Schumacher: Ist das Gewicht der Schlüssel?
Wie Michael Schumacher zwei Gramm Gewicht gespart hat und was der Grund für seine Probleme im Mercedes-Silberpfeil sein könnte
(Motorsport-Total.com) - In den vier bisherigen Top-10-Qualifyings dieser Saison war Michael Schumacher durchschnittlich um genau 0,523 Sekunden langsamer als Nico Rosberg. Im Qualifyingduell liegt der siebenfache Weltmeister mit 0:4 zurück, im Rennen kam er noch nie vor seinem Teamkollegen ins Ziel und auch an Punkten ist sein Rückstand (9:35) recht beträchtlich.
An diesem Wochenende in Schanghai tut sich Schumacher im Mercedes-Vergleich besonders schwer. Immerhin weiß er seit dem neunten Platz im heutigen Qualifying, woran das liegt: "Am Ausgang der langsamen Kurven. Das war schon das ganze Wochenende so, aber ich konnte anhand der Daten nicht herausfinden, wieso das so ist", seufzt der 41-Jährige und sagt anerkennend: "Nico macht einfach einen großartigen Job, denn unsere Setups sind ziemlich identisch."
Kaum Hoffnung für das Rennen
"Deshalb müssen wir verstehen, was es ist, was gerade mir zu schaffen macht", analysiert Schumacher. Für den morgigen Grand Prix von China erwartet er unter normalen Bedingungen allerdings keine Wunderdinge: "Wir dürfen ja das Setup bis zum Rennen nicht mehr ändern, daher muss ich das einfach so hinnehmen. Das nächste Rennen ist aber ein neues Kapitel. Davor werden wir das genau analysieren und versuchen, das Problem aus der Welt zu schaffen."
Generell kann sich der gebürtige Kerpener noch nicht mit der untersteuernden Balance seines silbernen MGP W01 anfreunden. Seinem Fahrstil würde eher ein loses Heck entgegenkommen als eine schiebende Vorderachse. Die hat mehrere Gründe: Erstens sind die Vorderreifen im Vergleich zu seinen Ferrari-Jahren schmaler geworden und zweitens ist die Gewichtsverteilung durch das Nachtankverbot im Rennen ganz anders als früher.
"Das Problem ist nicht der Radstand, das Problem ist die Gewichtsverteilung", erklärt Teamchef Ross Brawn. Denn Schumacher ist um sieben Kilogramm schwerer als der um vier Zentimeter größere Rosberg, wodurch er weniger mit Ballastgewichten spielen kann als sein Stallgefährte. Doch Adrian Sutil bezweifelt, dass das der entscheidende Faktor ist: "Sieben Kilo machen kaum etwas aus, höchstens ein Zehntel", wird er von der 'Auto Bild motorsport' (Jetzt abonnieren!) zitiert.
"Wenn er sich um sieben Kilo Gedanken macht, muss das Auto unfahrbar sein - und das ist es nicht", analysiert der Force-India-Pilot und meint: "Es klingt vielleicht lustig, aber Michael muss das Formel-1-Fahren wieder neu lernen. Vor allem die Reifen reagieren extrem sensibel. Das wird total unterschätzt. Um sie voll zu nutzen, braucht er einfach Erfahrung." Doch Schumacher selbst scheint eher zu glauben, dass das Gewicht der ausschlaggebende Faktor sein könnte.
Beinharter Kampf um jedes Gramm
Bei der Suche nach jedem einzelnen Gramm lässt der Rekordweltmeister schon wieder die aus seinen besten Jahren bekannte Akribie aufblitzen. Wie die 'Sport Bild' berichtet, musste Schumachers Betreuer von Helmlieferant Schuberth in Malaysia eine zehnstündige Prozedur am Zoll auf sich nehmen, nur um einen Sponsorenaufkleber abzuholen, der um zwei Gramm (!) leichter sein soll als das Original. Motto: Kleinvieh macht auch Mist...
