Red Bull unter Druck: Welche Richtung ist die richtige?
Red Bull kann auch am dritten Rennwochenende der Saison nicht an die Glanztaten der Vorjahre anknüpfen: Gas geben mit welchem Auspuff?
(Motorsport-Total.com) - Im Lager von Red Bull gilt es die Geheimnisse des neuen RB8 zu entschlüsseln. Auch in der dreiwöchigen Pause vor dem China-Wochenende hat keiner der anerkannten Fachleute des Weltmeisterteams den Code knacken können. Beim Schanghai-Roulette hat Red Bull gleich zwei Jetons auf dem Tisch, aber die Gewinnchancen steigen dadurch offensichtlich trotzdem nicht an. Mark Webber fuhr mit der aktuellen Ausbaustufe, Sebastian Vettel rüstete seinen RB8 auf den Stand der Testfahrten zurück.
Die zweigleisige Strategie wird von manchen Beobachtern als kleines Signal von Hilflosigkeit bei den "Bullen" gewertet. Es fehlt eine eindeutige Entwicklungsrichtung, die in den vergangenen Jahren stets erkennbar war und konsequent beschritten wurde. "Es ist nicht so, dass wir vielleicht faul waren und uns zurückgelehnt haben", weist Vettel die Aussagen jener zurück, die bei Red Bull nach zwei glorreichen Jahren vermuten, der Erfolgshunger sei gestillt.
Vettel in die Irre gleitet?
"Kein Zweifel, wir sind nicht auf dem Niveau wie zum Ende des vergangenen Jahres. Wir müssen nun hart arbeiten. Das ist der einzige Weg, um wieder an die Spitze zu kommen", stachelt Vettel dennoch sein Team noch einmal verbal an. Bislang haben sich die Bemühungen kaum ausgezahlt. Einzig im zweiten Freien Training am Freitagnachmittag sah man Vettel einmal in wirklicher Schlagdistanz zur Spitze. Genau dieser kleine Erfolg könnte allerdings in die Irre geleitet haben.
Vettel entschied sich gemeinsam mit seinem Team dazu, die alte Version des Auspuffs am Fahrzeug zu behalten, weil diese im Training gute Ergebnisse zugelassen hatte. "Der Freitag war diesbezüglich sehr aufschlussreich. Die Balance ist aus meiner Sicht einfach besser", stellt Vettel die Entscheidung öffentlich auch jetzt noch nicht in Frage. Allerdings folgte am Samstagmorgen ein Rückschlag, der als Fingerzeig für die folgende Qualifikation gelten sollte. Vettel lag plötzlich eine halbe Sekunde hinter dem Teamkollegen.
"Ich hatte am Morgen zu viel Übersteuern, aber am Nachmittag war es besser", sagt der Weltmeister. Die Balance des RB8 mag in der Qualifikation wieder nach seinem Geschmack gewesen sein, aber der Speed war es nicht. In der Zeitenjagd blieb Vettel als Elfter bereits in Q2 hängen, während Webber gleichzeitig seine schnellste Runde des Wochenendes markieren konnte. Der Abstand zwischen den beiden Teamkollegen: 0,331 Sekunden. Keine Welt, aber in Zeiten eines engen Starterfeldes eben zu viel.
Webber hat klare Ansichten
"Er war knapp außerhalb der Top 10 - das geht schnell", urteilt Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, der seine Silberpfeile feiern durfte. "Sicherlich wird er den Rennspeed haben, denn er gehört zu den Schnellsten im Rennen - da mache ich mir keine Sorgen. Er kann immer noch auf das Podium fahren", meint der Schwabe. "Vielleicht hatte es mit dem Transparent zu tun, auf dem 'Finger-Boy' steht", scherzt Jenson Button und fügt an: "Wir alle haben dann und wann schwierige Qualifyings."
Das mäßige Abschneiden hatte allerdings nichts mit Fahrfehlern oder Setupproblemen zu tun. "Wenn ich dreimal die gleiche Rundenzeit fahre, dann war wohl einfach nicht mehr drin", sagt Vettel und spricht damit das größte Problem von Red Bull indirekt an. Der RB8 ist - zumindest in der Ausbaustufe des Vettel-Autos - an seine derzeitigen Grenzen gestoßen. Deswegen wundert es kaum, dass sich Teamkollege Webber sicher ist, dass seiner Version des RB8 eher die Zukunft gehört.
"Wir wissen eigentlich, in welche Richtung wir mit dem RB8 gehen müssen. Dadurch ist das Update, das ich an meinem Fahrzeug immer noch fahre, eigentlich erst entstanden", erklärt der Australier ganz pragmatisch. Die Rundenzeiten gaben ihm am Samstag recht. Er schaffte den Einzug in Q3, platzierte sich in der Endabrechnung mit einer Rundenzeit von 1:36.290 Minuten auf Platz sieben. Zufrieden war Webber dennoch keineswegs.
"Mit frischen Reifen fühlt sich unser Auto immer noch gut an, die Balance stimmt auch dann noch. Das Problem ist eher, dass wir meiner Meinung nach weniger aus frischen Reifen herausholen können als andere", schildert der erfahrene Red-Bull-Pilot seine Sicht der Dinge. "In Q2 habe ich auf Grundlage dessen wirklich eine tolle Runde hinbekommen. Aber urplötzlich knallt Nico Rosberg in Q3 wie aus dem Nichts eine 1:35.1er-Zeit auf die Bahn. Da können wir nicht mithalten."
Die Suche nach Stellschrauben
Die Herren Schumacher und Kobayashi konnten in Q3 etwas zulegen, die Topleute Rosberg und Hamilton erheblich schneller fahren als in Q2. Bei Webber paarte sich eine nicht ganz optimale Runde mit der Tatsache, dass die Streckentemperaturen weiter zurückgegangen waren. Dies ist in Zeiten hoch sensibler Reifen eine Herausforderung, die andere Teams derzeit offenbar besser meistern können als Red Bull.
"Ich hatte den Eindruck, dass wir mit meiner Version in Melbourne und bei trockenen Phasen in Sepang gar nicht so schlecht aussahen. Wir müssen den RB8 noch besser kennenlernen", sagt Webber. Das Weltmeisterteam muss die Stellschrauben finden, die bei veränderten Bedingungen bedient werden müssen. "Das Problem ist, dass wenn dir jetzt zwei Zehntel fehlen, dann macht das unwahrscheinlich viele Positionen aus. Es gibt derzeit viel mehr konkurrenzfähige Autos als in den Vorjahren."
"Aufgrund der sich verändernden Bedingungen gibt es immer wieder enorme Verschiebungen. Es war auch erstaunlich, wie manche Leute in Q1 nach dem Wechsel auf die weichen Reifen zulegen konnten. Es war geradezu bizarr, wo Perez plötzlich diese Zeit herholte", sagt Webber und hofft auf eine Schönwetterfahrt am Sonntag: "Für uns wären wahrscheinlich hohe Streckentemperaturen gut, der Mercedes mag kühle Werte eher und McLaren liegt irgendwo in der Mitte."