muss Red Bull in Interlagos auf die bisher kaum getestete neue Version umbauen - ein Risiko.

Die neue Spezifikation der Lichtmaschine sei zu "99 Prozent" sicher, meint Renault-Einsatzleister Remi Taffin. Aber da ist eben dieser eine Prozentpunkt, der aus Vettels Sicht schmerzhaft werden könnte. "Es gibt genügend andere Dinge, über die wir uns mehr Sorgen machen müssten", sagt Taffin und lenkt somit von der Problematik Lichtmaschine ab. Immerhin hat die neueste Version beim Testeinsatz in drei Autos in Austin einen Grand Prix lang durchgehalten...

Vielleicht muss der "Alternator" in Brasilien besonders harte Arbeit verrichten. Nämlich dann, wenn im Rennen ein zusätzlicher Stromverbraucher in Betrieb ist: die Regenleuchte am Heck. Die Vorhersagen weisen eine Regenwahrscheinlichkeit für den Renntag von 60 Prozent aus. Interlagos-Kenner wissen: Wenn es regnet, dann richtig. "Dann wird es ein bisschen eine Lotterie", meint Lewis Hamilton, der in Interlagos bereits einige Schwimmkurse absolviert hat.

Regen angesagt: Gerät Vettel ins Schwimmen?

"Das erinnert mich an 2008, als ich die Weltmeisterschaft gewonnen habe. Die Ferrari waren damals so schnell, und die Fahrer wechselten von Slicks auf Regenreifen und wieder zurück, man wusste nie, was als nächstes passiert. Es wird sonnig, dann trocknet es ab, dann regnet es wieder", schildert der Ex-Champion. "Ferrari hat generell in schwierigen Rennen immer das Beste herausgeholt", sagt Kovalainen. Er haut noch einen drauf: "Regen ist für Fernando nicht die einzige Chance."

Der Ferrari-Pilot kann sich auf hundertprozentige Unterstützung aus dem eigenen Lager verlassen. Felipe Massa gibt für den Spanier nicht nur sein letztes Hemd, sondern im Zweifel auch sein intaktes Getriebe - siehe Austin. Der Brasilianer könnte bei seinem Heimspiel in Sao Paulo in eine Hauptrolle schlüpfen. "Felipe hatte zuletzt einige starke Rennen. Er kann auch in Interlagos vorne dabei sein. Er muss eben auf der Strecke bleiben, falls es wirklich den starken Regen gibt", scherzt Button.


Fotos: Großer Preis von Brasilien


"Wenn ein Teamkollege der beiden WM-Kandidaten vorne fährt, dann sollte man meinen, dass es gegen Ende des Rennens noch einen Positionstausch geben könnte. Aber im Regen macht man so etwas eigentlich nicht. Aber vielleicht gibt es ja dann besonders lange Boxenstopps oder so etwas", meint der britische McLaren-Mann, der sich 2009 an gleicher Stelle seinen Titel vorzeitig sichern konnte. "Das wird auch für mich interessant zu beobachten sein."

Am Sonntagmittag werden die beiden WM-Kandidaten von der Leine gelassen. Bis dorthin spekuliert und analysiert das Umfeld, die beiden Protagonisten geben sich gelassen. "Wenn wir die Ziellinie überquert haben, dann schauen wir, wo ist Sebastian ist und rechnen dann", sagt Alonso, der seiner Truppe unermüdlich Druck macht. Vettel hingegen ganz anders: "Wir waren mit allen Mann essen. Der Bauch ist voll, nicht zu voll hoffentlich." Richtig satt ist man ohnehin erst, wenn der Keks am Sonntag gegessen ist.

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