Norbert Haug stärkt seinem Superstar im 'Spiegel' den Rücken: "Mir gefällt und imponiert Michaels Leistung - ohne jegliche Einschränkung", so der Mercedes-Sportchef. "Er war Sechster bei seinem ersten Rennen nach über drei Jahren Formel-1-Abstinenz. Er fuhr beim zweiten Rennen als Vierter in die erste Kurve und wurde Opfer einer Kollision. Bereits beim zweiten Rennen seines Comebacks war Michael vom Speed her bei den herrschenden Umständen zumindest podiumsfähig."
"Beim dritten Rennen startete Michael als Achter, gewann beim Start zwei Plätze und fiel in Runde zehn als Sechstplatzierter leider wegen einer losen Radmutter aus", erklärt Haug und vergleicht mit Rosberg: "Nico liegt nach drei Rennen vier Punkte hinter der Tabellenspitze - 35:39 Punkte. Im ähnlichen Bereich könnte Michael zweifellos auch platziert sein, wäre er nicht zweimal ohne sein eigenes Verschulden gebremst worden."
Brawn möchte seinem langjährigen Erfolgsfahrer helfen, spätestens mit dem Update für das übernächste Rennen in Barcelona. Sorgen macht sich auch er nicht: "Michael sieht es als große Herausforderung, sich zu steigern, denn bisher war er langsamer als Nico. Wir haben aber zwei gute Fahrer. Über Nico habe ich vor dieser Saison nicht viel gewusst. Er hat mich mit seinem Speed, aber auch mit seiner Arbeitsweise angenehm überrascht", lobt der Teamchef.
Teamkollegen spornen sich gegenseitig an
Und weiter: "Vor dieser Saison habe ich gesagt, dass unsere Fahrerkombination klasse ist, weil Nico viel von Michael lernen kann. Nico hatte noch nie einen Teamkollegen von einem solchen Kaliber. Michael ist diesbezüglich eine große Herausforderung und eine große Hilfe für ihn. Wir legen auch großen Wert darauf, dass die Fahrer wirklich alle Informationen auf den Tisch legen. Man kann nicht sagen, dass einer das Setup des anderen kopiert, denn der Input kommt von beiden Seiten."
Schumacher-Kritiker stellen trotz der noch nicht zufriedenstellenden Ergebnisse fest, dass der Mercedes-Pilot meist ein Lächeln im Gesicht hat, wenn er aus dem Auto steigt. Je länger seine Durststrecke anhält, desto mehr nimmt man ihm ab, dass der 41-Jährige aus Freude am Fahren aus der Rente zurückgekehrt ist. Dass es ihn innerlich aber sehr wohl wurmt, nicht siegfähig und intern erstmals in seiner Laufbahn nur die gefühlte Nummer 1B zu sein, ist auch verständlich.
Nick Heidfeld kann nachvollziehen, dass Schumacher nicht verzweifelt, sondern locker an die Sache herangeht: "Er kann selbst ganz gut einschätzen, dass in der Formel 1 nicht nur Nasenbohrer rumfahren und dass er nach drei Jahren Pause vielleicht ein bisschen Zeit braucht, um wieder ganz nach vorne zu stoßen", sagt der Mercedes-Edelreservist. "Es macht ihm nach wie vor Spaß - und ich glaube, das ist das Entscheidende, warum er fährt."
Morgen könnte Schumacher übrigens Hilfe von oben bekommen - in Form eines Regenschauers. Das würde ihn freuen: "Wenn du Neunter bist, wünschst du dir natürlich eine Abweichung von einem normalen Rennen. Sonst ist es hier schwierig, jemanden zu überholen", gibt der 91-fache Grand-Prix-Sieger zu. "Aber ich werde auch im Trockenen versuchen, einen guten Start hinzulegen, und dann schauen, wie sich das Rennen entwickelt."